Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags …

  • ist Ihnen die Pathogenese der primären Omarthrose bekannt,

  • wissen Sie über diagnostische und klinische Untersuchungsschritte Bescheid,

  • kennen Sie konservative Therapiemaßnahmen und deren Evidenzlevel,

  • haben Sie einen Überblick über operative Behandlungsmöglichkeiten inklusive arthroskopischer und endoprothetischer Verfahren.

Einleitung

Der Begriff Arthrose wird im allgemeinen medizinischen Sprachgebrauch für die Beschreibung des Gelenkverschleißes synovialer Gelenke benutzt. Die vollständige Bezeichnung Arthrosis deformans leitet sich vom griechischen Wortstamm „arthron“ (Gelenk) und dem lateinischen „deformare“ (verstümmeln) ab. Während im angloamerikanischen Sprachgebrauch der Begriff „osteoarthritis“ vorrangig verwendet wird, trifft der deutsche Terminus „Osteoarthrose“ besser zu. Das American College of Rheumatology definiert „osteoarthritis“ in einem Konsensus als „heterogene Gruppe von Zuständen, die zu Gelenksymptomen und Zeichen geführt haben, die mit einem Defekt der Integrität des Gelenkknorpels in Verbindung mit dazugehörigen Veränderungen des darunterliegenden Knochens an den Gelenkbegrenzungen einhergehen“ [1]. Diese Definition ist von der WHO in ihrem Weltgesundheitsbericht 2002 übernommen worden [2].

Pathogenese

Die Arthrose des Schultergelenks tritt im Vergleich zu Hüft- und Kniegelenk wesentlich seltener auf. Epidemiologische Daten berichten über eine Inzidenz von 33 % der über 60-Jährigen [3, 4]. Eine retrospektive Datenanalyse eines 1‑Jahres-Zeitraums aus einer allgemeinen orthopädischen Praxis in Illinois, USA, zeigte ein Verhältnis von 4,7:1 zwischen Pathologien der Rotatorenmanschette und der Omarthrose [5]; 73 % davon hatten eine primäre (idiopathische) Omarthrose. In 38,7 % war die dominante, in 33,8 % die nichtdominante und in 27,5 % waren beide Schultern betroffen. Das Durchschnittsalter bei Erstdiagnose lag bei 70 Jahren; 54 % waren weiblich, der durchschnittliche Body-Mass-Index (BMI) lag bei 31. Innerhalb von 2 Jahren wurden 24,3 % operativ behandelt. Die Tatsache, dass dominante und nichtdominante Schulter gleich häufig betroffen sind und die allermeisten Fälle als primäre Omarthrose eingestuft wurden, spricht dafür, dass anatomische und/oder systemische Faktoren bei der Entstehung entscheidender sind als eine gewisse Form der Überlastung.

Grundsätzlich treten neben der primären Omarthrose verschiedene sekundäre Formen auf (Tab. 1). In diesem Beitrag soll in erster Linie nur auf die primäre Form eingegangen werden, wobei Diagnose und auch Therapie für die meisten sekundären Arthrosebilder sich nicht unterscheiden und auch hier entsprechende Gültigkeit haben. Die primäre Omarthrose muss in aller Regel als multifaktoriell bedingt betrachtet werden, wobei eine genetische Prädisposition bekannt ist [6]. Eine gestörte Genexpression mit veränderter Zelldifferenzierung und Homöostase des Knorpelgewebes führt schließlich zur Knorpeldegradation und Induktion eines chronischen synovialen Entzündungsprozesses mit hypertropher Zottenbildung (Abb. 1). Infiltration der Membrana synovialis mit Immunzellen und eine hochregulierte Ausschüttung verschiedener Entzündungsmediatoren (Zytokine) führen zu Exsudation von Synovialflüssigkeit mit Ergussbildung. Neben freien Sauerstoffradikalen, Prostaglandinen, Gamma-Interferon und Tumor-Nekrose-Faktor α (TNF-α) scheint insbesondere die erhöhte Aktivität von Matrixmetalloproteasen (MMP) für die Degradation des Gelenkknorpels mitverantwortlich zu sein [7]. Diese kann auch durch eine verminderte Aktivität von deren Antagonisten TIMPs („tissue inhibitors of metalloproteasen“) bedingt sein, was schlussendlich Ausdruck eines gestörten Gleichgewichts zwischen anabolen und katabolen Regulationsmechanismen ist. Das kontinuierliche Fortschreiten des chronischen Entzündungsprozesses führt zu einer sekundären adhäsiven Kapsulitis mit Einsteifung des Gelenks, vermehrter Schmerzsymptomatik und zunehmender Deformierung der Gelenkflächen mit Osteophytenbildung v. a. humeral-, aber auch glenoidalseitig bis schließlich hin zum Verlust der Sphärizität der Kalotte [8]. Durch Verlust des Knorpels kommt es zu einer vermehrten mechanischen Belastung des subchondralen Knochens. Reaktive Veränderungen wie Sklerosierung sowie Ausbildung umschriebener Nekroseareale und Geröllzysten sind Ausdruck dieser erhöhten Druckbelastung. Häufig finden sich freie chondromatöse Gelenkkörper im Recessus axillaris, subkorakoidal oder im Sulcus bicipitalis. Nachdem die primäre Omarthrose eine artikuläre Pathologie darstellt, ist die Rotatorenmanschette in aller Regel strukturell erhalten.

Tab. 1 Übersicht der verschiedenen sekundären Formen der Omarthrose
Abb. 1
figure 1

Arthroskopiebild einer linken Schulter über das posteriore Standardportal. Deutliche hypertrophe Synovialitis im Bereich des Rotatorenintervalls (RI) mit hypertropher Zottenbildung (Asterisk). HK Humeruskopf. (Mit freundl. Genehmigung, © M. Tauber, alle Rechte vorbehalten)

Eine Sonderstellung nehmen die Arthroseformen ein, bei denen eine statische hintere Subluxationsstellung des Humeruskopfes vorliegt und die Pfanne eine pathologische Retroversion (>8–10°) aufweist. Hier muss als Genese eine (oft angeborene) Form der hinteren Schulterinstabilität angenommen werden, in deren oft langem, zunächst klinisch stummem Verlauf ein exzentrischer, hinterer Pfannenabrieb sich einstellt mit Folge der axialen Dezentrierung und Dysbalance. Durch die chronische Subluxationsstellung schleift der Humeruskopf ein „Neoglenoid“ in den hinteren Pfannenabschnitt mit Ausbildung einer Bikonkavität (Abb. 2). Bei Auftreten klinischer Beschwerden liegt oft bereits ein erheblicher hinterer Glenoidverbrauch vor mit therapeutischer und technischer Herausforderung für den behandelnden Arzt bei indiziertem, endoprothetischem Gelenkersatz. Es gilt mittlerweile die Annahme, dass die Arthrose als Folge der hinteren chronischen Schulterinstabilität zu werten ist und nicht umgekehrt [9].

Abb. 2
figure 2

Axiale Röntgenaufnahme mit statisch dorsaler Dezentrierung des Humeruskopfes bei bikonkaver Glenoidfläche. Der Humeruskopf selbst ist asphärisch und auf das sog. Neoglenoid zentriert mit aufgebrauchtem Gelenkspalt. (Mit freundl. Genehmigung, © M. Tauber, alle Rechte vorbehalten)

Klassifikation

Eine Klassifizierung der primären Omarthrose wurde erstmalig von Charles Neer 1961 vorgenommen [10]. Als objektivierbare Parameter wurden damals die Verringerung der Gelenkbeweglichkeit, die Abnahme des Gelenkspalts sowie die Vergrößerung des Humeruskopfes durch osteophytäre Anbauten bei der primären Abwesenheit von Rotatorenmanschettenläsionen herangezogen. Über Jahrzehnte hat sich die Einteilung nach Samilson und Prieto (aus dem Jahr 1983) etabliert, weil einfach und gut reproduzierbar. Dabei wird der Schweregrad nach der Größe des inferioren humeralseitigen Osteophyten, gemessen auf einer True‑a.‑p.-Aufnahme, eingeteilt in:

  1. I.

    <3 mm,

  2. II.

    3–7 mm und

  3. III.

    >7 mm [11].

Diese Klassifikation bezog sich eigentlich nur auf die Instabilitätsarthrose, hat sich dann aber auch für die primäre Omarthrose durchgesetzt. Allerdings muss kritisch angemerkt werden, dass es sich nur um eine eindimensionale Betrachtung handelt und diese Klassifikation keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann; nicht zuletzt deshalb, weil wichtige Informationen einer therapeutischen Konsequenz fehlen. In diesem Zusammenhang muss die Klassifikation der Glenoidmorphologie nach Walch erwähnt werden [12]. Hier wird ausschließlich in der Transversalebene der Pfannenversion sowie -morphologie Rechnung getragen, was eine unmittelbare Konsequenz für die Planung und Durchführung eines endoprothetischen Pfannenersatzes hat. Während bei Typ A1 und A2 der Humeruskopf zentriert ist, liegt bei den Typen B1–3 eine pathologische Retroversion mit dorsaler Dezentrierung vor, wobei Typ B2 durch eine bikonkave Gelenkfläche und Typ B3 durch eine Retroversion >25° definiert sind. Unter Typ-C-Glenoide fallen schwere posteriore Deformierungen/Dysplasien. Während bei Typ-A-Glenoiden die totalendoprothetische Versorgung aufgrund der axialen Zentrierung gute Ergebnisse mit niedrigen Lockerungsraten bringt, sind es die nach dorsal dezentrierten Situationen, die sowohl technisch anspruchsvoll als auch mit höheren Komplikationsraten im postoperativen Verlauf vergesellschaftet sind. Oft gelingt es nicht, die chronisch angepasste Weichteilsituation und die über Jahre veränderte glenohumerale Biomechanik zu korrigieren, was zu erhöhten, exzentrischen Belastungen und damit verbunden einer höheren Lockerungsrate der Implantate führt.

Eine aktuelle Klassifikation der Omarthrose nach Habermeyer berücksichtigt neben der Größe der humeralen Osteophyten auch den Verlust der Sphärizität der Kalotte [8]. Die Autoren haben beschrieben, dass bei asphärischer Deformierung der Kalotte auch eine Deformierung der Pfanne mit Dezentrierung vorliegt. Somit werden sowohl Deformierung der Kalotte als auch Glenoidmorphologie/-verbrauch berücksichtigt, was hinsichtlich etwaiger operativer Maßnahmen eine entscheidende Information darstellt.

Diagnostik

Klinische Untersuchung

Da es durch die chronische Schmerzsituation bei einer Omarthrose häufig zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität und psychosozialen Problemen kommen kann, kommt der genauen Anamneseerhebung eine wichtige Rolle zu. Dauer und Art der Beschwerden (VAS [visuelle Analogskala]) müssen ebenso erfragt werden wie die Art der bisherigen Behandlung und Schmerzmitteltherapie, um den Leidensdruck des Patienten korrekt einschätzen zu können.

Bei der darauffolgenden klinischen Untersuchung äußert sich die Arthrose am Schultergelenk v. a. durch eine schmerzhafte Einschränkung der aktiven sowie passiven Beweglichkeit des Gelenks, wobei typischerweise die Außenrotation zuerst Einschränkungen aufweist, während die anderen Bewegungsrichtungen noch relativ frei sein können. Hier ist die exakte Dokumentation des aktiven und passiven Bewegungsausmaßes wichtig und gesondert auf die glenohumerale Beweglichkeit zu achten.

Bei der Untersuchung auf Begleitpathologien rücken v. a. die Rotatorenmanschette sowie die lange Bizepssehne in den Fokus, da Läsionen hier Auswirkungen auf die Therapie haben können. Gerade der Zustand und die Funktionsfähigkeit von Rotatorenmanschette und des M. deltoideus sind besonders eingehend zu evaluieren, da bei der Operationsplanung die Wahl des Prothesenmodells u. a. davon abhängt.

Radiologische Untersuchung

Die Standarddiagnostik beinhaltet in erster Linie konventionelle Röntgenaufnahmen der Schulter in 3 Ebenen: anterior-posterior („true a.-p.“), lateral („Y-view“) und axial. Hier wird zunächst auf die Zentrierung des Humeruskopfes geachtet, da die Omarthrose von einer Defektarthropathie mit kranialer Migration des Humeruskopfes unterschieden werden muss. In der Y‑ und axialen Aufnahme wird auf die Zentrierung des Humeruskopfes in anterior-posteriorer Richtung geachtet, eine mögliche posteriore Dezentrierung sowie die korrelierende Glenoidmorphologie werden beurteilt (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Röntgenserie einer konzentrischen Omarthrose. a Die Gelenkspaltverschmälerung und die Osteophyten sind deutlich zu erkennen. Y‑ (b) und axiale Aufnahme (c) zeigen keine posteriore Dezentrierung

Bei der fortgeschrittenen Omarthrose kann zudem bereits die Verschmälerung des Gelenkspaltes einwandfrei festgestellt werden. Knöcherne Anbauten (Osteophyten) stellen einen Hinweis auf den Arthrosegrad dar. Es erfolgt die Einteilung des Schweregrades der Arthrose nach Samilson und Prieto [11] bzw. nach Habermeyer et al. [8] (s. oben).

Die MRT(Magnetresonanztomographie)-Diagnostik dient bei der Omarthrose zunächst der Erkennung von Begleitläsionen, v. a. der Beurteilung der Rotatorenmanschette. Deren Integrität bzw. qualitative Veränderungen der Muskulatur im Sinne der Atrophie bzw. fettigen Infiltration geben Entscheidungshinweise bei der Frage, ob die Implantation einer anatomischen Prothese noch sinnvoll ist. Die Schnittbildgebung dient zudem zur Beurteilung des exakten knöchernen Status, da es bei der fortgeschrittenen Omarthrose zur zunehmenden posterioren Dezentrierung des Humeruskopfes mit klassischen Veränderungen im Bereich des Glenoids kommt. Die Einteilung der Glenoidmorphologie erfolgt nach Walch [12] (s. oben) und ist bei der Auswahl der für den Patienten am besten geeigneten Prothesenoption (anatomisch, invers, augmentiert) ebenfalls mit entscheidend. Die heute üblichen Softwareprogramme zur exakten 3‑D-Prothesenplanung erfordern eine Computertomographie (CT) nach speziellem Protokoll.

Therapie

Konservativ

Konservative Therapiemaßnahmen sind in erster Linie im Frühstadium der Arthrose indiziert sowie bei Patienten, bei denen operative Therapieformen entweder kontraindiziert sind oder vom Patienten abgelehnt werden. Ziele der nichtoperativen Therapie sind:

  • Schmerzreduktion,

  • Verbesserung/Erhalt der Gelenkmobilität und

  • Verzögerung der Arthroseprogression.

Zur Schmerzreduktion stellen orale Analgetika einen Grundpfeiler der Therapie dar. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) haben sich dabei etabliert, sollten aber nach strenger Berücksichtigung von möglichen Kontraindikationen oder Interaktionen mit anderen Medikamenten restriktiv eingesetzt werden. Aufgrund möglicher gastrointestinaler Nebenwirkungen sowie Nierenschädigung sind sie für eine Dauertherapie nicht geeignet. Als Alternative gelten selektive COX-2-Inhibitoren, die zwar weniger gastrointestinale Nebenwirkungen aufweisen, dafür aber ein gewisses kardiovaskuläres Risiko bergen. Alternativ werden Opioide eingesetzt, aber auch die topische Anwendung von NSAR hat ihren Stellenwert. Leider gibt es in der Literatur keine Omarthrose-spezifischen Daten hinsichtlich der Evidenz der oralen Schmerztherapie. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass Daten für Gon- und Koxarthrose übertragbar sind. Hierzu konnte in einem aktuellen systematischen Review und einer Metaanalyse gezeigt werden, dass interessanterweise die topische Anwendung von NSAR die größte relative Schmerzänderung brachte (41 %), gefolgt von oralen COX-2-Hemmern (37 %), Opioiden (35 %), oralen NSARs (34 %) sowie Paracetamol (33 %) [13]. Aufgrund des leicht überlegenen Effekts und des sicheren Anwendungsprofils empfehlen die Autoren daher als First-line-Therapie die Anwendung topischer NSARs, insbesondere bei moderatem Schmerzlevel. Für orale NSARs scheinen Diclofenac 150 mg täglich sowie Ketoprofen eine gewisse Überlegenheit zu zeigen [14, 15]. Orale Opioide scheinen bei älteren Menschen einen geringen Effekt der Schmerzreduktion zu haben bei allerdings höherer Rate an Nebenwirkungen und Therapieabbrüchen [16].

Eine etablierte Form der konservativen Behandlung stellen Injektionen dar. Dabei werden als intraartikulär verabreichte Substanzen in erster Linie Glukokortikoide, Hyaluronsäure sowie thrombozytenreiches Plasma („platelet-rich plasma“ [PRP]) angewandt. Glukokortikoide zeigen einen hervorragenden antiinflammatorischen Effekt, dessen Dauer allerdings in der Regel auf wenige Wochen begrenzt ist. Der Vorteil der lokalen Applikation ist das geringe Spektrum an Nebenwirkungen. Neben einer Flush-Symptomatik für 1 bis 2 Tage sowie lokaler Atrophie der Subkutis mit Depigmentierung der Haut ist das Infektionsrisiko zu berücksichtigen. Strengste Einhaltung hygienischer Grundprinzipien ist daher selbsterklärend. Aufgrund der katabolen Wirkung auf den Knorpelstoffwechsel sollte es nicht öfter als alle 3 Monate verabreicht werden [17]. Eine gute Alternative scheinen Hyaluronsäureprodukte zu sein, die auch in der Bevölkerung eine höhere Akzeptanz genießen als die Kortisonpräparate. Die wissenschaftliche Datenlage für die Omarthrose ist spärlich. In einer prospektiv randomisierten placebokontrollierten Studie mit 300 Omarthrosepatienten konnte zwar über einen Zeitraum von 6 Monaten eine signifikante Verbesserung erreicht werden, die aber zwischen den Gruppen statistisch nicht signifikant war. Erst eine Subanalyse mit Ausschluss begleitender Rotatorenmanschettenläsionen sowie einer adhäsiven Kapsulitis zeigte eine signifikante Wirkung der Hyaluronsäure [18]. Im direkten Vergleich mit Kortison (Methylprednisolon 40 mg) konnte Hylan G‑F 20 bei insgesamt 84 Patienten eine Schmerzreduktion bis zu 6 Monate erreichen, während das Kortisonpräparat nur in den ersten 4 Wochen Wirkung zeigte [19]. Des Weiteren zeigte sich im Rahmen dieser Studie ein geringerer klinischer Effekt bei Patienten mit stark fortgeschrittener Arthrose und bei Patienten mit begleitenden Rupturen der Rotatorenmanschette. Weitere Studien bestätigen die Wirkung der Hyaluronsäure [20, 21], und trotz eines nur schwachen Empfehlungsgrads wurde die Verwendung der Hyaluronsäure zur Behandlung der Omarthrose in die Behandlungsrichtlinien der AAOS (American Association of Orthopaedic Surgeons) mit aufgenommen [22]. Eine weitere Form der Injektionstherapie stellt die Verwendung von „platelet rich plasma“ (PRP) dar. Ziel dieser Behandlung ist eine antiinflammatorische Wirkung mit Schmerzreduktion sowie die Induktion stoffwechselmodulatorischer, anaboler Prozesse am Knorpelgewebe. Während für die Behandlung der Gonarthrose eine gewisse, wenn auch schwache Evidenz des therapeutischen Nutzens existiert, zumindest im kurz- bis mittelfristigen Verlauf bei leichten bis moderaten Formen, gibt es für die Behandlung der Omarthrose keine wissenschaftlichen Daten [23]. Aufgrund der schwachen Datenlage mit zum Teil hohem Bias und methodischen Schwächen der analysierten Studien kann eine klare Therapieempfehlung allerdings bis dato nicht ausgesprochen werden [24, 25, 26].

Physiotherapeutische Maßnahmen zielen auf eine Gelenkmobilisierung ab mit Verbesserung des Bewegungsumfangs der Schulter, aber auch auf die Detonisierung und Mobilisierung der angrenzenden Gelenke, insbesondere des „skapulothorakalen“ Gelenks. Schmerzreduzierende Anwendungen wie Oberflächenwärme, niedrigfrequenter Laser, Ultraschall- oder Elektrotherapie ergänzen das Spektrum der physikalischen Therapie. Leider gibt es kaum wissenschaftliche Evidenz für spezielle physiotherapeutische Maßnahmen bei der Behandlung der Omarthrose, allerdings scheint die Kombination mit etablierten Behandlungsmaßnahmen wie Analgetika- oder Injektionstherapie einen Vorteil zu bringen [27, 28].

Arthroskopische Verfahren

Als Behandlungsalternative zur Implantation einer Schulterprothese wurden in den letzten Jahrzehnten arthroskopische Verfahren entwickelt, um den Zeitpunkt einer Prothesenimplantation gerade beim jüngeren Patienten hinauszuzögern. Eben bei diesem Patientenkollektiv unter 50 zeigten mehrere Studien eine geringere Patientenzufriedenheit nach endoprothetischer Versorgung [29, 30, 31].

Weinstein et al. berichteten nach arthroskopischem Débridement einer Patientengruppe mit einem Durchschnittsalter von 42 Jahren und geringgradiger Omarthrose über 80 % gute oder hervorragende Ergebnisse. Weitere Studien konnten folgende negative Prädiktoren ermitteln: hochgradige bipolare Knorpelschäden, Gelenkspaltverschmälerung <2 mm bzw. große Osteophyten [32].

Im Jahr 2011 publizierten Millett et al. [33, 34] die Technik der „comprehensive arthroscopic management (CAM) procedure“ als arthroskopisches Therapieverfahren bei Omarthrose. Neben einem Débridement werden hierbei je nach Bedarf Synovialektomie, Chondroplastik subakromiale Dekompression, Entfernung freier Gelenkkörper, Kapselrelease, Resektion der Osteophyten, Neurolyse des N. axillaris oder eine Tenotomie bzw. Tenodese der langen Bizepssehne durchgeführt (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

a Arthroskopisches Bild einer Omarthrose. Der freiliegende subchondrale Knochen am Humeruskopf ist deutlich zu erkennen. b Arthroskopischer Blick in den inferioren Recessus durch das posteriore Standardportal. Mit einem Shaver erfolgt die Resektion des inferioren Osteophytenkranzes. (Mit freundl. Genehmigung, © M. Tauber, alle Rechte vorbehalten)

Die 5‑Jahres-Ergebnisse dieser Prozedur konnten eine Überlebensrate (fehlende Konversion zur Totalendoprothese [TEP]) von 76,9 % zeigen. Glenoidtypen B2 und C nach Walch, ein Gelenkspalt <2 mm und ein sehr niedriger präoperativer ASES-Score waren negative Prädiktoren [35].

Anhand eines Markov-Entscheidungsmodells wurde in einer Level-II-Studie zum Thema die Empfehlung ausgesprochen, bei Patienten unter 47 Jahren eher eine arthroskopische Prozedur durchzuführen und bei Patienten über 66 Jahren bevorzugt einen endoprothetischen Ersatz. Für die Altersgruppe dazwischen sollten die Vor- und Nachteile mit dem Patienten individuell diskutiert werden [36].

Endoprothetischer Gelenkersatz

Sind konservative Therapiemaßnahmen ausgereizt, stellt bei anhaltendem subjektivem Leidensdruck der endoprothetische Gelenkersatz den nächsten Schritt des Therapiealgorithmus dar. Als Standardversorgung gilt mittlerweile die Totalendoprothese mit bifokalem Ersatz von Humeruskopf und Glenoid. Klinische Ergebnisse sowie Komplikations- und Revisionsraten schneiden dabei im Langzeitverlauf besser ab als für die Hemiprothese [37, 38, 39]. Der Einsatz moderner Implantate der 4. und 5. Generation mit Adaptation von Inklination, Version und Offset sowie eine akkurate Operationstechnik erlauben die exakte Wiederherstellung der Gelenkgeometrie unter Berücksichtigung ihrer Biomechanik und führen zu signifikanter Verbesserung der Schulterfunktion in allen Ebenen. Dabei besteht eine direkte Korrelation mit dem präoperativen Status. In anderen Worten: Je besser die Funktion zum Zeitpunkt der Prothesenimplantation ist, desto besser ist auch das Endergebnis. In letzter Konsequenz leitet sich dabei auch die Empfehlung ab, den richtigen Zeitpunkt des endoprothetischen Gelenkersatzes nicht zu verpassen und den Patienten bereits im Vorfeld dahingehend zu informieren und zu führen. Auf der anderen Seite konnte klar gezeigt werden, dass die Lebensqualität nach Gelenkersatz bei Omarthrose signifikant steigt [40, 41, 42] und es dadurch gerade bei älteren Patienten keinen plausiblen Grund gibt, den Eingriff unnötig hinauszuzögern.

In der anatomischen Versorgung der Schulterendoprothetik haben sich in den letzten Jahren v. a. auf der humeralen Seite klare Trends zu kleineren Implantaten durchgesetzt. Galt bis Mitte der letzten Dekade noch der Schaft in der primären Versorgung als Goldstandard, so konnte er zwischenzeitlich von schaftfreien, metaphysär verankerten Designs, zumindest in Europa, abgelöst werden (Abb. 5). Im Jahr 2005 erstmalig publiziert, haben mittlerweile alle großen am Markt vertretenen Firmen ihr eigenes Implantat, das nach Resektion im anatomischen Hals metaphysär über diverse Mechanismen verankert wird. Die in der Literatur zwischenzeitlich verfügbaren Langzeitergebnisse (knapp 8 bis 9 Jahre Nachuntersuchungszeitraum) sind überzeugend und dem Schaftdesign ebenbürtig [43, 44, 45]. Der große Vorteil liegt in der geringeren Gefahr der schaftassoziierten Komplikationen sowie der relativ einfachen Situation beim Wechsel auf eine inverse Prothese. Es existieren sogar modulare schaftfreie Designs, bei denen die humerale metaphysäre Komponente beim Umbau auf das inverse Design belassen werden kann. In Analogie zur Hüftendoprothetik haben sich auch Kurzschaftdesigns etabliert, wobei hier von den Autoren der wirkliche Vorteil gegenüber einem Standardschaft nicht ganz nachvollzogen werden kann.

Abb. 5
figure 5

1‑Jahres-Kontroll-Röntgenbild einer schaftfreien Schultertotalendoprothese mit zementierter Polyethylen-Kiel-Pfanne. Vollständige Osteointegration des Implantats mit anatomischer Wiederherstellung der Gelenkgeometrie. (Mit freundl. Genehmigung, © M. Tauber, alle Rechte vorbehalten)

Als Schwachpunkt in der anatomischen Versorgung muss weiterhin das Glenoid gesehen werden. Nachdem die Verwendung einer zementierten Polyethylenpfanne bis dato als Goldstandard gilt, sind die berichteten Lockerungsraten, zumindest radiologisch, hoch (36 % nach 10 Jahren [46]). Diesbezüglich stehen Forschung und Industrie vor einer Herausforderung, die es in naher Zukunft zu bewältigen gilt. Hinsichtlich des Designs der Polyethylenpfanne bietet die Literatur keine eindeutige Antwort, wobei einige Daten auf eine leichte Überlegenheit des Peg- gegenüber dem Kieldesign hinweisen [47, 48, 49].

Einen überaus wichtigen Aspekt stellt die Lebensdauer der Implantate dar. Vor allem vonseiten des Patienten wird diese Frage immer gerne und regelmäßig gestellt. Die aktuelle Datenlage zu diesem Thema im Langzeitverlauf ist grundsätzlich erfreulich und zeigt vergleichbare Ergebnisse mit der Hüft- und Knieendoprothetik. Abhängig ist die Standzeit natürlich auch vom Alter und Aktivitätsgrad des Patienten. Die Standzeit der anatomischen Schulterprothese liegt dabei bei 98 % nach 5 Jahren, aber nur noch bei 63 % nach 10 Jahren beim unter 55-Jährigen [30]. Die 10-Jahres-Ergebnisse berichten 100 % Überlebensrate für die humerale und 92 % für die glenoidale Komponente [50]. Im längeren Verlauf werden in einem Kollektiv von 72 anatomischen TEPs Überlebensraten von 98 % nach 5 Jahren, 93 % nach 10 Jahren, 88 % nach 15 Jahren und 85 % nach 20 Jahren berichtet [51]. Die häufigsten Ursachen für die Revision sind dabei die sekundäre Insuffizienz der Rotatorenmanschette, die aseptische Lockerung der Glenoidkomponente, Infektionen und aseptische Lockerungen der Humeruskomponente. Eine Rückkehr zu gewissen Sport- und Freizeitgewohnheiten (inklusive Golfen, Schwimmen und Tennis) ist dabei in aller Regel erfolgreich möglich (80–96 %), solange eine zu intensive, übertriebene Belastung unterbleibt [52, 53].

Mit steigender Anzahl von Prothesenrevisionseingriffen bestärkte gerade die Notwendigkeit, von einem anatomischen auf ein inverses Design zu wechseln, die Entwicklung modularer Systeme. Sekundäre Insuffizienz der Rotatorenmanschette sowie Resorption der Tuberkula bei der primären Frakturprothese sind die häufigsten Ursachen für die Revision und Konversion auf inverses Design. Durch das Belassen der humeralen Komponente bleiben dem Patienten komplikationsträchtige Schaftwechsel erspart, und die Operationsdauer kann zudem verkürzt werden. Auch glenoidseitig stehen modulare Metal-back-Implantate zur Verfügung. Nach Abnehmen des Polyethylen-Pfanneninlays kann die Glenosphäre direkt auf das „metal back“ aufgebracht werden. Auch hier liegt der enorme Vorteil darin, dass ein Ausbau der glenoidalen Verankerungskomponente nicht erforderlich ist und somit knöcherne Defekte vermieden werden können. Durch die zentrale Positionierung des „metal back“ in der anatomischen Situation ist jedoch bei der Konversion auf invers auf die Verwendung einer inferior exzentrischen oder lateralisierenden Glenosphäre zu achten, um ein glenoidales Notching zu vermeiden.

Die direkte Implantation eines inversen Prothesendesigns bei der primären Omarthrose hat ihren Stellenwert bei

  • begleitenden partiellen oder kompletten Rotatorenmanschettenläsionen des älteren Patienten,

  • kritischen Deformierungen/Defekten am Glenoid, bei denen die Implantation einer anatomischen Pfanne mit erhöhtem Risiko der Lockerung verbunden ist (z. B. Typ-B2-Glenoid nach Walch [12] mit einem Neoglenoidwinkel >27°, Typ-B3- oder Typ-C-Glenoid), und

  • ältere Patienten mit Komorbiditäten, bei denen eine schnellstmögliche Rehabilitation erforderlich ist.

Bestrebungen, minimalinvasive Zugänge in Analogie zur Hüftendoprothetik zu etablieren, existieren seit einigen Jahren [54, 55]. Dabei ist es das vorrangige Ziel, den Subscapularis bzw. dessen Sehne zu erhalten bzw. nur inkomplett abzulösen mit der Möglichkeit der frühfunktionellen Nachbehandlung. Technisch anspruchsvoll und bei eher wenig ausgeprägter Deformierung und Osteophytenbildung realisierbar, konnte bisher kein Vorteil in der klinischen Praxis gezeigt werden [56]. Die erste hierzu publizierte Arbeit berichtete in einer präliminaren Serie von 22 primären anatomischen Schultertotalendoprothesen bei Omarthrose von einer nichtanatomischen Kopfresektion in 27 %, inferioren humeralen Restosteophyten in 36 % und Implantatunterdimensionierung in 23 % [54]. Diese Zahlen spiegeln die technische Schwierigkeit des Eingriffs wider und lassen Raum zu Verbesserung.

Es gibt auch Situationen, in denen der endoprothetische Gelenkersatz kontraindiziert ist. Unterschieden werden müssen dabei absolute von relativen Kontraindikationen. Tab. 2 bietet eine entsprechende Übersicht.

Tab. 2 Absolute und relative Kontraindikationen für einen endoprothetischen Gelenkersatz bei Omarthrose (Habermeyer et al. [57])

Fazit für die Praxis

  • Die primäre Omarthrose ist genetisch prädeterminiert und tritt bei 33 % der über 60-Jährigen auf. Schulterschmerzen und zunehmende Einschränkung der aktiven und passiven Beweglichkeit stehen klinisch im Vordergrund.

  • Konservative Therapiemaßnahmen zielen auf Schmerzreduktion, Verbesserung/Erhalt der Gelenkmobilität und Verzögerung der Arthroseprogression ab.

  • Arthroskopische Verfahren zum Gelenkerhalt sind beim jungen Patienten im Frühstadium der Arthrose indiziert.

  • Nach endoprothetischem Gelenkersatz ist mit Wiederherstellung der Lebensqualität, hoher Patientenzufriedenheit und akzeptablen Standzeiten zu rechnen. Dabei ist der totalendoprothetische Gelenkersatz mit besseren klinischen Ergebnissen und einer geringeren Komplikations- und Revisionsrate vergesellschaftet als die Hemiprothese.