figure a
FormalPara Über Eléonore Bernard

Seit 2017 mit dem Aufbau der Medienkonservierung im Kunsthaus Zürich als Projektmitarbeiterin betraut, ist Eléonore Bernard seit Anfang 2020 als festangestellte Restauratorin im Kunsthaus Zürich für die Erhaltung der Medienkunstsammlung verantwortlich. Sie hält den Master of Arts der Hochschule der Künste Bern in Konservierung/Restaurierung mit der Fachausrichtung moderne Materialien und Medien seit Anfang 2020.

FormalPara Über Kerstin Mürer

Seit 2005 ist Kerstin Mürer Teil der Restaurierungsabteilung im Kunsthaus Zürich. Im Frühjahr 2018 übernahm sie die Leitung und baute die Fachspezialisierungen in der Abteilung mit den Bereich Medienkonservierung weiter aus. Ihr Studium mit dem Abschluss zur Diplom-Restauratorin 2003 (Fachrichtung Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von Malerei auf mobilen Bildträgern), absolvierte sie an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden.

FormalPara Über das Kunsthaus Zürich

Das Kunsthaus Zürich präsentiert eine der bedeutendsten Kunstsammlungen der Schweiz vom 13. Jahrhundert bis in die Gegenwart und regelmäßig wechselnde Ausstellungen.

Zu den international bedeutsamen Positionen gehören die größte Munch-Sammlung außerhalb Norwegens sowie die umfangreichste museale Werksammlung Alberto Giacomettis. Höhepunkte sind die Gemälde des Impressionismus, der Klassischen Moderne und des Expressionismus. Neben der Pop Art sind Werke des Abstrakten Expressionismus und Vertreter der deutschen Nachkriegsmalerei zu sehen. Auf mittelalterliche Skulpturen und Tafelbilder, Gemälde des niederländischen und italienischen Barock folgt die Schweizer Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts. Medienkunstwerke mit historischen Technologien bis hin zu aktuellster Medientechnik sowie eine beachtliche Fotosammlung führen bis ins 21. Jahrhundert. Regelmäßige Ankäufe von zeitgenössischer, internationaler Kunst dynamisieren und bereichern die Sammlung.

Pro Jahr besuchen rund 250.000 Besucher das älteste kombinierte Sammlungs- und Ausstellungsinstitut der Schweiz. Getragen wird es von über 20.000 Vereinsmitgliedern der Zürcher Kunstgesellschaft. Ihr größtes Projekt – die Erweiterung des Museums nach Plänen von David Chipperfield Architects – steht kurz vor der Vollendung. In diesem Jahr wird das Kunsthaus Zürich damit zum größten Kunstmuseum der Schweiz.

www.kunsthaus.ch

Interview mit Dipl. Rest. Kerstin Mürer, Leiterin der Restaurierungsabteilung am Kunsthaus Zürich und MA Kons./Rest. Eléonore Bernard, Medienrestauratorin am Kunsthaus Zürich · Prof. Dr. Thomas Ludwig

Zusammenfassung

Der rasante Technologiewandel und die damit einhergehende technische Obsoleszenz, von Abspielgeräten bis zu Formaten, bedrohen das Überleben von Medienkunstwerken. Diese Herausforderung kann nur durch fachübergreifende und interdisziplinäre Zusammenarbeit gelöst werden.

Dipl. Rest. Kerstin Mürer und MA Kons./Rest. Eléonore Bernard, beleuchten im Interview die restauratorischen Herausforderungen bei der Archivierung digitaler und digitalisierter Kunstwerke. Der Einblick in den internen Arbeitsablauf der Abteilung Medienkonservierung des Kunsthauses Zürich thematisiert die verschiedenen Schritte zum unveränderbaren Archivieren, sowie die Herausforderungen mit denen Museen zu rechnen haben. Dabei wird auch deutlich, dass das Archivieren von Daten nur ein Teil des Erhaltungsprozesses ist.


Als Gedächtnisinstitutionen haben Archive die zeitlich unbegrenzte Aufbewahrung und die Sicherstellung der Zugänglichkeit von Archivalien oder Archivgut oft in Form eines gesetzlichen Auftrags zum Ziel. Archivieren Museen Medienkunstwerke?

Die Aufgabe eines Museums ist nicht die Archivierung von Kunstwerken, sondern deren Bewahrung, Dokumentation und Vermittlung. Was oft vergessen wird: Medienkunstwerke sind mehr, oder sogar viel mehr, als nur ein digitales Video – ihre Erhaltung ist komplex, weil sie auf ihren originalen Trägern nicht überleben können und dazu meist noch mit Abspielgeräten, Projektoren, Monitoren oder Elementen und Kunstwerken anderer Gattungen angekauft werden.

Die Archivierung digitaler Daten nach Kriterien wie Redundanz und Integrität kann mit der Lagerung klassischer Gattungen in einem klimatisierten Depot zur Schadensvorbeugung und zum Substanzerhalt verglichen werden. Das Einspeisen der digitalen Daten auf einen Langzeitarchivserver ist zwar ein wichtiger Aspekt für die dauerhafte Erhaltung, dennoch nur ein Teilaspekt der vielschichtigen Erhaltungsstrategie für ein Medienkunstwerk.


Nehmen wir als Beispiel die Zeichnung „13/9/65 Nr. 2“ von Frieder Nake, die den Ehrentitel „Hommage à Paul Klee“ erhielt (1965). Die Grafik wurde von einem Plotter gezeichnet, der von einem Lochstreifen gesteuert wurde, den der Computer als Ergebnis von Herrn Nakes Programm erzeugt hat, dem ein künstlerischer Algorithmus zugrunde lag. Wie gehen Sie bei der Erhaltung vor? Was wird hierbei archiviert?

Durch den Ankauf wird entschieden, was physisch zu erhalten ist. Wenn nur die Zeichnung angekauft wurde, wird der Zustand von der Restaurierungsfachabteilung Grafik/Foto evaluiert, Maßnahmen für eine objektgerechte Lagerung (hier: säurefrei, dunkel und klimatisiert) getroffen. Dazwischen liegen Recherche und kunsttechnologische Untersuchung zum Objekt: Die Zeichnung ist aufgrund ihres Produktionsprozesses einzigartig und dieser für das Werkverständnis unerlässlich. Wir würden also sicher versuchen, mit dem Künstler ein Interview zu führen. So können wir Auffälligkeiten bei der Untersuchung des Werks kontextualisieren und z. B. als erhaltenswerte Werkspuren begreifen. Falls zur Plotter-Zeichnung auch noch der Lochstreifen, Computer oder die Zeichenmaschine angekauft worden wären, hätten wir sicher die Frage nach der Präsentationsform gestellt. Je nachdem ob die Produktion der Grafik während der Ausstellung intendiert war, wäre auch ggf. zusammen mit dem Künstler die Erarbeitung einer Erhaltungsstrategie für die Maschinen, den Code und den Lochstreifen notwendig geworden. In jedem Fall sind die Wissensgenerierung und ihre systematische Dokumentation in einem für alle zugänglichen System wie einer Datenbank entscheidend.


Was sind die Herausforderungen für Museen im Bereich Medienkunst?

Medienkunst ist, wie alle Kunst, vergänglich. Wie gefährdet die Kunstwerke dieser Kunstgattung tatsächlich sind, wird aber oft vergessen. Dieses Wissen und die daraus resultierenden Implikationen sind noch nicht sehr lange institutionalisiert. Wie viele andere zeitgenössische Gattungen vor ihr, wurde die Medienkunst zunächst „nur“ gesammelt und eingelagert. Der rasante Technologiewandel und die damit einhergehende technische Obsoleszenz, von Abspielgeräten bis zu Formaten, bedrohen das Überleben dieser Werke.

Das ist eine Herausforderung, die nur durch fachübergreifende Zusammenarbeit zwischen Medienkonservatoren, A/V-Technikerinnen, Kunstwissenschaftlern, IT-Fachkräften und Datenbankspezialistinnen gelöst werden kann. Jede einzelne dieser Fachrichtungen und Abteilungen ist ein Rädchen im Erhaltungsgetriebe. Allerdings sind die Bereitstellung dieser Stellen oder Arbeitsprozente und die Institutionalisierung der Zusammenarbeit vielerorts noch ausstehend. Sei es, weil der nötige Paradigmenwechsel zum Umgang mit dieser Kunstgattung noch nicht vollständig vollzogen wurde, oder, weil es an finanziellen oder personellen Ressourcen fehlt.

Auch die Geschichte der Videosammlung im Kunsthaus Zürich spiegelt diese Entwicklung wider: Zunächst war sie Teil der Bibliothek und damit für Besucher nutzbar. Mit dem Eingang in die (Kunst‑)Sammlung änderte sich die Sichtweise zur Bedeutung dieser Kunstgattung und somit zur Erhaltung. So wurde die Benutzung der originalen Bänder untersagt; 1998 startete auf Initiative des damaligen Kurators das erste gesponserte Erhaltungsprojekt, die Digitalisierung analoger Videobänder auf Digital-Betacam-Bändern. Im Jahr 2010 übernahm die Restaurierungsabteilung die konservatorische Betreuung dieses Sammlungszweigs.

Dank der Zusammenarbeit mit externen Videokonservierungsspezialistinnen konnten wir internes Know-how sukzessive ausbauen und Kompetenzen und Wissen etablieren, den Wechsel von bandbasierter zu dateibasierter Speicherung vollziehen und die hausinterne Sichtbarkeit der Bedürfnisse bei der Erhaltung von Medienkunst so verbessern, dass der Kauf eines redundanten Datenspeichers samt Integrationsprüfungssoftware und die Schaffung eines Computerarbeitsplatzes möglich wurde. Ab 2017 etablierte sich die Medienkonservierung zusehends, seit diesem Jahr in Form einer festen Stelle, wenn auch nur mit kleinem Teilzeitpensum. Die Medienrestaurierung kooperiert noch immer bei vielen großen Fragen und besonders beim Erstellen von Digitalisaten mit externen Spezialistinnen in Bern. Allerdings können wir jetzt die Sicherung und längerfristige Archivierung unserer Medienkunstwerke selbst in die Hand nehmen.


Heute setzen Sie die Archivplattform iCAS FS von iTernity für die Langzeitarchivierung von digitalen Kunstwerken ein. Warum haben Sie sich für diese Archivlösung entschieden?

Die automatisierte Prüfung der Datenintegrität durch die iCAS FS Software entlastet unseren internen Arbeitsablauf sehr und erlaubt uns, den Fokus auf die Datenaufbereitung und den Ingest zu legen. Die Option, den Archivserver in mehrere Container zu unterteilen, ermöglicht zudem das Archivieren von Daten mit unterschiedlichen Schutzfristen, auf die wir gerne zurückgegriffen haben: Ein Container unterliegt der maximalen Schutzfrist; es werden dort alle digitalen Sammlungsoriginale abgelegt. Sie bleiben hier in unveränderter Form für die Zukunft erhalten. Der zweite Container unterliegt einer Schutzfrist von 5 Jahren und enthält ausschließlich nutzbare Dateien, die nach internem Standard normalisiert, also umcodiert, umbenannt oder restauriert wurden. Zudem haben wir ein Zwischenlager ohne minimale Schutzfrist eingerichtet.


Welche Art von Medienkunstwerken wird beim Kunsthaus Zürich erhalten?

Schon Ende der 1970er-Jahre begann das Kunsthaus diesen Sammlungsteil aufzubauen. Es besitzt als viertgrößte Videokunstsammlung der Schweiz ca. 685 Medienkunstwerke auf insgesamt ca. 1774 unterschiedlichsten Medienträgern. Etwa 0,7 % der gesamten Kunstsammlung von ca. 100.000 Objekten sind also Medienkunstwerke.

Dazu zählen Ein- und Mehrkanal-Videos, softwarebasierte Kunst und mediale Installationen. Ein Viertel davon sind sogenannte „born-digital“ Werke auf digitalen, künstlergelieferten Speichermedien: Schon Mitte der 1990er-Jahre etablierte sich der Ankauf von digitalen Magnetbändern wie LTO, Digital Betacam, HDCAM, DVCAM, DVC Pro oder Mini DV, oder externen Speichermedien in Form von Festplatten, USB-Sticks oder SD-Karten, sowie optischen Medien wie DVD, CD, Blue-Ray oder Laser Discs.

Nur wenige Werke sind softwarebasiert und laufen auf Computern wie dem MacMini oder Benutzergeräten wie dem iPod. Der Rest der Werke und damit der Großteil der Sammlung, befinden sich auf analogen Magnetbändern. Ausgewählte Beispiele aus unserer Mediensammlung sehen Sie in den Abb. 12 und 3. Sie stammen von Elodie Pong, Simon Denny und Pipilotti Rist.

Abb. 1
figure 1

Installationsansicht im Kunsthaus Zürich, 2019. Elodie Pong, Je suis une bombe, 2006. 1‑Kanal-Videoprojektion, Farbe, Ton; erworben als Digital Betacam. Kunsthaus Zürich, Vereinigung Zürcher Kunstfreunde, Gruppe Junge Kunst, 2006. © Elodie Pong. (Foto: Kunsthaus Zürich)

Abb. 2
figure 2

Installationsansicht im Kunsthaus Zürich, 2015. Simon Denny, Deep Sea Monitors, 2009. 8‑Kanal-Videoinstallation, Farbe, Ton, erworben als DVD, bestehend aus 8 Monitoren, 8 DVD-Playern, 3 Untergestelle, 1 TV-Möbel und 6 Xerox-Prints. Kunsthaus Zürich, Videosammlung, Vereinigung Zürcher Kunstfreunde, Gruppe Junge Kunst, 2015. © 2020 Simon Denny. (Foto: Kunsthaus Zürich)

Abb. 3
figure 3

Installationsansicht Kunsthaus Zürich, 2016. Pipilotti Rist, Tastende Lichter, 2015. Licht- und Videoinstallation, 5 farbige und gesteuerte Moving Lights im Glasdach des Moserbaus und 1‑Kanal-Videoprojektion, Farbe, ohne Ton auf Burckhardt-Relief „Amazonenkampf“. © Pipilotti Rist. (Foto: FBM Studio, Zürich)


Wie gehen Sie bei der Archivierung eines Kunstwerks vor? Was sind die Schritte zur unveränderbaren Archivierung?

Für uns setzt sich der Prozess aus 2 Teilen zusammen: Dem Vorbereiten der Dateien für den Ingest und dem eigentlichen Einspeisen in den Archivserver. Dafür muss das Video zunächst von seinem ursprünglichen Träger auf einen anderen migriert werden, z. B. vom physischen digitalen Speichermedium auf eine computerinterne Festplatte oder im Fall einer Digitalisierung, vom analogen Band auf eine Festplatte. Der Disk-Imaging-Prozess ist auf der Abb. 4 verbildlicht. Erst danach beginnt der eigentliche Archivierungsprozess. Kein Schritt in diesem Prozess kann automatisiert ablaufen, da jedes Medienkunstwerk seine individuellen Besonderheiten und Probleme mitbringt; unser personeller Aufwand ist dadurch entsprechend groß. Ein Glück für uns ist, dass die extern produzierten Digitalisate schon den Großteil der internen Anforderungen an ein Archiv-Informationspaket erfüllen: Sie enthalten eine Dokumentation vom Digitalisierungsverfahren, einen restauratorischen Bericht und technische Metadaten. Für die „born-digital“ Kunstwerke müssen wir diese umfangreiche Dokumentation jedoch selbst erstellen.

Abb. 4
figure 4

USB 3.0 Write Blocker zur Vermeidung von Veränderungen beim Übertrag auf den Computer mit 2 künstlergelieferten Festplatten. (Foto: Kunsthaus Zürich)

Der Archivierungsprozess beginnt für uns mit der Qualitätskontrolle des zu archivierenden Materials. Prüfsummen und Abspielbarkeit der Inhalte werden kontrolliert. Es wird geprüft, ob die Dateinamen mit den Inventarnummern in der Datenbank übereinstimmen, damit die Wiederauffindbarkeit des Werks auf dem Archivserver und die Zuordnung mit allen dazugehörigen Informationen gewährleistet sind.

In einem zweiten Schritt werden diese, wie auch Informationen aus dem Digitalisierungsprozess in die Museumsdatenbank eingepflegt. Die Datenbank ist als Wissensspeicher natürlich nach jedem Schritt zu aktualisieren.

Der dritte Schritt ist die Vorbereitung der Daten für den Ingest. Digitalisate und Disk Images werden in einer standardisierten Ablagestruktur abgelegt und die Metadaten zum Archivierungsprozess in der Museumsdatenbank festgehalten.

Im letzten Schritt werden die Werke gelagert: Die physischen Medienträger im Kunstdepot und die digitalen Dateien schreibgeschützt auf dem Archivserver, womit die Langzeitarchivsoftware dann die Unveränderbarkeit der Inhalte übernimmt.


Wie viele digitale Dateien speisen Sie pro Jahr in den Archivserver ein? Gibt es dabei einen besonderen Umgang mit den Dateien? Um welche Datenmengen handelt es sich?

Noch können wir keine durchschnittlichen Mengen vorhersagen, da wir erst im Sommer 2019 begonnen haben, Medienkunstwerke in den Langzeitarchivserver einzuspeisen. Seitdem sind etwa 140 Sammlungswerke auf dem Langzeitarchivserver gesichert worden, 15 davon unveränderbar archiviert.

Wir legen Wert darauf, Kunstwerke immer als Ganzes oder in ihrer ursprünglichen angekauften Form zu archivieren. Gewisse Videoarbeiten laufen aber historisch über mehrere Bänder, weil die Abspieldauer länger war als die Kapazität des Magnetbands. In solchen Fällen gibt es für jedes Band eine Archivmasterdatei. Videodateien werden bei der Archivierung aber grundsätzlich nicht gesplittet.

Wie bereits oben erwähnt, nutzen wir die verschiedenen Container auf unserem Server, um neben den angekauften Originaldateien und den digitalisierten Archivmastern auch restaurierte Exhibition Master abzuspeichern. Diese unkomprimierten Dateien dienen als Vorlage für das Erstellen von Ausstellungskopien. Mit diesem Vorgehen ist in der Zukunft eine komplette „Reversibilität der ästhetischen Eingriffe“ garantiert, indem auf das unbearbeitete Archivmaster zurückgegriffen werden kann. Ein Beispiel ist das Extrahieren eines spezifischen Loops für eine Ausstellungskopie. Teilweise wird das digitale Loopen des besten Ausschnitts sogar von Künstlern erwünscht, wenn die Unregelmäßigkeiten im originalen, analogen Material ungewollt waren. Unter Umständen wird aber genau diese ungleichmäßige Qualität später wieder geschätzt und auch für Ausstellungszwecke relevant.

Weiterhin gibt es eine Vielfalt an Videowerken, bei denen mehrere Werkkopien, oftmals identische Doubletten, erworben wurden. Hier gilt es, die verschiedenen Kopien miteinander zu vergleichen und deren Status in der Museumsdatenbank festzuhalten.

Die archivierte Datenmenge ist von Werk zu Werk sehr unterschiedlich. Digitalisate der analogen Bänder sind bei uns je nach Abspieldauer im Durchschnitt zwischen 30 und 100 GB groß, vereinzelt über 300 GB. Bei digitalen Medienträgern fluktuiert die Datenmenge noch stärker. Optische Medienträger wie DVDs sind bei ca. 4 GB verhältnismäßig klein, während externe Festplatten schnell mehrere TB an Speicherplatz ausmachen können. Relevant ist dabei noch, in welcher Form die Inhalte gesichert werden. Bei einem sogenannten Disk Image, einem 1:1 Datenträgerabbild, wird eine Sektor-für-Sektor-Kopie des Medienträgers erstellt, wodurch nicht nur die Dateien, sondern auch die leeren Sektoren mitkopiert werden. Die Entscheidung, ausschließlich 1:1 Speicherabbilder und keine selektive Datensicherung durchzuführen, geht mit der Produktion einer größeren Datenmenge für den Archivserver einher. Wir haben uns gegen eine selektive Datensicherung entschieden, da wir die Vorbeugung des Informationsverlusts stärker gewichten als das Einsparen von Speicherplatz.


Wissenschaftsdaten werden mit eindeutigen Digitalen Objekt-Identifikatoren (DOI) versehen, um sie zitieren zu können und um über diesen Identifikator an das Objekt zu gelangen, unabhängig von seinem Aufbewahrungsort. Wie sehen Sie die Situation bei Daten, die Kunstwerke repräsentieren?

Der Identifikator, von dem Sie sprechen, ist eine konsistente Namensnorm der Wissenschaftsverlage, die es in der Museumswelt so nicht gibt. Die DOIs sind kompatibel und garantieren Zugänglichkeit und Auffindbarkeit. Zwar besitzen verschiedene Museen oftmals das gleiche Werk, manchmal ist es aber nicht dasselbe, d. h. dass Editionen aufgrund ihrer Produktionsgeschichte nicht immer identisch sein müssen, z. B. wenn Künstlerinnen nach Jahren noch Veränderungen an ihren Werken vornehmen.

Museen haben ihre eigenen, unterschiedlichen Systeme zur Erfassung und Auffindbarkeit von Werken und Metadaten entwickelt. In unserer Institution dienen uns Inventarnummern als zuverlässige Objekt-Identifikatoren: Die in der Datenbank eingetragenen Inventarnummern werden sowohl am physischen Objekt angebracht, wie auch im Dateinamen der im Server archivierten Dateien eingesetzt. Bei Kunstwerken mit mehreren Medienträgern ist eine saubere Identifikation jedes einzelnen ausschlaggebend für eine klare Zuweisung von technischen Metadaten, Angaben zum Standort und weiterführenden Informationen. Aus diesem Grund wurde die systematische Erfassung der Medienträger als Voraussetzung für den Langzeitarchivierungsprozess definiert. Dies erschien uns besonders wichtig, weil die digitalen Dateien auf dem Langzeitarchivserver nicht mehr veränderbar sind.

In Zusammenarbeit mit anderen hausinternen Abteilungen und im Austausch mit Fachexpertinnen wurden 2018 neue Richtlinien zur Erfassung von Medienkunstwerken in der Museumsdatenbank erarbeitet. Die Benennung der Medienkomponenten trägt hierbei der Ankaufs‑, Zustands‑, Digitalisierungs- und Archivierungsgeschichte des Medienkunstwerks Rechnung. Jedem Speichermedium aus der Medienkunstsammlung wird mit der individuellen Inventarnummer ein eigener Unterdatensatz zugewiesen. Zusätzlich dazu erhalten sie eine Medienkomponentennummer, die den Status der Medienkomponente (Original, Kopie oder restaurierte Vorlage) sowie eine Generationennummerierung und damit einen Teil der Migrationsgeschichte erhält.


Was sind aus Ihrer Sicht die Risiken und Nebenwirkungen bei der Archivierung digitaler Kunstwerke? Welche Stolperfallen gibt es?

Selbstauferlegte Standards machen uns derzeit das Leben schwer und verlangsamen unseren Archivierungsrhythmus. Durch neue Richtlinien und Workflows stehen die Harmonisierung der Datenbank, die Qualitätskontrolle und die Vorbereitung der Dokumentationsablage an erster Stelle. Der Aufwand kann jedoch mit unseren derzeit verfügbaren personellen Ressourcen nicht in absehbarer Zeit geleistet werden. Dies gefährdet wiederum unsere von Obsoleszenz bedrohten Träger, weshalb wir zurzeit bewusst deren (Not‑)Sicherung priorisieren, indem wir sie zwar auf den Langzeitarchivserver kopieren und damit mehrfach sichern, aber noch nicht definitiv archivieren – sie bleiben somit vorerst veränderbar und löschbar. So gewinnen wir Zeit, ohne dabei auf Datenredundanz verzichten zu müssen.

Die Format-Obsoleszenz zwingt uns, künstlerische Inhalte von einem Träger auf den Nächsten zu migrieren oder Dateien umzucodieren. Dabei müssen wir unbedingt einem Informationsverlust, z. B. zur Produktionsgeschichte, entgegensteuern. Die Wahl von Technologien und Materialien hat eine enorme kunsttechnologische Relevanz, die nicht verloren gehen darf. Gewisse Künstler benutzen obskure Formate oder verwenden in ihren Dateinamen eine Unmenge an Spezialzeichen, welche die Originaldateien archivuntauglich machen. Diese kreativen Entscheidungen sind aber genauso Teil einer Werkgeschichte wie der Einsatz von Pigmenten, die sich als nicht lichtecht herausstellten, oder Rechtschreibfehler bei einer Titelvergabe – egal ob gewollt oder unbewusst. Um die technologische und historische Verortung von Medienkunstwerken zu bewahren, sollten die originalen, künstlergelieferten Medienträger und -formate darum so lange wie möglich erhalten und für die Forschung zugänglich bleiben und so genau wie möglich dokumentiert werden.


Welche Herausforderungen werden die konservatorisch-restauratorische Arbeit mit digitalen Kunstwerken in Zukunft prägen?

Der Spagat zwischen professionellem Anspruch und verfügbaren Ressourcen ist groß. Es müssen realisierbare Strategien gefunden werden, um den Berg an Altlasten und die neuen (technischen) Aufgaben bei Neuankäufen gleichwertig im Sinne einer fachgerechten Erhaltung zu stemmen. Zukünftige weitere Altlasten müssen unbedingt vermieden werden. Auch die systematische Qualitätskontrolle darf nicht Opfer von Sparmaßnahmen werden, genauso wenig wie Werke ohne lange Wartezeiten gesichert und langfristig archiviert werden sollten, damit eine technische Obsoleszenz keine Chance hat und die interne Zugänglichkeit der Inhalte gewährleistet ist. Im Sinne der Erhaltung eines Kunstwerks dürfen wir die technischen Abspiel- und Aufführgeräte nicht aus dem Blick verlieren. Wie können obsolete Technologien einer neuen Publikumsgeneration vermittelt werden? Wie dokumentiert man die ästhetische Wirkung von obsoleszenz-gefährdeten Geräten auf ein Medienkunstwerk?

Bis wann sind technischen Veränderungen akzeptabel oder sogar wünschenswert? Ab wann führen Modernisierungen der eingesetzten Technologien zur Verfremdung der Werkidentität?

Haben wir alle Informationen dokumentiert, die für die Forschung einmal im Zusammenhang mit Medienkunst interessant sein werden oder welche technischen Metadaten sind für unser zukünftiges Verständnis dieser Werke und ihrer Produktionsgeschichte überhaupt essenziell? Was sind sinnvolle Strategien für Werke mit Softwareabhängigkeiten?

Eines ist aber jetzt schon klar: Viele dieser Fragen werden wir nur mit weiteren internen und externen Kollaborationen stemmen können.