Hintergrund und Fragestellung

Katheterassoziierte Harnwegsinfekte (HWI) stellen Ärzte immer wieder vor neue Herausforderungen. Die Therapie mit einem Antibiotikum stellt zwar das Mittel der Wahl dar [1, 2], kann jedoch mit Nebenwirkungen, einer erhöhten Menge von Antibiotika sowie der Entwicklung multiresistenter Keime einhergehen. Daher besteht zwar der Bedarf an Alternativen zur Antibiotikabehandlung, doch finden Phytotherapeutika selten Verwendung in der täglichen klinischen Praxis. Die Untersuchung wurde mit einem Arzneimittel pflanzlichen Ursprungs durchgeführt, für dessen Einzelbestandteile eine antibiotische Wirkung bereits in den 1950er-Jahren [3,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13,14,15] Untersuchungen vorliegen. Die Kombination zweier Einzelbestandteile liegt in unveränderter Form seit mehreren Dekaden vor, in jüngerer Zeit wurde eine Reihe von Untersuchungen der Wirksamkeit bei verschiedenen entzündlichen Erkrankungen veröffentlicht [16,17,18,19]. Auf Basis dieses Wissens wurde die vorliegende Untersuchung durchgeführt, da der hohe medizinische Bedarf an Antibiotika alternative Therapien dazu veranlasst, weitere Strategien zu evaluieren.

Methodik

Zuordnung der Behandlungsgruppen

Das Forschungsvorhaben wurde der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät Bonn, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität vorgelegt und von dieser am 31.10.2013 mit positivem Votum genehmigt (216/13; NIS 1888). Die Anwendungsbeobachtung wurde monozentrisch im Rehabilitationszentrum Godeshöhe in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Bonn zwischen Januar 2014 und Mai 2016 durchgeführt. Es sollten 100 Patienten ≥18 Jahre beiderlei Geschlechts, die während der stationären Behandlung einen katheterassoziierten HWI entwickelten und ihr Einverständnis erklärten, eingeschlossen werden. Die Patienten wurden wie folgt gruppiert: Patienten, die das pflanzliche Arzneimittel zur Behandlung des Infekts und prophylaktisch über die Dauer der Beobachtung bekamen, bildeten die Monotherapiegruppe (fortlaufend als Monotherapiegruppe bezeichnet). Die Add-on-Gruppe erhielt das Phytotherapeutikum zusätzlich zu Antibiotika zur Behandlung des Infekts und prophylaktisch über die Dauer der Beobachtung (Add-on-Gruppe). In der Antibiotikagruppe wurde der HWI mit Antibiotika allein behandelt, und es erfolgte keine Prophylaxe. Rezidive in der Add-on- oder Antibiotikagruppe wurden mit Antibiotika behandelt. Eine Antibiotikabehandlung in der Monotherapiegruppe führte zum Ausschluss aus der Analyse. In der Gruppe, welche als Monotherapiegruppe behandelt wurde, erhielten Patienten zu unterschiedlichen Zeitpunkten Antibiotika, so dass die Anzahl der Patienten über den Verlauf der Studie sank (s. Attachment Nr. 1).

Beobachtungsverlauf

Die Gesamtbeobachtungsdauer betrug 5 Wochen und umfasste 6 Visiten im Abstand von jeweils 1 Woche (±1 Tag; Abb. 1). Patienten, die zu Beginn der Anwendungsbeobachtung einen akuten Infekt hatten, wurden eingeschlossen. Nach Vorliegen der Einverständniserklärung wurde der HWI nach Ermessen des Arztes therapiert. Die Dosis des pflanzlichen Arzneimittels wurde entsprechend der Fachinformation vom Arzt festgelegt. Erwachsene Patienten erhalten in der Regel 3‑ bis 5‑mal täglich je 4–5 Filmtabletten.

Abb. 1
figure 1

Flowchart: Beobachtungszeitpunkte während der Anwendungsbeobachtung (B-1 bis B‑A entsprechend den Visiten)

Die Mehrheit der Patienten im Kollektiv kann wegen der Grunderkrankung die typischen Beschwerden infolge einer entzündlichen Erkrankung der ableitenden Harnwege (suprapubischer Schmerz, Algurie, Flankenschmerz, Harndrang, häufiges Wasserlassen, Inkontinenz bzw. Dysurie) nicht selbst beurteilen. Daher erfolgte die Untersuchung zur Wirksamkeit und Sicherheit anhand des mikrobiologischen Befunds und der Entzündungsparameter im Blut. Zur Bestimmung wurden im Urin die Keimzahl, das Erregerspektrum und das Resistenzspektrum bestimmt. Daneben wurden die Entzündungsparameter im Blut (CRP, Leukozyten) analysiert. Der Arzt beurteilte ebenso die Wirksamkeit der Therapie und dokumentierte den Antibiotikaverbrauch. Als Sicherheitsparameter wurden Art, Häufigkeit und Schweregrad der unerwünschten Ereignisse (UE) und der unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) neben der Beurteilung der Verträglichkeit der Therapie erhoben.

Urin- und Blutanalyse

Die Urin- und Blutanalysen wurden nicht im Rahmen der Anwendungsbeobachtung vorgegeben, sondern routinemäßig am Zentrum bei Verdacht auf einen HWI durchgeführt. Es wurde die Anzahl von Keimen, Erregerspektrum, Resistenzspektrum, Leukozyten und Nitrit im Urin bestimmt. In Visiten 2–6 wurde die Änderung der Keimzahl im Vergleich zur Vorvisite betrachtet.

Statistik

Es wurden konsekutiv 100 Patienten in die Studie eingeschlossen. Diese Zahl war durch ökonomische Randbedingungen determiniert. Eine Poweranalyse ergibt bei einem Zweigruppenvergleich einer binären Zielgröße, wie dem Auftreten eines Rezidivs, einen aufdeckbaren Unterschied von 40 % zu 80 % bei einem zweiseitigen Signifikanzniveau von 5 % und einer Power von 80 %, wenn die Gruppengröße zumindest n = 30 beträgt. Mit gleichen Gruppengrößen könnten Unterschiede im Mittelwert eines kontinuierlichen, normalverteilten Parameters von 0,736 Standardabweichungen bei gleichem Signifikanzniveau und Power aufgedeckt werden. Kategorielle Daten wurden mit dem exakten Fisher-Test verglichen. Da sich in einer explorativen Datenanalyse teilweise Abweichungen von der Normalverteilung in Untergruppen zeigten und um eine einheitliche Darstellungsweise beizubehalten, wurden für kontinuierliche Variablen generell nichtparametrische Maßzahlen (Median, Quartile) und Tests (Kruskal-Wallis-Test für Dreigruppenvergleiche und Wilcoxon-Test für paarweise Vergleiche) verwendet. Paarweise Vergleiche von Behandlungsgruppen wurden nach dem Closed-testing-Prinzip nach Multiplizität korrigiert, d. h. paarweise Vergleiche wurden nur nach Vorliegen einer Signifikanz für den Dreigruppenvergleich nach Kruskal-Wallis- bzw. exaktem Fisher-Test durchgeführt. Für alle Tests wurde ein zweiseitiges Signifikanzniveau von 5 % verwendet.

Ergebnisse

Patientenanamnese, Aufnahme in Behandlungsgruppen und Vitalparameter

Insgesamt wurden 100 Patienten in die Studie eingeschlossen, von denen 4 Patienten rückwirkend aus der Studie ausgeschlossen wurden, da sie die Einschlusskriterien nicht erfüllten oder als Patienten der Monotherapiegruppe ein Antibiotikum während der ersten Therapiewoche erhielten. Das Kollektiv umfasst querschnittgelähmte Patienten mit neurogener Blasenfunktionsstörung, insgesamt wurden Daten von 96 katheterisierten Patienten mit HWI erhoben. In Tab. 1 sind demographische Daten sowie spezifische Anamnese angegeben.

Tab. 1 Demographische Daten und spezifische Anamnese

Die statistischen Kenngrößen für Alter, Größe und Gewicht wurden stratifiziert innerhalb der einzelnen Behandlungsgruppen von insgesamt 96 Patienten berechnet. Das Alter der Patienten in der Stichprobe betrug im Median (Interquartilabstand) 59,0 (43,0–70) Jahre und war zwischen den Behandlungsgruppen signifikant verschieden (p = 0,015; Kruskal-Wallis-Test). In der Gruppe mit Antibiotikagabe lag der Altersmedian mit 67,0 (56,0–76,0) Jahren höher als in den anderen beiden Behandlungsgruppen Monotherapie (52,0 [41,0–67,0] Jahre, p = 0,008, Wilcoxon-Test) und Add-on-Therapie (55,0 [43,5–65,0] Jahre, p = 0,029 Wilcoxon-Test). Somit besteht bezogen auf das Alter der Patienten eine inhomogene Verteilung. Weitere Inhomogenitäten finden sich nicht. Die Mediane der Größen- und Gewichtsangaben waren in den Behandlungsgruppen nahezu gleich. Die Geschlechterverteilung zwischen den Behandlungsgruppen war gleich (p = 1,000; exakter Fisher-Test).

Die Vitalparameter Blutdruck, Herzfrequenz und Körpertemperatur lagen bei allen Behandlungsgruppen mit einem Median (Interquartilabstand) von 120,0 (110,0–123,5)/70,0 (65,0–80,0) mm Hg, 80,0 (72,0–83,0) Schlägen pro Minute und 36,7 °C (36,5–36,8 °C) im Normbereich. Es lagen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen vor.

In Tab. 2 sind die Vitalparameter stratifiziert nach Behandlungsgruppe dargestellt:

Tab. 2 Vitalparameter stratifiziert nach Behandlungsgruppe

Einsatz von Antibiotika und Mikrobiologie

Im Gegensatz zu unkomplizierten HWI findet sich in dem Patientenkollektiv bei Therapiebeginn ein abweichendes Erregerspektrum. Zusätzlich zu üblichen Erregern wie Escherichia coli (28,1 %) finden sich hier auch Klebsiella pneumoniae (34,4 %) und Pseudomonas aeruginosa (17,7 %; s. Attachment 2). Es erfolgte eine problemadäquate Behandlung mit entsprechenden Antibiotika: Fluorchinolone (50,9 %), ß‑Lactam-Antibiotika (28,1 %), Nitrofuranderivate (10,5 %) sowie Fosfomycin (8,8 %; s. Attachment 3).

Wirksamkeit der Medikation

Der Therapieerfolg wurde bei den Visiten durch den Nachweis von Bakterien im Urin überprüft. Unter reiner Antibiotikatherapie (n = 29) und unter Add-on-Therapie (n = 28) waren 100 % der HWI im Mittel nach 9 Tagen (Antibiotikagruppe) bzw. 10,5 Tagen (Add-on-Gruppe) ausgeheilt. Unter der Monotherapie (b = 39) waren 46,2 % der HWI im Mittel nach 28 Tagen ausgeheilt (Tab. 3). Drei Patienten (7,3 %), die mit Monotherapie behandelt wurden, waren wegen einer Entlassung aus der Klinik frühzeitig ohne geheilten HWI aus der Beobachtung ausgeschieden. Weitere 15 Patienten der Monotherapiegruppe bekamen im Verlauf der Behandlung des ersten akuten HWI zusätzlich ein Antibiotikum verabreicht. Bei 3 Patienten der Monotherapiegruppe war der HWI innerhalb der gesamten Beobachtungsperiode nicht geheilt (s. Attachment 1). Somit verblieben in der Monotherapiegruppe 18 Patienten für weitere Untersuchungen.

Tab. 3 Patientenanzahl pro Therapiegruppe und Häufigkeitsverteilung und Dauer der Heilung des HWI

Rezidivraten im Beobachtungszeitraum in den Behandlungsgruppen

Im Verlauf der Beobachtung entwickelten von den bereits abgeheilten Fällen (75 Patienten) 9 von 18 Patienten (50,0 %) aus der Monotherapiegruppe, 14 von 28 Patienten (50,0 %) aus der Add-on-Gruppe sowie 23 von 29 Patienten (79,3 %) aus der Antibiotikagruppe ein erneutes Rezidiv (Tab. 4). Der Unterschied ist zugunsten der Add-on-Therapie signifikant gegenüber der Antibiotikatherapie (p = 0,028, exakter Fisher-Test). Der Unterschied in den Rezidivraten zwischen Monotherapie und Antibiotikatherapie verfehlte die statistische Signifikanz knapp (p = 0,055, exakter Fisher-Test).

Tab. 4 Rezidivrate innerhalb des Beobachtungszeitraums

Ein zweites Rezidiv wurde bei 2 (7,1 %) Patienten aus der Add-on-Gruppe und 3 (10,3 %) Patienten der Antibiotikagruppe beobachtet. Die Unterschiede sind nicht statistisch signifikant (p = 0,436).

Entzündungsparameter im Blut im Verlauf des Beobachtungszeitraums

Das C‑reaktive Protein (CRP) als ein unspezifischer Marker für eine Entzündung im Körper, gibt Aufschluss über die Schwere der Entzündung und die Wirkung einer antientzündlichen Therapie. Die Mediane des erhobenen CRP sind in Abb. 2a zusammengefasst.

Abb. 2
figure 2

a Mediane und Quartilsabstände der CRP-Werte zu den Visiten B‑1 bis B‑A. b Mediane und Quartilsabstände der Leukozytenzahlen zu den Visiten B‑1 bis B‑A

Veränderte Leukozytenwerte im Blut können auf viele Erkrankungen hindeuten. Im klinischen Alltag dienen sie meist als Hinweis für entzündliche Prozesse. Die Mediane der erhobenen Leukozytenzahlen sind in Abb. 2b angegeben. CRP- und Leukozytenwerte sind in Attachment 4 dargestellt.

CRP (mg/l).

Der Median (Interquartilabstand) des CRP-Wertes war zu Beginn der Beobachtung (Tag 0) in der Antibiotikagruppe am höchsten (17,65 (9,70–57,85) mg/l) und in der Monotherapiegruppe am niedrigsten (5,60 [2,40–19,00] mg/l). Zum Zeitpunkt B‑2, Tag 7 (±1) glichen sich die CRP-Mediane in der Add-on-Gruppe und in der Antibiotikagruppe nahezu an (11,40 [4,60–29,30] mg/l und 13,00 [6,10–24,80] mg/l). Der Median der Monotherapiegruppe lag etwas höher (21,70 [7,70–39,00] mg/l). Zum Zeitpunkt B‑3, Tag 14 (±1) sank der CRP-Median in der Add-on-Gruppe auf 9,40 (3,70–17,80) mg/l, in der Monotherapiegruppe auf 14,00 (5,05–18,60) mg/l. In der Antibiotikagruppe blieb er nahezu gleich mit 12,75 (6,15–4,80) mg/l. Der Referenzbereich für CRP liegt bei <3 mg/l. Wie aus Abb. 2a ersichtlich, konnte der Referenzbereich in keiner Gruppe erreicht werden. Insbesondere in der Gruppe mit reiner Antibiotikagabe waren die Werte mehr als 10-fach höher. Der Verlauf der CRP-Werte belegt, dass in der Monotherapiegruppe eine deutliche antientzündliche Wirkung erzielt wird. Dieser Trend setzte sich über die Dauer der Therapie fort.

Leukozyten (G/l).

Der Median der Leukozytenzahl zu Beginn der Beobachtung (B-1) lag in der Antibiotika-Gruppe mit 7,43 (6,21–9,84) G/l höher als in der Monotherapiegruppe (6,30 [4,94–8,59] G/l) bzw. in der Add-on-Gruppe (6,64 [5,49–8,18] G/l). Im Beobachtungsverlauf zeigen sich keine sichtbaren Trends mit Mediane zwischen der Monotherapiegruppe (6,30 G/l–9,07 G/l), der Add-on-Gruppe (5,40 G/l–8,30 G/l) und der Antibiotikagruppe (6,88 G/l–7,43 G/l). Der Referenzbereich für Leukozyten im Blut liegt zwischen 3,9 und 10,2 G/l. Insgesamt betrachtet liegt die Leukozytenzahl in keiner der Gruppen im erhöhten Bereich.

Bewertung der Verträglichkeit

In die Auswertung zur Verträglichkeit und Sicherheit wurden alle 100 Patienten einbezogen (42 Patienten mit Monotherapie, 29 Patienten mit Add-on-Therapie und 29 Patienten mit Antibiotikatherapie). Diese Beurteilung erfolgte zu jedem Beobachtungszeitpunkt (Tab. 5).

Tab. 5 Beurteilung der Verträglichkeit während des Beobachtungszeitraums

Die Verträglichkeit der Monotherapie wurde durch den beobachtenden Arzt als „sehr gut“ oder „gut“ beurteilt. In einem Fall wurde die Verträglichkeit am Ende der Beobachtung als „mäßig“ angegeben. In der Add-on-Gruppe haben nach Angaben des Arztes 4 Patienten (13,8 %) die Therapie mäßig oder schlecht vertragen. In der Antibiotikagruppe wurde die Verträglichkeit nach Angaben des Arztes bei 2 Patienten (6,9 %) als „mäßig“ bzw. „schlecht“ beurteilt.

Bei der Auswertung der Beurteilung der Verträglichkeit durch den Patienten wurden für das pflanzliche Arzneimittel keinerlei Nachteile gegenüber der Antibiotikatherapie ermittelt.

Bewertung der Arzneimittelsicherheit

Zur Arzneimittelsicherheit wurden in der Stichprobe von 100 Patienten (Patienten, die mindestens bis zur B‑2-Visite beobachtet wurden) bei 33 Patienten (33,0 %) insgesamt 47 UE dokumentiert. Alle UE, bei denen der beobachtende Arzt die Relation zur verordneten Medikation als „gesichert“, „wahrscheinlich“, „möglich“ oder „nicht beurteilbar“ dokumentiert hat, wurden als unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) klassifiziert und ausgewertet. UAW wurden im Zusammenhang mit der Angocin®-Monotherapie (Repha GmbH, Langenhagen) und der Add-on-Therapie bei 9 von 71 Patienten (12,7 %) dokumentiert: 8 Fälle mit Beeinträchtigungen des Gastrointestinaltraktes (Aufstoßen, Blähungen, Diarrhö, Erbrechen, Obstipation, Übelkeit und Übelkeit mit Erbrechen) und ein Fall eines allergischen Hautausschlags (sämtlich bekannte und in der Fachinformation dokumentierte mögliche Nebenwirkungen). Alle unerwünschten Arzneimittelwirkungen waren von leichter Intensität, zumeist von kurzer Dauer und ohne erforderlichen Behandlungsbedarf.

Diskussion

Blasenkatheter stellen ein stark erhöhtes Risiko für Erkrankungen des Harnwegtraktes (Harnröhre, Blase, Harnleiter und ggf. Niere) dar. Daher sind querschnittgelähmte Patienten oft von katheterassoziierten und häufig rezidivierenden HWI betroffen. Eine HWI-Prophylaxe wird gemäß der S2k-Leitlinie der deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegie (Stand 03/2016) empfohlen, wenn häufige fieberhafte (≥2 fieberhafte HWI/Jahr) und rezidivierende HWI vorliegen [20]. Die Datenlage ist jedoch unklar, da weitere an querschnittsgelähmten Patienten erhobene Daten fehlen. Bei Patienten, die entweder mit einem Katheter versorgt werden oder diesen selbst anwenden, kommt es sehr häufig zu Infektionen des unteren Harnwegtraktes mit dem Risiko des Aufsteigens der Infektion und potentiell drohendem Nierenfunktionsverlust. Eine unmittelbare Intervention bei Sicherung des akuten Infekts ist daher die vordringliche klinische Maßnahme. Die Behandlung erfolgt in den meisten Fällen mit Antibiotika, da alternative Therapien fehlen. Eine prophylaktische Gabe erfolgt meist nicht. Da sich jedoch bei intermittierendem Selbstkatheterismus und Dauerkathetern das Risiko der Besiedlung mit Bakterien stark erhöht, ist die Verfügbarkeit einer sicheren und wirksamen Prophylaxe für den Therapeuten wichtig. Vor diesem Hintergrund gewinnen Therapiealternativen zunehmend an Bedeutung, darunter insbesondere auch die Behandlung mit pflanzlichen Arzneimitteln [21,22,23]. Das eingesetzte Arzneimittel verfügt über eine nachgewiesene antibakterielle Wirksamkeit [24,25,26] und spielt bei der Behandlung von entzündlichen Infekten der ableitenden Harnwege im klinischen Alltag eine erhebliche Rolle [3, 16, 17, 27].

Ziel dieser Anwendungsbeobachtung war es, die Wirksamkeit und Sicherheit des pflanzlichen Arzneimittels bei Patienten mit katheterassoziierten HWI zu untersuchen. Dieses wurde dabei als Monotherapie oder als Add-on-Therapie zusätzlich zu einem Antibiotikum eingesetzt und gegen eine reine Antibiotikatherapie bezüglich Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit sowohl bei akuter HWI als auch in der HWI-Prophylaxe verglichen.

Die Heilungsrate einer akuten HWI war in der Monotherapiegruppe deutlich geringer als in der Add-on- bzw. der Antibiotikagruppe. Aussagen zu der Wirksamkeit der Monotherapiegruppe können jedoch nur vorsichtig gemacht werden, da die Patientenzahl in dieser Gruppe gering und somit nur bedingt vergleichbar ist. Der große Anteil an auszuschließenden Patienten kam durch die Verwendung von Antibiotika aus unterschiedlichen Gründen im Verlauf der Behandlung zustande. Um das Kriterium „Monotherapie“ zu erfüllen, mussten diese Patienten ab dem Zeitpunkt der Antibiotikaeinnahme ausgeschlossen werden.

Eine längere Heilungsdauer unter der Monotherapie war zu erwarten, da es aus der Literatur bekannt ist, dass pflanzliche Arzneimittel eine längere Zeit benötigen, um eine optimale Wirkung entfalten zu können. In einer früheren Kohortenstudie bei erwachsenen Patienten mit unkomplizierten HWI war die mittlere Dauer der mit dem pflanzlichen Arzneimittel behandelten HWI 13 Tage [16]. Im Gegensatz dazu war der mit Antibiotika behandelte HWI nach 7,9 Tagen ausgeheilt. HWI bei katheterisierten Patienten gelten als kompliziert und sind somit schwieriger zu behandeln, dies könnte die längere Heilungsdauer von 9 (Antibiotika), 28 (Monotherapie) und 10,5 (Add-on) Tagen in der vorliegenden Anwendungsbeobachtung im Vergleich zur früheren Kohortenstudie erklären. Ein weiterer Einflussfaktor ist die Dauer der Katheterisierung vor der Behandlung. In der Angocin®-Monotherapie war diese Dauer länger als in den anderen Behandlungsgruppen. Ferner wurden die Antibiotika zu Beginn und während der Behandlung spezifisch an die Ergebnisse der Antibiogramme der Patienten angepasst. Dies kann die Effizienz einer erfolgreichen Behandlung in der Antibiotikagruppe signifikant beeinflusst und zu dem Behandlungserfolg von 100 % in dieser Gruppe geführt haben.

Bei diesem speziellen Kollektiv gestaltet sich die Heilung eines akuten HWI durch viele Faktoren komplizierter. Infektionen sind in der Regel langwieriger und die Keimbelastung ist durch die Katheterisierung somit höher. Das Einbringen neuer Keime kann nicht ausgeschlossen werden, dieses kann ein Grund dafür sein, dass viele katheterisierte Patienten unter rezidivierenden HWI leiden. Im Rahmen dieser Anwendungsbeobachtung wurde das pflanzliche Arzneimittel überwiegend in der empfohlenen Standarddosis, die für unkomplizierte akute HWI indiziert ist, verabreicht. Unter Umständen wäre für dieses Kollektiv eine höhere Dosierung notwendig, um eine vergleichbare Heilung einer akuten Episode zu erzielen. Insgesamt waren 89,7 und 85,7 % der Dosierungen, die in den Gruppen Angocin®-Monotherapie (3 × 4 Tabletten: 64,1 %) und Angocin®-Add-on-Therapie (3 × 3 Tabletten: 50,0 %) verwendet wurden, geringer als bzw. gleich der Standarddosierung von 3 × 4 Tabletten pro Tag. Die mögliche therapeutische Dosierung beträgt 5 × 5 Tabletten pro Tag.

In der HWI-Prophylaxe zeigte sich die Add-on-Gruppe überlegen gegenüber der reinen Antibiotikagruppe. Die statistisch signifikant niedrigere Anzahl der Rezidive in der Add-on-Gruppe deutet darauf hin, dass eine prophylaktische Gabe des pflanzlichen Arzneimittels nach Ausheilung des akuten HWI die Rezidivrate senken kann. Die für die prophylaktische Wirksamkeit beobachteten positiven Hinweise sollten in weiteren randomisierten klinischen Studien unter kontrollierten Bedingungen überprüft werden. Da es sich hier um eine Anwendungsbeobachtung handelt, haben die Ergebnisse einen orientierenden Charakter. Bei einer Anwendungsbeobachtung muss man von gewissen Einschränkungen ausgehen, bedingt z. B. durch fehlende Randomisierung bzw. keine spezifische Vorgabe der Behandlung. Da die Behandlung vollständig im Ermessen des Arztes liegt, ist eine spätere Einteilung in Gruppen nur unter Einschränkungen möglich.

Das pflanzliche Arzneimittel wurde in den meisten Fällen sowohl vom Arzt als auch von den Patienten als sehr gut verträglich bewertet. Die Sicherheitsbewertung zeigt keine relevanten Ereignisse. Die beobachteten Nebenwirkungen entsprechen den bekannten Nebenwirkungen und betreffen überwiegend den Magen-Darm-Trakt. Schwerwiegende Nebenwirkungen des pflanzlichen Arzneimittels wurden nicht beobachtet.

Limitationen

Durch die frei vom Arzt gewählte Zuweisung der Patienten auf eine der drei Behandlungsgruppen und die nicht vorgegebene Dosierung sowie die fehlenden Rahmenbedingungen sind die Ergebnisse möglicherweise nicht trennscharf. Um die geforderten Gegebenheiten einer auch regulatorisch einwandfreien Studie zu erfüllen, ist bereits eine kontrollierte klinische Studie in Vorbereitung.

Ausblick

Die Ergebnisse dieser Beobachtungsstudie zeigen einen klaren Vorteil der Add-on-Therapie mit dem pflanzlichen Arzneimittel, dessen Wirksamkeit und Verträglichkeit bereits in der Vergangenheit durchgeführten kontrollierten klinischen Prüfungen bei chronisch-rezidivierenden HWI belegt wurde [17]. Das Patientenkollektiv, das aufgrund verschiedener Erkrankungen einen Katheter verwenden muss bzw. einen sterilen Selbstkatheterismus ausführt, leidet häufig an wiederkehrenden HWI. Für diese Patienten fehlt eine Therapiealternative, die für den behandelnden Arzt eine sichere und effektive Option darstellt. Wegen der steigenden Resistenzlage und dem Wunsch, in geringem Maß häufig wiederkehrend oder dauerhaft Antibiotika einzusetzen, werden weitere valide Daten erhoben, um für das vulnerable Patientenkollektiv mit katheterassoziierten HWI eine rationale und langfristige Therapie zu ermöglichen.

Fazit für die Praxis

  • In dieser Anwendungsbeobachtung wurden die Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit des pflanzlichen Arzneimittels bei Patienten mit katheterassoziierten HWI unter den spezifischen Bedingungen des Rehabilitationszentrums Godeshöhe dokumentiert.

  • Die Sicherheit und gute Verträglichkeit wurden in einem spezifischen Patientenkollektiv verifiziert. Für die Wirksamkeit gibt es positive Hinweise, die in weiteren randomisierten, kontrollierten klinischen Studien erhärtet werden sollen.

  • Die prophylaktische Gabe des pflanzlichen Arzneimittels in der Add-on-Gruppe führte zu signifikant weniger Rezidiven im Beobachtungszeitraum. Ein vergleichbarer Effekt war in der Monotherapiegruppe, augenscheinlich wegen der geringen Zahl auswertbarer Patienten, nicht signifikant. Für alle anderen Parameter war die Kombinationsbehandlung mit dem pflanzlichen Arzneimittel mit der reinen Antibiotikatherapie vergleichbar.

  • Der Einsatz des pflanzlichen Arzneimittels bei katheterassoziierten Infektionen könnte der erhöhten Resistenzentwicklung entgegenwirken.