Die funktionelle Integrität der Wirbelsäule bzw. des Bewegungssegments wird mit den Begriffen „Stabilität“ bzw. „Instabilität“ formuliert, ohne dass diese bis heute zweifelsfrei definiert sind.

Eine Definition von Gertzbein (1985) beschreibt die Instabilität des Bewegungssegments als pathologische Beweglichkeit oberhalb normaler Grenzen bei normaler Krafteinleitung.

Eine den komplexen Aufgaben der Wirbelsäule gerechter werdende Definition wurde von White und Panjabi (1990) vorgelegt. Die Autoren definieren Instabilität als das Unvermögen der Wirbelsäule, ihr Bewegungsmuster unter physiologischen Bedingungen so aufrechtzuerhalten, dass ein neurologisches Defizit, Schmerzen oder eine morphologische Verformung auftreten können.

Die Beweglichkeit kann dabei qualitativ verändert sein, d. h. in Form sog. pathologischer gekoppelter Bewegungen, oder aber quantitativ durch eine pathologische Veränderung des Bewegungsumfangs.

Die sehr komplexe und oft nicht genau feststellbare Kausalität von Wirbelsäulenbeschwerden hat zur Folge, dass der wenig konkret definierte Begriff der „Instabilität“ häufig eingesetzt wird, ohne dass die Bedeutung der mechanischen und kinematischen Veränderungen im individuellen Fall bekannt ist.

Über die Problematik einer Begriffsbeschreibung hinaus geht die Frage, welche additive mechanische Stabilität des Bewegungssegments durch eine therapeutische Maßnahme benötigt wird, um eine bestimmte Symptomatik zu lindern; oder aber anders formuliert, welcher Grad der Instabilität ist zu akzeptieren, ohne dass ein neurologisches Defizit, Schmerzen oder morphologische Verformungen auftreten können.

Das zentrale Problem für die Beantwortung dieser Frage liegt in der Tatsache, dass zwar die morphologischen Veränderungen an der Wirbelsäule mithilfe der modernen bildgebenden Verfahren hervorragend dargestellt, die funktionellen Veränderungen aber bislang nicht ausreichend reproduzierbar beurteilt werden können.

Rückenschmerzen haben bekanntermaßen eine sehr hohe gesundheitspolitische und gesellschaftliche Relevanz. Fast jeder Mensch kennt Episoden mit Rückenschmerzen, häufig bilden sich diese spontan zurück, aber 30–50 % der Bevölkerung leiden an chronischen Rückenschmerzen. Die Diagnostik und Behandlung dieser Patienten wird einerseits von Ärzten und Therapeuten mit großer Erfahrung im konservativen Bereich durchgeführt, andererseits bietet auch die Wirbelsäulenchirurgie erfolgversprechende operative Therapieansätze an. An dieser „Schnittstelle operative/konservative Wirbelsäulentherapie“ treffen oftmals sehr unterschiedliche Sichtweisen der Behandler aufeinander.

Die adäquate Versorgung der Patienten gelingt nur mit einem interdisziplinären Ansatz

Aus Sicht der manuellen Medizin ist es heute etabliertes klinisches Wissen, dass strukturelle segmentale Instabilität kompensatorische Funktionsstörungen generieren kann. Zudem haben Techniken der muskulären Stabilisierung einen festen Platz in den heute angewendeten Behandlungsprogrammen. Hier ist die Schnittmenge zur schwer zu fassenden Mikroinstabilität offensichtlich und fördert den Gedanken der manuellen Diagnostik von Dekompensationsmustern jenseits der bildgebend fassbaren Veränderungen.

Das vorliegende Themenheft befasst sich mit dieser komplexen Problematik und gibt einen Überblick über die verschiedenen Interpretationen der „lumbalen Instabilität“ und die möglichen therapeutischen Konsequenzen. Ausgewiesene Experten teilen ihre Erfahrungen mit der Leserschaft, liefern wertvolle Praxistipps und diskutieren aktuelle Literaturergebnisse.

Dabei wird eindrucksvoll sichtbar, dass die adäquate Versorgung dieser Patienten nur mit einem interdisziplinären Ansatz gelingen kann.

figure a

Prof. Dr. K.-St. Delank

figure b

Prof. Dr. R. Kayser