Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser Ausgabe der Zeitschrift für Herz‑, Thorax- und Gefäßchirurgie finden Sie einen Beitrag von Frau Tigges-Limmer mit dem Titel „Psychosoziale Aspekte in der Diagnostik und Therapie von LVAD-Patienten – Leben ‚On Device‘ als Grenzerfahrungen im Sinne Jaspers“. Ich gebe ehrlich zu, dass mich dieser Titel zunächst etwas abgeschreckt hat, denn mit dieser Überschrift verbindet man ein kompliziertes, vielleicht sogar schwer verdauliches Thema, das sicherlich nicht so eingängig ist wie die Beschreibung einer Operationstechnik. Dennoch habe ich den Artikel mit wachsendem Interesse gelesen, und ich möchte Ihnen den Beitrag sehr empfehlen!

Tatsächlich stellt die Behandlung mit einem Herzunterstützungssystem einen tiefen Eingriff in die Integrität des betroffenen Menschen dar, und dies betrifft sowohl den Körper als auch den Geist. Mit den körperlichen Konsequenzen einer VAD-Implantation sind wir in der Regel bestens vertraut; wir wissen um die operationstechnischen Herausforderungen bei der Implantation, aber auch um die möglichen Nebenwirkungen und Komplikationen wie Blutung, thrombembolische Ereignisse, Systeminfektion oder „device failure“. Für all diese unerwünschten Ereignisse gibt es zahlreiche Behandlungsempfehlungen.

Anders sieht es aus mit der Behandlung von psychischen Störungen. Deren Diagnostik und Behandlung sind bei Weitem nicht so gut standardisiert wie die somatischen Probleme. Frau Tigges-Limmer beschreibt nun sehr differenziert, warum eine präoperative psychologische Diagnostik notwendig ist, welche psychischen Auswirkungen die einzelnen Behandlungsziele mit sich bringen; sie zeigt die psychologischen Aspekte der Langzeitunterstützung auf und erläutert auch die Prinzipien der psychotherapeutischen Behandlung, wenn sie erforderlich wird. Das Wissen um diese Problematik und die zeitgerechte Hinzuziehung eines geeigneten Therapeuten, so z. B. eines Psychologen, ist für eine erfolgreiche Behandlung des Patienten in seiner Gesamtheit unerlässlich; dies gilt insbesondere für den implantierenden Chirurgen.

Diese Anforderung ist nicht nur ein frommer Wunsch, sondern eine zwingende Notwendigkeit: Frau Tigges-Limmer zitiert einen „case report“, indem sie den Suizid eines 69-jährigen LVAD-Patienten 3 Jahre nach Implantation berichtet [1]. Mir selbst sind 3 ungeklärte Todesfälle bekannt, bei denen VAD-Patienten, u. a. während der stationären Rehabilitation, mit diskonnektierter „driveline“ aufgefunden wurden. Ein weiterer Patient hatte noch im Rahmen des stationären Aufenthalts versucht, die „driveline“ mit einer Nagelschere zu durchtrennen. Offensichtlich sind einige Patienten nicht in der Lage, die Abhängigkeit von einem VAD-System psychisch zu verarbeiten. Insbesondere in der Patientengruppe der „Destination“-Therapie ist die Situation komplex, da es sich hier um eine Palliation handelt und mit einsetzenden Komplikationen die Todesbedrohung, die durch die Implantation zunächst zurückgedrängt wurde, wieder aufkeimt. In der Literatur finden sich zahlreiche Publikationen, die sich mit den ethischen Aspekten bei der bei Beendigung einer VAD-Therapie beschäftigen: Es besteht überwiegender Konsens, dass die VAD-Therapie aktiv beendet werden darf, wenn neue Ereignisse jenseits der Herzunterstützung, also z. B. Apoplex mit schwerer residueller Schädigung, auftreten [2, 3]. Aber wie sieht es aus, wenn ein Patient multiple Komplikationen durch die VAD-Therapie ertragen muss, diese jedes Mal als lebensbedrohlich empfindet, dadurch den Lebenswillen verliert und eine Beendigung der VAD-Therapie wünscht? Hier ist eine frühzeitige psychosoziale Betreuung sicherlich hilfreich und notwendig, um dem Patienten Lösungswege aufzuzeigen. Denn eine somatische Therapie, die langfristig im Todeswunsch mündet, kann nicht als Erfolg verbucht werden. Auch nicht im Sinne Jaspers!

Ich hoffe, dass auch Sie den Artikel von Frau Tigges-Limmer als hilfreich bewerten, er aber zumindest Sie angeregt hat, über dieses komplizierte Thema nachzudenken. Ist dies der Fall, wäre der edukative Auftrag der Zeitschrift für Herz‑, Thorax- und Gefäßchirurgie wieder ein bisschen erfüllt worden.

Mit besten Grüßen,

Ihr

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Klaus Kallenbach