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Günter Fettweis

Am 31. Oktober 2018 ist em. O. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Ing. Dr. h.c. mult. Günter B. L. Fettweis im 94. Lebensjahr nach langer schwerer Krankheit verstorben. Mit Prof. Günter Fettweis haben der österreichische Bergbau, die österreichische Wissenschaft und die Montanuniversität eine herausragende Persönlichkeit von nationaler und internationaler Bedeutung verloren.

Die Kindheit von Günter Fettweis ist in die schwierigen Zwischenkriegsjahre gefallen, das Abitur hat er im Jahr 1943 abgelegt, um unmittelbar danach zur Wehrmacht einberufen zu werden. Das letzte Kriegsjahr und das erste Nachkriegsjahr wurden in amerikanischer Kriegsgefangenschaft verbracht. Dies waren wahrlich keine einfachen Voraussetzungen für eine erfolgreiche und eindrucksvolle berufliche und wissenschaftliche Karriere. In der Mindeststudiendauer hat Günter Fettweis das Bergingenieursstudium an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen abgeschlossen und nur zwei Jahre später wurde er zum Dr. Ing. promoviert. Die Zeit an der RWTH Aachen war prägend für seine weitere berufliche Laufbahn. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Carl Helmut Fritzsche, dem Doyen unter den deutschsprachigen Bergbauprofessoren, hat Günter Fettweis die einmalige Gelegenheit gehabt, bereits in jungen Jahren den internationalen Bergbau kennen zu lernen. Der umfang- und aufschlussreiche Reisebericht über den japanischen Kohlenbergbau ist Zeugnis dieser Erfahrungen. In jungen Jahren ist Dr. Günter Fettweis in die Montanindustrie gewechselt. Kohle und Stahl waren die Lokomotiven des Wiederaufbaus der deutschen Wirtschaft. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung zum Assessor des Bergfachs hat die aktive Laufbahn im deutschen Steinkohlenbergbau begonnen. Innerhalb kürzester Zeit ist Dr. Fettweis die berufliche Erfolgsleiter hinaufgestiegen und wurde im Alter von nur 31 Jahren zum Betriebsdirektor der Zeche Osterfeld, mit einer Belegschaft von 6500 Personen eines der größeren Bergwerke an der Ruhr, ernannt. Unter seiner Leitung verbesserten sich die Betriebsergebnisse deutlich und die Zeche Osterfeld gehörte bald zu den produktivsten Bergwerken.

Bereits während der Zeit an der RWTH Aachen und später in der Industrie hat Günter Fettweis wissenschaftlich gearbeitet und veröffentlicht. Die Dissertation beschäftigte sich mit dem wichtigen und damals heftig diskutierten Thema der Bergewirtschaft. In eindrucksvoller Weise ist es Günter Fettweis gelungen, diese Frage zu klären. Weitere wichtige Arbeiten aus dieser Zeit betrafen Fragen der Abbauverfahren für steilstehende Lagerstätten und vor allem Fragen der Steinkohlenvorräte im Ruhrgebiet und der Verluste beim Kohlenabbau.

Im Jahr 1959 erfolgte der Ruf eines ordentlichen Universitätsprofessors für Bergbau und Bergwirtschaft an die damalige Montanistische Hochschule Leoben. Die breite praktische Erfahrung sowie die klare und systematische wissenschaftliche Arbeitsweise und die außergewöhnlichen didaktischen Fähigkeiten und vor allem die Zielstrebigkeit von Prof. Fettweis haben Leoben innerhalb kurzer Zeit zu einer der führenden Bergbauausbildungs- und Forschungsstätten in Europa gemacht. Es war daher nicht überraschend, dass Prof. Fettweis Berufungsangebote anderer Universitäten erhalten hat, darunter auch von seiner Alma Mater. Prof. Fettweis hat jedoch Leoben die Treue gehalten und war auch nach seiner Emeritierung im Jahr 1993 der nunmehrigen Montanuniversität Leoben immer noch sehr verbunden.

Die wissenschaftlichen Schwerpunkte von Prof. Fettweis in Leoben lagen auf dem Gebiet Geo-Bergbaubedingungen (bergbauliche Gebirgs- und Lagerstättenlehre), der Berg- und Abbautechnik, der Bergwirtschaft insbesondere des Kohlenbergbaus und der Beurteilung der Abbauwürdigkeit von Lagerstätten mineralischer Rohstoffe sowie der Systematik, Entwicklung und Bedeutung der Montanwissenschaften. Danach hat er sich vornehmlich mit montanhistorischen und rohstoffpolitischen Fragen beschäftigt. Besondere Erwähnung verdienen die grundlegenden Untersuchungen der weltweiten Kohlenreserven und Ressourcen, die Prof. Fettweis im Auftrag der Vereinten Nationen und der Weltenergiebehörde durchgeführt hat. Die Ergebnisse dieser umfangreichen Untersuchungen wurden in zwei Buchpublikationen veröffentlicht. Für diese Arbeiten wurde Prof. Fettweis im Jahr 1976 der Österreichische Staatspreis für Energieforschung verliehen.

Als Rektor der Montanistischen Hochschule in den Jahren 1968–1972 war Prof. Fettweis aktiv in die österreichische Hochschulreform eingebunden und hat darüber hinaus in einem parlamentarischen Komitee zur Hochschulreform mitgewirkt. Aus diesen Tätigkeiten sind einige grundlegende Arbeiten zur Hochschulreform entstanden. Insgesamt hat Prof. Fettweis mehr als 350 Arbeiten veröffentlicht, darunter 15 Buchveröffentlichungen.

Getreu dem alten Bergbaumotto „Bergbau ist nicht eines Mannes Sache“ hat Prof. Fettweis sich Zeit seines Lebens maßgebend und in leitenden Funktionen für die nationale und internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Bergbaus und der Rohstoffindustrie engagiert. Auf nationaler Ebene war er mehr als drei Jahrzehnte lang der Vorsitzende des Vorstandsausschusses des Bergmännischen Verbands Österreichs und mehrfacher Präsident und Vizepräsident dieser Organisation. Unter seiner Leitung wurden die Statuten des Bergmännischen Verbandes den Erfordernissen der Industrie angepasst. Im Vergleich zu vielen anderen Verbänden dieser Art beschränken sich die Aktivitäten nicht nur auf rein fach- und wissenschaftsspezifische Fragestellungen, sondern umfassen auch Fragen der Berggesetzgebung und der Ausbildung sowie auch die mit der Rohstoffgewinnung verbundenen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Aspekte. Besonderer Wert wurde von Prof. Fettweis darauf gelegt, dass alle Bereiche im Vorstand gleichwertig und auf hohem Niveau vertreten waren.

Besonders einflussreich war die Rolle von Prof. Fettweis als Vizepräsident des Internationalen Organisationskomitees des Weltbergbaukongresses. In der Zeit des „Kalten Krieges“ hat sich Prof. Fettweis intensiv für die internationale Zusammenarbeit der Bergbaufachleute eingesetzt und die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich diese über politische Grenzen hinweg verständigen und austauschen konnten. Insbesondere in Krisenzeiten war diese Brückenbildung von besonderer Bedeutung. Durch seine wertvollen Beiträge hat Prof. Fettweis die Grundlagen dafür geschaffen, dass der österreichische Bergbau auch nach seinem alters- und gesundheitsbedingten Ausscheiden aus dem internationalen Organisationskomitee weiterhin im Präsidium vertreten ist und die Aktivitäten des Weltbergbaukongresses maßgebend beeinflussen kann. Mit der Gründung der „Societät der Bergbauprofessoren“ hat Prof. Fettweis die Basis für die international anerkannte und erfolgreiche „Society of Mining Professors“ geschaffen, welcher nunmehr mehr als 300 Bergbauprofessoren aus über 40 Ländern angehören. Über seine Bedeutung als „gobal player“ auf dem Gebiet der Bergbauforschung und -lehre gibt es keinen Zweifel. Als begnadeter „Netzwerker“ war Prof. Fettweis seiner Zeit weit voraus und hat wesentlich zum internationalen Ruf von Österreich und der Montanuniversität Leoben auf dem Gebiet des Montanwesens beigetragen.

Die wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Tätigkeiten von Prof. Fettweis haben nationale und internationale Anerkennung gefunden. Die Auszeichnungen und Ehrungen sind so zahlreich, dass es nicht möglich ist, sie hier einzeln aufzuzählen. Genannt seien aber doch die fünf Ehrendoktorate, die von der RWTH Aachen (1980), der Hochschule für Schwerindustrie Miskolc, Ungarn (1987), der Universität Petroşani, Rumänien (1996), der Staatsuniversität für Bergbau – Moskau (1999) und der Technischen Universität Kosice, Slowakei (2003) verliehen wurden.

Darüber hinaus war Prof. Günter Fettweis Mitglied folgender wissenschaftlicher Akademien: Österreichische Akademie der Wissenschaften – Korrespondierendes Mitglied (1977), Wirkliches Mitglied (1983), Ehrenmitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (1990), Auswärtiges Mitglied der Polnischen Akademie der Wissenschaften (1991), Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste, Salzburg (1991), Korrespondierendes Mitglied der Académie Européenne des Sciences, des Arts et des Lettres (1996), Auswärtiges Mitglied der Russischen Akademie der Naturwissenschaften (1997) und Auswärtiges Mitglied der Russischen Akademie der Bergbauwissenschaften (1998).

Aus der Sicht der Montanuniversität und der Stadt Leoben sind die Bemühungen von Prof. Fettweis zur Sicherung des Universitätsstandortes Leoben besonders hervorzuheben. In den Jahren seines Rektorates, als die Studentenzahlen, infolge der wirtschaftlichen und strukturellen Probleme der weitgehend verstaatlichten Montanindustrie, dramatisch zurückgingen und ernste Bestrebungen auf Bundesebene bestanden, den Universitätsstandort Leoben aufzulösen und die montanistischen Fächer zu anderen technischen Universitäten zu verlagern, war es den Anstrengungen von Rektor Fettweis auf höchster politischer Ebene und innerhalb der Universität zu verdanken, dass nicht nur der Bestand der Universität gesichert werden konnte, sondern auch die Fundamente für die später so erfolgreiche strukturelle Änderung der Montanuniversität gelegt wurden. Durch die systematische Erweiterung der Aufgabengebiete der Montanuniversität von der Suche nach mineralischen Rohstoffen, deren Gewinnung und Aufbereitung, der Erzeugung metallischer Werkstoffe und besonderer Grundstoffe bis hin zur Erzeugung und Verarbeitung von Kunststoffen und Werkstoffen sowie der der damit verbundenen Umweltprobleme und der Verwertung und Entsorgung von Abfallstoffen ist es über die Jahre gelungen, die Montanuniversität den Veränderungen der Wirtschaft und Gesellschaft anzupassen und auf eine nachhaltige Basis zu stellen. Das Verdienst von Prof. Fettweis ist es, diese Notwendigkeit erkannt und die erforderlichen Schritte eingeleitet zu haben. In weiterer Folge hat sich Prof. Fettweis in einer, von der damaligen Wissenschaftsministerin Dr. Herta Firnberg eingesetzten, Arbeitsgruppe zur Universitätsreform große Verdienste erworben.

Es ist charakteristisch für Professor Fettweis, dass er sich nach seiner Emeritierung nicht, wie viele andere, zurückgezogen hat, sondern mit unverändertem Elan an bergbauwissenschaftlichen Themen arbeitete. In einer Zeit, wo im deutschen Sprachraum die Diskussion um Pensionen ein immer stärkeres Ausmaß annimmt, kannte sein Schaffensdrang und sein Bemühen um den Bergbau kein Ende. Noch vor wenigen Jahren hat er sich mit drei grundlegenden und umfassenden Aufsätzen mit der Frage der Sicherheitsgesetzgebung im österreichischen Bergbau befasst. Erst vor Kurzem hat Professor Fettweis ein 540 Seiten umfassendes Werk zur Geschichte und der Bedeutung von Bergbau und Bergbauwissenschaften fertiggestellt. Dieses Werk bietet eine faszinierende Gesamtschau über den Bergbau in der Geschichte, über Zusammenhänge und Ereignisse von der Antike bis zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl als Beginn der europäischen Einigung. Daneben enthält es jedoch auch viele wertvolle Beiträge zur Entwicklung der Bergbauwissenschaften, den technisch-wissenschaftlichen Vereinigungen und zur technischen Entwicklung des Bergbaus selbst. Die Fragen der pfleglichen Nutzung der Erdkruste stellten auch im hohen Alter immer noch einen zentralen Aspekt im Leben von Prof. Fettweis dar.

Mit dem Tod von Prof. Günter Fettweis haben die Montanuniversität Leoben, der österreichische Bergbau und die Gemeinschaft der Bergbauprofessoren eine Persönlichkeit von internationaler Bedeutung verloren, die die Universität und die Industrie über Jahrzehnte geprägt und beeinflusst hat. Generationen von Studierenden und Absolventen können mit Stolz und Dankbarkeit darauf zurückblicken, ihn als Lehrer gehabt zu haben. Seine nationalen und internationalen Kollegen werden seine Freundschaft und seinen Rat vermissen. Wir alle trauern um ihn.

Unser Mitgefühl gilt seiner Familie und hier insbesondere seiner Frau Alice, die ihn über sieben Jahrzehnte begleitet und unterstützt hat. Sie hat einen wesentlichen Beitrag zu dem so erfolgreichen und vor allen einflussreichen Wirken von Prof. Fettweis geleistet. Dafür gehört ihr unser Dank. Wir werden Günter Fettweis in bleibender und dankbarer Erinnerung behalten.

Mit einem letzten Glückauf!

Horst Wagner

FormalPara Zusammenfassung der wesentlichen Ehrungen
  • 1975: Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich

  • 1976: Österreichischer Staatspreis für Energieforschung

  • 1977: Korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

  • 1980: Ehrendoktorat der RWTH Aachen

  • 1983: Wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

  • 1984: Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse

  • 1987: Miller von Hauenfels Medaille des Bergmännischen Verbandes Österreichs und Ehrendoktorat der Hochschule für Schwerindustrie Miskolc

  • 1988: Großes Goldenes Ehrenzeichen des Landes Steiermark

  • 1990: Ehrenmitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften

  • 1991: Auswärtiges Mitglied der Polnischen Akademie der Wissenschaften

  • 1992: Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

  • 1994: Orden „Ritter des Papstes Silvester“ für Bemühungen um das Verhältnis von Universität und Kirche

  • 1995: Ehrenmitglied des Internationalen Büros für Gebirgsmechanik

  • 1996: Korrespondierendes Mitglied der Académie Européenne des Sciences, des Arts et des Lettres

  • 1997: Auswärtiges Mitglied der Russischen Akademie der Naturwissenschaften

  • 1998: Georg-Acricola-Denkmünze und Ehrenmitgliedschaft der GDMB Gesellschaft für Bergbau, Metallurgie, Rohstoff- und Umwelttechnik;

    Auswärtiges Mitglied der Russischen Akademie der Bergbauwissenschaften

  • 1999: Ehrendoktorat der Staatsuniversität für Bergbau Moskau;

    Ehrenmitglied des Internationalen Organisationskomitees des Weltbergbaukongresses

  • 2001: Großer Josef-Krainer-Preis für Wissenschaft der Steiermärkischen Landesregierung

  • 2002: Ehrenzeichen der Stadt Leoben in Gold