Anamnese

Eine 65-jährige Patientin wird zur weiteren Abklärung bei bestehendem Verdacht auf ein Aderhautmelanom vom niedergelassenen Augenfacharzt vorgestellt. In der Anamnese beschreibt die Patientin eine zunehmende Visusverschlechterung und Metamorphopsien am rechten Auge. Die Symptome sind vor 4 Wochen plötzlich aufgetreten. Vor 2 Jahren wurde eine Kataraktoperation an beiden Augen durchgeführt, ansonsten sind die ophthalmologische und internistische Anamnese unauffällig.

Klinischer Befund und Diagnostik

In der klinischen Untersuchung erreicht die Patientin eine Sehschärfe von 0,25 cc am rechten Auge und 1,0 cc am linken Auge. Der Vorderabschnitt zeigt eine reizfreie Pseudophakie beidseits und einen altersentsprechend unauffälligen Befund des hinteren Augenabschnitts am linken Auge. Bei der Fundusuntersuchung des rechten Auges zeigt sich am temporalen Äquator ein prominenter, subretinaler Tumor, mit einer flachen bis nach zentral auslaufenden subretinalen Flüssigkeit. Zudem zeigen sich eine ausgeprägte Blutung sowie harte Exsudate am unteren und zentralen Rand der Läsion, die ebenfalls bis zur Makula reichen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

In der Weitwinkel-Aufnahme präsentiert sich temporal ein prominenter subretinaler Tumor mit einer Blutung an dessen unteren Rand sowie angrenzende harte Exsudate am unteren und zentralen Rand. Verwendete Bildgebung: OCT – Heidelberg Spectralis (Heidelberg Engineering, Heidelberg, Deutschland); Optos 200T × – Optos PLC (Dunfermline, Schottland, Großbritannien)

In der optischen Kohärenztomographie (OCT) der Makula bestätigt sich im horizontalen Schnitt eine Pigmentepithelabhebung (PED) mit subretinaler Flüssigkeit (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Das horizontale Schnittbild des OCT bestätigt eine von temporal ausgehende subretinale Flüssigkeit und eine Abhebung der Fovea. Verwendete Bildgebung: OCT – Heidelberg Spectralis (Heidelberg Engineering, Heidelberg, Deutschland); Optos 200T × – Optos PLC (Dunfermline, Schottland, Großbritannien)

In der Spätphase der Ultraweitwinkel-Fluoreszenzangiographie (FLA) präsentiert sich im Bereich der subretinalen Erhabenheit eine Blockade der choroidalen Fluoreszenz. Nach nasal und superior wird diese durch eine diffuse Hyperfluoreszenz begrenzt, die eine Vaskularisierung im Bereich der PED aufzeigt. Zusätzlich zeigt sich im Bereich der Makula eine deutliche Hyperfluoreszenz, jedoch ohne den Hinweis auf eine Leckage in diesem Bereich (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

In der Weitwinkel-Fluoreszenzangiographie zeigt sich in der Spätphase eine Blockade der choroidalen Fluoreszenz im Bereich des Tumors. Am superioren und nasalen Rand der Blockade deutet die Hyperfluoreszenz auf eine Vaskularisierung im Bereich der PED hin. Verwendete Bildgebung: OCT – Heidelberg Spectralis (Heidelberg Engineering, Heidelberg, Deutschland); Optos 200T × – Optos PLC (Dunfermline, Schottland, Großbritannien)

Zur Quantifizierung der Prominenz wird ein B‑Scan-Ultraschall durchgeführt. In diesem lässt sich eine echoarme Masse mit einer Dicke von 3,7 mm abmessen.

Wie lautet Ihre Diagnose?

Therapie und Verlauf

Aufgrund des klinischen Befundes und der visusbedrohenden, subretinalen Flüssigkeit im Bereich der Makula, werden 3 intravitreale Injektionen 2,0 mg/0,05 ml Aflibercept in 4‑wöchigem Abstand am betroffenem Auge verabreicht. Nach Abschluss des Therapieregimes, können eine deutliche Regression der hämorrhagischen PED (Abb. 4) und eine Resorption der zentralen subretinalen Flüssigkeit beobachtet werden (Abb. 5). Die Sehschärfe verbessert sich durch die Behandlung auf 0,63 cc am behandelten Auge. Auch 12 Monate nach Abschluss der Therapie bleibt die PEHCR-Läsion stabil und zeigt kein Rezidiv.

Abb. 4
figure 4

Nach Abschluss der intravitrealen Anti-VEGF-Therapie kann in der funduskopischen Untersuchung eine deutliche Regression der hämorrhagischen PED festgestellt werden. Verwendete Bildgebung: OCT – Heidelberg Spectralis (Heidelberg Engineering, Heidelberg, Deutschland); Optos 200T × – Optos PLC (Dunfermline, Schottland, Großbritannien)

Abb. 5
figure 5

Im horizontalen Schnittbild des OCT wird ein gutes Ansprechen der Therapie durch die Resorption der zentralen subretinalen Flüssigkeit bestätigt. Verwendete Bildgebung: OCT – Heidelberg Spectralis (Heidelberg Engineering, Heidelberg, Deutschland); Optos 200T × – Optos PLC (Dunfermline, Schottland, Großbritannien)

Definition

Die periphere exsudative hämorrhagische Chorioretinopathie (PEHCR) ist eine degenerative neovaskuläre Aderhauterkrankung. Sie tritt gehäuft bei Kaukasiern auf und kann sich auch als bilaterale und symmetrische Störung bevorzugt in der peripheren temporalen Retina präsentieren [5]. Das Spektrum der klinischen Erkrankungsmerkmale reicht von Pigmentepithelveränderungen, umfangreichen serösen und hämorrhagischen PEDs und Atrophien des retinalen Pigmentepithels (RPE) bis hin zur Bildung subretinaler Fibrosen im Endstadium. Große Läsionen mit subretinaler Flüssigkeit und Lipidexsudation können sich von der Peripherie bis zum Zentrum ausdehnen. Klinisch manifestiert sich die PEHCR oft in einer ausgedehnten, kuppelförmigen, hämorrhagischen PED, die aufgrund ihrer Farbe, Größe und Konfiguration wie ein peripheres Aderhautmelanom imponiert. Die Ähnlichkeit zwischen diesen Krankheitsbildern kann zu diagnostischen Schwierigkeiten führen, weshalb die PEHCR zu den häufigsten Fehldiagnosen des malignen Aderhautmelanoms zählt. Deshalb wird die PEHCR in der Literatur auch oft als Pseudomelanom beschrieben [5].

In den meisten Fällen verläuft die Erkrankung benigne. In der bisher größten angelegten Studie von Shields et al. wurden lediglich bei 7 % der Fälle Visusverschlechterungen aufgrund subretinaler Flüssigkeit oder Hämorrhagien im Bereich der Makula beschrieben [5]. Zur Behandlung einer symptomatischen PEHCR existieren bislang nur wenige Berichte über den Einsatz von intravitrealem Anti-VEGF [3, 4]. In Weitwinkelangiographieuntersuchungen zeigen sich periphere Gefäßveränderungen, die choroidalen Neovaskularisationen (CNV) und polypoidalen choroidalen Neovaskularisationen (PCV) entsprechen. Diese vaskulären Veränderungen, die mit hämorrhagischen PEDs einhergehen können, werden als zugrunde liegende Pathologie der PEHCR interpretiert [1, 4]. Im vorliegenden Fall zeigt die Ultraweitwinkel-Fluoreszenzangiographie eine Hyperfluoreszenz und eine Leckage am zentralen und superioren Rand der Abhebung (Abb. 3). Dies lässt auf einen aktiven neovaskulären Prozesses innerhalb der PEHCR-Läsion schließen.

Diagnose: Periphere exsudative hämorrhagische Chorioretinopathie (PEHCR)

Als Ursache peripherer Neovaskularisationen werden eine limitierte Gefäßversorgung der äußeren Netzhaut sowie Veränderungen in der Gefäßstruktur und Hämodynamik aufgrund von Hypertonie und anderen kardiovaskulären Risikofaktoren angesehen. Diese Faktoren können eine ischämische Veränderungen in der peripheren retinochoroidalen Perfusion verursachen und eine Neovaskularisation induzieren [2]. Die Mechanismen hinter dem abnormen Wachstum der peripheren subretinalen Neovaskularisationen und die Entwicklung der pathognomonischen hämorrhagischen PEDs bleiben jedoch spekulativ.

Die Anti-VEGF-Therapie ist der aktuelle Standard zur Behandlung makulärer PEDs. In Zusammenschau der Befunde wurde aufgrund eines aktiven vaskulären Prozesses in der Peripherie Aflibercept als empirische Therapie eingesetzt.

Fazit für die Praxis

  • Die PEHCR zählt als Pseudotumor zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen hämorrhagischer Aderhauttumoren.

  • PEHCR-Veränderungen können beide Augen betreffen und treten vorwiegend am temporalen Äquator auf.

  • Bildgebende Verfahren wie die Weitwinkelangiographie können CNV- und PCV-artige Gefäßkomplexe im Bereich der PEHCR aufzeigen.

  • Bei PEHCR mit hämorrhagischen PEDs und subretinaler Flüssigkeit, mit Beteiligung der Makula kann die intravitreale Anti-VEGF-Therapie eine effektive Behandlungsoption sein.