Zusammenfassung
Die ersten Untersuchungen von humanen Hornhäuten von COVID‑19(Coronavirus Disease 2019/Coronaviruserkrankung 2019)-Spendern legen nahe, dass keine SARS-CoV-2(„severe acute respiratory syndrome-coronavirus-2“/schweres akutes respiratorisches Syndrom-Coronavirus-2)-RNA vorhanden ist. Derzeit wird nicht empfohlen, eine routinemäßige Testung von postmortalen Spendergeweben auf SARS-CoV-2-RNA durchzuführen. Dies begründet sich u. a. in den Faktoren, die das RT-PCR („reverse transcription polymerase chain reaction“/Reverse-Transkriptase-Polymerasekettenreaktion) Testergebnis beeinflussen können.
Abstract
Preliminary investigations of human corneal tissues from coronavirus disease 2019 (COVID-19) cadaveric donors indicated that no severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2) RNA is present. Current eye banking guidelines do not recommend any type of routine testing for SARS-CoV‑2 RNA in post-mortem donor tissue. This is partly based on factors that can influence the test results of the reverse transcription polymerase chain reaction (RT-PCR).
Wir berichten über die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung (Bayyoud et al. Cornea, 2020, vorläufig akzeptiert), die das Nichtvorhandensein von „severe acute respiratory syndrome-coronavirus‑2 RNA“ (SARS-CoV-2-RNA) in humanen, kornealen Geweben von verstorbenen Coronavirus-disease-2019-Spendern (COVID-19-Spender) nahelegt. Auch wenn ein Selektionsbias für schwerwiegende, stationäre Verläufe und ein kleiner Spenderpool (10 Spenderaugen) als Limitation zu benennen sind, halten wir diese Studie für die Literatur für rechtzeitig und relevant – dies auch in Anbetracht für die weiterhin stattfindenden Hornhautbankaktivitäten und, als offensichtlichster Grund, die damit verbundene Sorge, infiziertes Gewebe zu transplantieren.
Aktuelle Richtlinien der Hornhautbank-Gesellschaften, des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten und der US-amerikanischen Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention
Die Richtlinien der Gesellschaften der Hornhautbanken (u. a. Eyebank Association of America) beinhalten derzeit keine ausdrückliche Empfehlung für die Testung von postmortalem Gewebe auf SARS-CoV-2-RNA. Dies entspricht ebenfalls dem festgelegten Prozedere des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (European Centre for Disease Prevention and Control [ECDC]) bzw. der entsprechenden US-amerikanischen Behörde (Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention/Centers for Disease Control and Prevention [CDC]) für solche Fälle. Aktuell sind keine Daten vorhanden, die die Häufigkeit eines positiven Nachweises im Rachenraum von SARS-CoV-2-RNA mittels Reverse-Transkriptase-Polymerasekettenreaktion („reverse transcription polymerase chain reaction“ [RT-PCR]) in Abhängigkeit zum Todeszeitpunkt darlegen. Erfahrungen mit den beiden anderen Coronavirusepidemien, „severe acute respiratory syndrome-doronavirus-1“ (SARS-CoV-1) und „Middle East respiratory syndrome-coronavirus“ (MERS-CoV), lassen jedoch die Annahme zu, dass dies post mortem möglich sein sollte.
Möglichkeit der Übertragung von SARS-CoV-2 mittels Gewebetransplantation
In unserer aktuellen Studie wurde gezeigt, dass SARS-CoV-2-RNA in bulbärer Bindehaut, Vorderkammerwasser und Hornhautgeweben (Endothel, Stroma und Epithel) von COVID-19-Leichenspendern mittels RT-PCR nicht nachgewiesen werden konnte. Dies lässt den Schluss zu, dass das Risiko einer Übertragung von SARS-CoV‑2 durch Bindehaut- und Hornhautgewebe von verstorbenen Spendern sehr gering ist. Es sind jedoch weitere, größere Studien notwendig, die diese Ergebnisse noch bestätigen sollten. Die Ergebnisse haben hohe Relevanz für die Gewebegewinnung, die Gewebeverarbeitung und die Transplantation der Gewebe.
Es sollten zudem weitere Faktoren in Betracht gezogen werden, die Einfluss auf das RT-PCR-Testergebnis haben können. Diese sind die Dauer der Erkrankung COVID-19, der Zeitpunkt der postmortalen Entnahme der Probe, die Art und Weise der Probenentnahme, die Testkapazitäten in einigen Regionen und nicht zuletzt die ausstehende Validierung des RT-PCR-Tests für Leichenspender. Ein negatives Ergebnis ist daher vorsichtig zu interpretieren.
Der derzeitige Stand ist, dass Viren, die primär die Atemwege befallen, nicht mittels Transplantation übertragen werden können – sei dies eine Transplantation von Zellen, Geweben oder gewebebasierten Produkten (via fda.gov: „Updated Information for Human Cell, Tissue, or Cellular or Tissue-based Product [HCT/P] Establishments Regarding the Coronavirus Disease 2019 Pandemic“) [1]. Zudem sind keine Berichte über SARS-CoV‑1, MERS-CoV oder eine andere Coronavirusübertragung mittels Transplantation von Augengewebe publiziert worden [2, 3].
Der geführte Ausschluss von SARS-CoV-2-RNA in kornealen Geweben in unserer Studie stärkt die Position der Hornhautbanken, weiterhin von dem obigen Stand auszugehen. Überdies beeinflusst dies auch die öffentliche Meinung eher im positiven Sinne, die davon ausgehen sollte, dass es sicher sein sollte, Hornhäute von Spendern zu transplantieren, deren postmortales Spendergewebe negativ mit einem validierten Test getestet wurde. Die aktuellen Empfehlungen der Europäischen Assoziation der Hornhautbanken (European Eye Bank Association [EEBA]) und die der Globalen Allianz der Hornhautbankgesellschaften (The Global Alliance of Eye Bank Associations [GAEBA]) basieren auf der Annahme, dass das Risiko einer Übertragung von SARS-CoV‑2 als gering eingestuft wird, auch weil bislang keine dokumentierte Übertragung mittels Bluttransfusion, Gewebe- oder Zelltransplantation stattgefunden hat [4, 5].
Wir möchten hinsichtlich potenziell weiterer Studien in anderen Zentren auf die Empfehlungen bezüglich des Umgangs mit postmortalem Gewebe COVID-19-Erkrankter im Grundsätzlichen hinweisen. Die Vorgaben der ECDC sind ähnlich zu jenen der US-amerikanischen CDC und Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization [WHO]). Diese Vorgaben sind im Technical Report der ECDC „Infection prevention and control for COVID-19 in healthcare settings – first update, 12 March 2020“ dargelegt [6]. Es wird ausdrücklich auf die Empfehlungen der WHO verwiesen („World Health Organization Interim Guidance for Collection and Submission of Postmortem Specimens from Deceased Persons Under Investigation [PUI] for COVID-19, 19 February 2020“; zitiert am 11.03.2020; ausführlich und übersichtlich erhältlich unter [7]).
Schlussfolgerung
Unter Berücksichtigung der derzeit nicht vorhandenen validierten Tests auf SARS-CoV‑2 für postmortales Gewebe: Um jegliche Möglichkeit einer Übertragung mittels Gewebetransplantation auszuschließen, sollte weiterhin kein Spendergewebe von COVID-19-Verstorbenen, und dies auch wenn der Verdacht auf eine COVID-19-Erkrankung bestand, für eine Transplantation entnommen werden.
Fazit für die Praxis
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Das Risiko einer Übertragung von dem Schweren Akuten Respiratorischen Syndrom-Coronavirus‑2 (SARS-CoV‑2) mittels Transplantation wird derzeit als gering eingestuft.
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Bislang liegt keine Dokumentation einer Übertragung mittels Bluttransfusion, Gewebe- oder Zelltransplantation von SARS-CoV‑2 vor.
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Alle Testergebnisse auf postmortales Gewebe sind vorsichtig zu interpretieren, da bislang kein validierter „Reverse transcription polymerase chain reaction“/Reverse-Transkriptase-Polymerasekettenreaktion(RT-PCR)-Test erhältlich ist.
Abbreviations
- ACE‑2:
-
Angiotensin-converting enzyme-2/Angiotensin-konvertierendes Enzym 2
- CDC:
-
Centers for Disease Control and Prevention/Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention
- COVID-19:
-
Coronavirus disease 2019/Coronaviruserkrankung 2019
- ECDC:
-
European Centre for Disease Prevention and Control/Europäisches Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten
- EEBA:
-
European Eye Bank Association/Europäischen Assoziation der Hornhautbanken
- GAEBA:
-
The Global Alliance of Eye Bank Associations/Die Globale Allianz der Hornhautbankgesellschaften
- MERS-CoV:
-
Middle East respiratory syndrome-coronavirus/„Nahost-Atemwegssyndrom-Coronavirus“
- RT-PCR:
-
Reverse transcription polymerase chain reaction/Reverse-Transkriptase-Polymerasekettenreaktion
- SARS-CoV(-1):
-
Severe acute respiratory syndrome-coronavirus(-1)/schweres akutes respiratorisches Syndrom-Coronavirus(-1)
- SARS-CoV‑2:
-
Severe acute respiratory syndrome-coronavirus-2/schweres akutes respiratorisches Syndrom-Coronavirus‑2
- WHO:
-
World Health Organization/Weltgesundheitsorganisation
Literatur
https://www.fda.gov/vaccines-blood-biologics/safety-availability-biologics/updated-information-human-cell-tissue-or-cellular-or-tissue-based-product-hctp-establishments. Zugegriffen: 05. Juni 2020
https://restoresight.org/covid-19-updates/. Zugegriffen: 18. Mai 2020
https://www.fda.gov/emergency-preparedness-and-response/coronavirus-disease-2019-covid-19/coronavirus-disease-2019-covid-19-frequently-asked-questions. Zugegriffen: 18. Mai 2020
https://www.eeba.eu/news/news-details/coronavirus-ocular-tissue-donation.html#content-box. Zugegriffen: 18. Mai 2020
https://www.gaeba.org/2020/alert-coronavirus-2019-ncov-and-ocular-tissue-donation/. Zugegriffen: 18. Mai 2020
https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/infection-prevention-and-control-and-preparedness-covid-19-healthcare-settings. Zugegriffen: 18. Mai 2020
https://www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/hcp/guidance-postmortem-specimens.html. Zugegriffen: 18. Mai 2020
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Interessenkonflikt
T. Bayyoud, T. Iftner, K.U. Bartz-Schmidt, J.M. Rohrbach, M. Ueffing, M. Schindler und S. Thaler geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Bayyoud, T., Iftner, T., Bartz-Schmidt, K.U. et al. Erste Ergebnisse zu Untersuchungen der menschlichen Hornhaut auf SARS-CoV‑2-RNA. Ophthalmologe 117, 615–617 (2020). https://doi.org/10.1007/s00347-020-01151-0
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00347-020-01151-0