Wenn der frühe Abort auch einer der häufigsten Befunde in der Frauenheilkunde ist, so ist er doch eines der einschneidendsten Erlebnisse für Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter. Klinisch nachweisbar münden etwa 15 % der Schwangerschaften in ein frühes Abortgeschehen, die Dunkelziffer frühester Schwangerschaftsverluste liegt wahrscheinlich deutlich darüber.

Frühaborte können sporadisch auftreten oder in Serie, im Sinne einer habituellen Abortneigung. Etwa 5 % aller Frauen erleiden 2 Aborte, bei etwa 1–3 % treten 3 Aborte auf, nach Definition der WHO (World Health Organisation) einer habituellen Abortneigung entsprechend.

Die Grundlage für das weitere Schicksal wird bereits bei der Implantation gelegt. Dies erfordert einerseits eine ungestörte Rezeptivität des maternalen Endometriums, andererseits eine enge Interaktion mit dem Embryo. Die Physiologie der Einnistung ist komplex. Sie beinhaltet nicht nur immunologische, sondern auch biochemische Regulationsmechanismen und ist als Netzwerk noch nicht im Detail verstanden, wie Markert et al. zeigen.

Die Ursachen sind sehr vielfältig, ebenso wie die diagnostischen Schritte und etwaige therapeutische Ansätze zur Vermeidung eines erneuten Abortes. Dies ist vor allem für Frauen mit sich wiederholenden Frühaborten von enormer Bedeutung.

Die ART eröffnet Möglichkeiten für eine genetische Diagnostik vor Implantation

In etwa 40–50 % der Fälle ist eine genetische Ursache für einen Frühabort verantwortlich. Die häufigsten mit Frühaborten assoziierten genetischen Auffälligkeiten beschreiben Rudnik-Schöneborn, Swoboda und Zschocke. Bei genetisch bedingten Frühaborten gibt es keine Möglichkeit, wie das Paar selbst aktiv zu einer Risikoverringerung beitragen kann. Mit den Maßnahmen der künstlichen Befruchtung (ART) eröffnen sich aber Möglichkeiten, die Eizelle oder selbst den Embryo vor der Implantation genetisch zu untersuchen.

Bei nicht genetisch bedingten Aborten können auch Lebensstilfaktoren eine Rolle spielen. Goeckenjan zeigt, wie wichtig daher eine präkonzeptionelle Beratung ist. Dieses Konzept wird zunehmend aufgegriffen und ist beispielsweise in den Niederlanden längst ein wichtiges Forschungsthema. Dazu zählen in erster Linie Lebensgewohnheiten und Ernährung, Über- und Untergewicht.

Aus der Fülle denkbarer Ursachen hat sich ein Kaleidoskop diagnostischer Maßnahmen ergeben – hinter vielen von ihnen steht ein Fragezeichen. Kuon et al. beleuchten diesen „Wildwuchs“ und zeigen die aktuellen, fundierten, leitlinienbasierten Empfehlungen. Sie betonen die Bedeutung der ärztlichen Anamnese und die Notwendigkeit des Aufbaus einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung. Eine Diagnostik, die über das evidenzbasierte Maß hinausgeht, sollte individuellen Patientinnen vorbehalten sein und nur im Rahmen klinischer Studien erfolgen. Auch der Zeitpunkt zur Einleitung diagnostischer Maßnahmen muss gut gewählt werden. Eine umfangreiche Diagnostik direkt nach der ersten Fehlgeburt ohne eindeutige anamnestische Hinweise ist nicht zielgerichtet, produziert Kosten bei einer enorm hohen Wahrscheinlichkeit von Normalbefunden, provoziert unnötige Therapiemaßnahmen und weckt unberechtigte Hoffnungen. Zudem sollten die psychologischen Folgen einer ungerechtfertigten Pathologisierung der Patientinnen bedacht werden. Generell sollte bei unauffälliger sonstiger Vorgeschichte eine umfassende Diagnostik erst dann durchgeführt werden, wenn eine über ein sporadisches Abortgeschehen hinausgehende Häufung von Aborten besteht. Ob nach 2 oder 3 Frühaborten untersucht wird, ist eine oft individuelle Entscheidung.

Fehlgeburten lassen sich durch psychotherapeutische Interventionen nicht verhindern

Ähnlich verhält es sich mit den angebotenen therapeutischen Konzepten. Auch hier ist oft weniger mehr, wie die gleiche Arbeitsgruppe darlegt. Stoffwechseleinstellung und Korrekturen von anatomischen Fehlbildungen, etwa Septen, können indiziert sein. Schon hinsichtlich der Therapie von autoimmunen Auffälligkeiten und von Gerinnungsstörungen ist die Empfehlung schwierig. Insbesondere gibt es praktisch keinerlei Belege gerade für die extrem teuren Therapieformen, wie z. B. Immunglobuline. Im Falle von Auffälligkeiten, die auch im weiteren Schwangerschaftsverlauf sowohl für Mutter und Kind erhöhte geburtshilfliche Komplikationen bedingen können, beispielsweise bei einem Antiphospholipidsyndrom, sollte auf die Notwendigkeit einer intensivierten Schwangerschaftsbetreuung auch über das erste Trimenon hinaus hingewiesen werden.

Und die Psyche? Frühschwangerschaft und psychische Faktoren sind von Mythen umgeben wie kaum ein anderer Bereich in der Medizin. Wie Wischmann klar zeigt, lösen psychologische Faktoren nicht ursächlich Fehlgeburten aus. Andererseits ist eine Fehlgeburt ein großer Verlust mit intensiven Trauerprozessen. Hier ist empathische Begleitung geboten, doch eine Prophylaxe von Fehlgeburten durch psychotherapeutische Interventionen gibt es nicht.

Wir wünschen Ihnen viele neue Erkenntnisse und Freude beim Lesen!

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Ruben Kuon

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Thomas Strowitzki