Im vorliegenden Heft der Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie wird auf ein Thema eingegangen, das in der öffentlichen Diskussion eigentlich allgegenwärtig ist; so prominent sogar, dass man versucht ist, quasireligiöse Züge in der Diskussion entdecken zu wollen: Es geht um Ernährung, und da dieser Aspekt des Lebens naturgemäß jedem direkt zugänglich ist, gibt es Anhänger diverser Orthodoxien hinsichtlich einer „gesunden“ oder „richtigen“ Ernährungsweise. Problematisch wird es dabei immer im Zusammenhang mit restriktiven Diäten, bei denen auf einen Makronährstoff fokussiert („Hochproteindiät“) oder bei dem ein Makronährstoff ausgeschlossen werden soll („Low-Carb-Diät“).

So irritierend diese Entwicklung erscheinen mag – es liegen ihr doch zwei Aspekte, ein erfreulicher und ein wichtiger, zugrunde.

So ist es erfreulich festzustellen, dass man sich in der breiten Öffentlichkeit streitet und diskutiert, über ein Gebiet, das andererseits Objekt eines ganzen Wissenschaftszweiges ist, sodass man sich für beide – interessierte Öffentlichkeit und Wissenschaftler – gegenseitige Inspiration und Rückkopplung erhoffen darf.

Wichtig ist dabei jedoch der Hinweis, dass es – gerade aufgrund der Zugänglichkeit des Themas – sehr leicht ist, aus dieser Situation der gegenseitigen Rückkopplung auszubrechen: Auf der einen Seite werden unwissenschaftliche Schlussfolgerungen aus falsch oder tendenziös interpretierten wissenschaftlichen Daten gezogen, die in ein Weltbild gepresst werden, das so mit einer bevorzugten Ernährungsweise garniert wird. Auf der anderen Seite tendiert man dazu zu übersehen, dass das Gebiet der Ernährungsforschung eine Wissenschaft ist, mit all ihren Unzulänglichkeiten und oft nur transient gültigen Aussagen, die auch offen genau so formuliert werden sollten: keine in Stein gemeißelten Gesetze, sondern nur oft erschütternd kleine Schritte auf dem Weg zur Etablierung klarer Richtlinien, die dann in hoffentlich immer größeren zeitlichen Intervallen in immer geringerem Maße den jeweils neueren Erkenntnissen anzupassen sind.

Betrachtet man einige allgemein zugängliche Beispiele solcher Richtlinien – die Zufuhrempfehlungen für Nährstoffe, die durch regulatorische Instanzen oder wissenschaftliche Gesellschaften aus dem Bereich der Ernährung gegeben werden – so fällt schnell auf, dass die Zufuhrempfehlungen für ältere Menschen bei vielen Nährstoffen von denen jüngerer Menschen abweichen. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass sich sowohl Nährstoffaufnahme als auch physiologische Nährstoffaufnahmekapazität, Umsatz und Stoffwechsel mit dem Alter verändern. Umgekehrt weiß man inzwischen auch, dass einzelne Aspekte des Alternsprozesses durch Nährstoffaufnahme, -umsatz und Stoffwechsel moduliert werden.

Die Artikel der vorliegenden Ausgabe bewegen sich in genau diesem Spannungsfeld, wenn sie sich auf ausgesuchte Makro- bzw. Mikronährstoffe konzentrieren: Wie ist der Stand der Diskussion hinsichtlich der Zufuhrempfehlungen im Alter, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse liegen diesen zugrunde – und umgekehrt: welche Aspekte des biologischen Alterns werden durch die jeweiligen Nährstoffgruppen beeinflusst?

Kiesswetter et al. [1] sowie Großkopf und Simm [2] stellen diese Fragen für zwei ausgesuchte Makro- (also energietragende) Nährstoffe – Protein und Kohlenhydrate – und besprechen ernährungsphysiologische Aspekte dieser Nährstoffgruppen, Zufuhr, Gefahren nichtadäquater Zufuhr und Bedarf im Alter. Steinbrenner und Klotz [3] konzentrieren sich unter denselben Voraussetzungen auf zwei Mikronährstoffe, Selen und Zink, deren biologische Aktivität sie im Zusammenhang mit ihrer Bedeutung für molekulare Alternsprozesse und ihrem Bedarf im Alter besprechen.

Im Zusammenhang mit diesem Themenschwerpunkt soll auf einen weiteren Mikronährstoff verwiesen werden, dessen Bedeutung und Bedarf im Alter ausführlich in einer früheren Ausgabe der Zeitschrift behandelt wurde: Kühn et al. [4] befassen sich hier mit dem Vitamin D, einem fettlöslichen Vitamin, dessen Zufuhr als nicht nur im Alter tendenziell zu gering hervorgehoben wird.

Wir hoffen, mit den hier zusammengestellten Artikeln einen gut zugänglichen Einblick in einen Bereich der aktuellen Diskussion ernährungswissenschaftlicher Aspekte des Alter(n)s zu eröffnen.