Am 19. Dezember 2009 verstarb Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Hanns Gotthard Lasch im Alter von 84 Jahren in Gießen.

Von 1965 bis zu seiner Emeritierung 1993 war er Ordinarius für Innere Medizin und Klinikdirektor des Zentrums für Innere Medizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Er hat maßgeblich und mit großem persönlichem Einsatz Entwicklung und Ausrichtung der Inneren Medizin, insbesondere der Internistischen Intensivmedizin, in klinischer Praxis und Forschung geprägt und gilt als wesentlicher Gestalter des Konzeptes der interdisziplinären Integration durch die Einrichtung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).

Wir trauern um eine herausragende Arztpersönlichkeit, um einen klinischen Forscher und Lehrer, der als unverkennbares Vorbild der Tradition und Entwicklung der Inneren Medizin gedient, zu ihrer modernen Entwicklung beigetragen hat und zu den großen deutschen Internisten der letzten 5 Dekaden zählt.

Hanns Gotthard Lasch wurde am 29. September 1925 in Liegnitz/Schlesien geboren. Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft 1946 studierte er Medizin in Breslau und Erlangen, wo er 1951 das Staatsexamen ablegte und im gleichen Jahr promovierte. Nach einer Forschungstätigkeit am Institut von K. Felix in Frankfurt begann H.G. Lasch 1954 seine internistische Laufbahn unter Karl Matthes an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg (Ludolf Krehl Klinik). Er habilitierte sich 1958 mit dem Thema „Verbrauchskoagulopathie“, ein Begriff, der seitdem mit seinem Namen verbunden ist. Im Jahr 1965 folgte er dem Ruf auf den Lehrstuhl für Innere Medizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Das tragende wissenschaftliche Konzept in der Medizinischen Klinik in Gießen war die angewandte Grundlagenforschung zur Analyse pathophysiologischer Vorgänge und die Überprüfung der sich hieraus ergebenden Behandlungsmöglichkeiten, immer unter dem Aspekt einer patientenorientierten Forschung. Eine zentrale Thematik waren die Erkenntnisse aus der dynamischen Wechselbeziehung zwischen Blutgerinnungssystem und Kreislauf mit besonderer Berücksichtigung der Mikrozirkulation. H.G. Laschs Ideenreichtum, seine unbestrittene Intuition, originelle wissenschaftliche Ansätze zu erkennen und zu fördern, und sein vielseitiges integratives Wirken induzierten eine rege Produktivität teils thematisch unterschiedlich orientierter Arbeitsgruppen. Vorrangig war die klinische Forschung in der Intensivmedizin in stetiger Kontinuität mit Beiträgen zur Frage der Hämostasestörung bei Patienten mit Schock unterschiedlicher Genese, zum Pathomechanismus des Organversagens, insbesondere der Lunge und der Niere, sowie zu den Behandlungsmöglichkeiten des akuten Myokardinfarktes.

Mit der Erstbeschreibung der „Verbrauchskoagulopathie“ 1958 hatte H.G. Lasch einen klinisch-wissenschaftlichen Beitrag von bedeutsamer Tragweite für die Intensivmedizin geleistet. Durch die Erkenntnis einer generalisierten Thrombosierung der Mikrozirkulation wurden die Pathomechanismen des irreversiblen Schocks und des Multiorganversagens verständlich. Die daraus abgeleitete therapeutische Konsequenz einer Antikoagulation fand rasch Akzeptanz in der Behandlungsstrategie der Organprotektion und Schocktherapie in den operativen und konservativen Fachgebieten. In diesem Zusammenhang inaugurierte H.G. Lasch bereits 1960 auch die Fibrinolysetherapie beim Myokardinfarkt, deren ausgewiesener Stellenwert heute unbestritten ist.

H.G. Lasch gehörte zu der Gruppe der deutschen Internisten, die die ersten Intensivstationen einrichteten. Im Jahr 1976 wurde er zum Präsidenten der damals gegründeten Deutschen Gesellschaft für Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) gewählt. Die von ihm stets aufrechterhaltene Nähe und Beziehung zu den operativen Fachgebieten hat eine beachtenswerte interdisziplinäre Kooperation begünstigt, die von einer hohen Akzeptanz durch Chirurgen, Anästhesiologen und Pädiater gekennzeichnet war. Die Zusammenführung der gemeinsamen Interessen gelang 1977 mit der Gründung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). H.G. Lasch kam das Verdienst zu, eine paritätische Integration der Kompetenzen zusammenzuführen. Er war bis 1988 Präsident der DIVI und hat in dieser Zeit die Vereinigung souverän geführt. Insbesondere hat er die Intensivmedizin gegenüber gesundheitspolitischen Institutionen als ausgewiesene Disziplin kenntlich gemacht und gestärkt. Auch international hat das Strukturkonzept der DIVI große Beachtung bei der Diskussion über die spezielle Weiterbildung Intensivmedizin gefunden. Die European Society for Intensive Care Medicine (ESICM) wählte ihn 1986 zum Präsidenten des 3. Europäischen Kongresses für Intensivmedizin in Hamburg. Von Anfang an war es ihm ein besonderes Anliegen, den Fragen an die Ethik in der Intensivmedizin einen besonderen Stellenwert zu geben. In vielen ärztlichen und akademischen Veranstaltungen konzipierte er konkrete Maßstäbe und verpflichtende Richtlinien im Kontext der speziellen Tragweite der ärztlichen Verantwortung.

In Würdigung seiner Verdienste bei der Förderung der Intensivtherapie wurde H.G. Lasch mit der E.K. Frey Medaille in Gold ausgezeichnet. Er war Ehrenmitglied der DGIIN und der DIVI.

In Bezug auf sein Engagement in der Intensivmedizin hat H.G. Lasch einerseits auch entscheidend dazu beigetragen, dass die Innere Medizin aus der Tradition des konservativen Fachs heraustritt und als aktive, interventionelle Disziplin zu verstehen ist. Andererseits hat er sich immer zur Unteilbarkeit des Gebiets bekannt und sich für die Erhaltung der Inneren Medizin als Ganzes mit großer Weitsicht eingesetzt. Er selbst belebte immer wieder durch seine fachliche Breite das Ganzheitskonzept der Inneren Medizin, das er in Wahrung der Kontinuität, besonders aber auch bezüglich der strukturellen Gestaltung universitärer Aufgaben in Lehre und Forschung, vorbildlich ausgefüllt und vorgelebt hat. Er war gegenüber jeder innovativen Entwicklung aufgeschlossen und war fasziniert von den diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten, die die Molekulare Medizin in das Fach eingebracht hat.

Von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin wurde H.G. Lasch 1982 anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Gesellschaft zu deren Präsidenten gewählt, ein Höhepunkt seiner Karriere. Von 1993 bis 2001 war er Generalsekretär. In Würdigung seines Lebenswerks wurde ihm 2001 als herausragendem Wissenschaftler von der Gesellschaft die Gustav-von-Bergmann-Medaille in Gold verliehen.

Auf der Grundlage der breit ausgewiesenen fachlichen Kompetenz war H.G. Lasch ein gesuchter Gutachter in den Forschungsgremien, so im Senat und Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft, im Gesundheitsforschungsrat des BMBF und des Wissenschaftsrates. In seiner überzeugenden Art, mit dem Augenmaß für Struktur und Originalität sowie der stets konstruktiv geübten Kritik ist es ihm gelungen, vor allem als Gutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft maßgeblich an der Auslegung klinisch orientierter Sonderforschungsbereiche und von Schwerpunktprogrammen klinischer Forschergruppen mitzuwirken und diese zu gestalten.

Unter den vielen Ehrungen sind herauszustellen die Promotion zum Dr. h.c. der Universitäten Gießen und München, das Bundesverdienstkreuz I. Klasse, die Mitgliedschaft in der Academia Leopoldina Halle und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die Verleihung der Parazelsus-Medaille, der Ernst-von-Bergmann-Plakette und der Ludwig-Heilmeyer-Medaille in Gold.

Die Intensität und intuitive Ausstrahlung, mit der sich H.G. Lasch für seine Patienten einsetzte, war geprägt durch die unabdingbare persönliche Identifizierung mit dem Kranken und seinem Leiden, verbunden mit der Vermittlung von Sicherheit und Zuversicht, immer die ärztliche Aufgabe und Verantwortung als Verpflichtung und schicksalhafte Begegnung verstehend. Die Unmittelbarkeit seines ärztlichen Engagements bei allen, die seine Hilfe suchten, war seine überzeugende Stärke. Die unverkennbare Art seiner menschlichen Zuwendung und seine Kompetenz als Arzt und Klinikchef wiesen ihn als integeres Vorbild aus. Er hat sich um das Bild des Arztes besonders bezüglich seiner ethischen Dimension in herausragender Weise verdient gemacht.

Freunde, Kollegen und Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) und der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sowie alle diejenigen, denen er Lehrer und Vorbild war, sind dankbar, ihm begegnet zu sein, und bewahren ihm ein ehrendes Gedenken.

Mannheim, Januar 2010

D.L. Heene