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Am 12.01.2021 verstarb unser hochgeschätzter Kollege und verehrter Lehrer Herr Prof. Heinrich Geidel im 92. Lebensjahr.

Es ist uns ein Bedürfnis, sein Wirken und Schaffen, aber auch die vielen Momente kollegialer und persönlicher Begegnungen in Erinnerung zu rufen.

Ausbildung und beruflicher Werdegang

Heinrich Geidel wurde 1929 in Leipzig geboren, seine Kindheit war durch die Kriegsjahre geprägt. Im Jahr 1948 legte er das Abitur am Luther-Gymnasium in Eisenach ab und war dann 2 Jahre als Hilfspfleger im Krankenhaus Ruhla tätig; 1950 folgte das Medizinstudium an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Nach 1 Jahr Pflichtassistenz im Kreiskrankenhaus Blankenhain begann er 1957 seine Facharztausbildung für Innere Medizin in Jena unter Prof. Dr. Brednow und Prof. Dr. Beickert. Durch sie wurde auch seine Leidenschaft für die Rheumatologie und Immunologie geweckt.

Im Jahr 1960 promovierte Herr Geidel zum Thema „Über die Häufigkeit und diagnostische Bedeutung des Lupus erythematodes-Phänomens und andere Autophagozytoseerscheinungen im Blut“, eine Arbeit, die bis in die heutige Zeit Beachtung findet.

Im Jahr 1961 wurde Prof. Beickert nach Dresden-Friedrichstadt berufen. Der junge Assistenzarzt Heinrich Geidel kam mit ihm mit, wurde 1965 Oberarzt und nach dem plötzlichen Tod von Prof. Beickert 1974 kommissarischer Klinikleiter. Im Jahr 1976 erfolgte die Ernennung zum Chefarzt der 1. Medizinischen Klinik des damaligen Bezirkskrankenhauses Dresden-Friedrichstadt. Bereits 1973 erhielt die 1. Medizinische Klinik den Auftrag für die Betreuung der Rheumapatienten der Region sowohl in der Klinik als auch im Rheuma-Dispensaire. Unter der Leitung von Heinrich Geidel entwickelte sich die Klinik zu einem wichtigen Ansprechpartner für die niedergelassenen Kollegen. Die praxisnahen „klinischen Visiten“, ärztliche Fortbildungen am Krankenbett, waren sehr gefragt.

Im Jahr 1980 habilitierte Herr Geidel zum Thema „Über die Störung und die Häufigkeit und die Bedeutung metabolischer Störungen bei der essentiellen Hypertonie des jüngeren Erwachsenen unter besonderer Berücksichtigung des Purinstoffwechsels“. Nach Erteilung der Lehrbefugnis war er als Honorardozent der Akademie für Ärztliche Fortbildung der DDR tätig und wurde 1994 zum außerordentlichen Professor ernannt.

Sonstiges Engagement

Die Begleitung ehrenamtlicher Aufgaben gehörte stets zum Arbeitsalltag von Herrn Prof. Geidel. Er gehörte zu den Begründern der Sächsischen Landesärztekammer und war von 1990 bis 1997 Vorstandsmitglied. Von 1991 bis 1997 war er Gründungsvorsitzender der Akademie für ärztliche Fortbildung Sachsen. Zugleich war er von 1991 bis 1995 Mitglied des Senats für ärztliche Fortbildung bei der Bundesärztekammer.

Bei der Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen war er von 1995 bis 2012 einer der Schriftleiter und engagierte sich, das Journal für Evidenzbasierte Medizin, Qualitätssicherung in der Medizin und Patientensicherheit im deutschen Sprachraum zu entwickeln. An der Organisation mehrerer Kongresse (z. B. des sächsisch-bayrischen Fortbildungskongresses, der EUROMED in Leipzig und des Deutschen Ärztekongresses in Dresden) war er führend beteiligt. Er veröffentlichte über 100 wissenschaftlichen Arbeiten überwiegend auf dem Gebiet der Rheumatologie.

Seine Verdienste wurden mehrfach mit Auszeichnungen gewürdigt, unter anderem erhielt er die Ernst-von Bergmann-Plakette der Bundesärztekammer.

Pensionierung bedeutete für Herrn Prof. Geidel keineswegs Ruhestand. Von seiner langjährigen Erfahrung profitierten die Patienten in der Medizinischen Klinik 3 und Poliklinik des Universitätsklinikums (unter Herrn Prof. H.E. Schröder) und später in der Schwerpunktpraxis von Frau Dr. Lüthke. Einfühlsam betreute er die Patient*innen, manche über 40 Jahre lang.

Würdigung

Als ehemalige Schüler*innen haben wir Herrn Prof. Geidel sehr viel zu verdanken. Er war ein strenger und durchaus autoritärer Lehrer. Vor Chefarztvisiten hatten wir als damalige Assistenzärzte großen Respekt. Die aufmerksame Befragung und gründliche klinische Untersuchung des Patienten waren selbstverständlich, Oberflächlichkeiten und Nachlässigkeiten wurden nicht geduldet, spätestens bei der Diskussion der Entlassungsbriefe konnte man wegen Ungenauigkeiten zur Rede gestellt werden. Wir haben viel aus diesen Gesprächen gelernt, nicht zuletzt, jeden Patienten in seiner Gesamtheit, seinem Umfeld zu sehen und wertzuschätzen.

Herr Prof. Geidel scheute sich nicht vor Auseinandersetzungen. Aufrecht und vehement vertrat er die Interessen von Patient*innen und Ärzt*innen, forderte wieder mehr Mitspracherecht der Ärzte in der Gesundheitspolitik und wendete sich gegen die zunehmende Ökonomisierung in der Medizin.

Er war ein „Urgestein“ der sächsischen Rheumatologie und hat diese über viele Jahrzehnte, aber auch viele von uns in unserem ärztlichen Handeln wesentlich geprägt. Sein fachlicher Rat war immer gefragt und weiterführend.

Prof. Geidel war auch ein engagierter Kunstliebhaber, der sich besonders für sächsische Künstler*innen einsetzte. In diesem Zusammenhang soll auf seine verdienstvolle Tätigkeit als Vorsitzender und Mitglied des Vereins der Freunde des Kupferstichkabinetts hingewiesen werden.

Wir alle, ob Kolleg*innen, Schüler*innen oder Patient*innen, werden ihn sehr vermissen. Wir verlieren einen hochgeschätzten Lehrer und Arzt, einen wertvollen Kollegen und väterlichen Freund. Wir werden uns dankbar an viele kleine Episoden und Geschichten erinnern und sein Andenken in Ehren bewahren. Unser Mitgefühl und unsere Verbundenheit gelten seiner Familie.

Dr. Kirsten Lüthke

Dr. Leonore Unger

Prof. Dr. Hans-Egbert Schröder