Zusammenfassung
Hintergrund
Früherkennungsuntersuchungen finden von der Geburt bis zum 6. Lebensjahr statt. Die Jugendvorsorgeuntersuchungen sind eine Fortsetzung der Vorsorgeuntersuchungen der U‑Reihe und sollten zwischen dem 12. und 15. bzw. 16. und 17. Lebensjahr durchgeführt werden. Pubertierende Mädchen haben anschließend eine gute gynäkologische Anbindung, Jungen hingegen haben meist keinen ärztlichen Ansprechpartner, der vertrauensvoll zur Seite steht.
Material und Methoden
Zur Evaluierung des Wissensstandes „Jungengesundheit“ wurde an 7 Gymnasien in NRW zu drei festgelegten Zeitpunkten (vor, unmittelbar nach und ca. 3 Monate nach spezifischem Unterricht) eine 15 Item umfassende Wissenserhebung bei den Schülerinnen und Schülern der 9. Klasse durchgeführt. Nur vollständig ausgefüllte Fragebögen wurden analysiert und geschlechtsspezifisch ausgewertet.
Ergebnisse
459 Schüler und Schülerinnen nahmen von März bis September 2017 teil. Vor spezifischem Unterricht wurde rund die Hälfte aller Fragen von der Schülerschaft richtig beantwortet. Unmittelbar nach dem Unterricht steigerte sich dieser Anteil um den Faktor 1,5 auf insgesamt 79,24 %. 2 bis 3 Monate nach dem Unterricht betrug der prozentuale Anteil korrekt beantworteter Fragen 69,67 %. Geschlechtergetrennt betrachtet ergibt sich eine Wissenssteigerung von 15,32 % bei den Schülerinnen und 16,99 % bei den Schülern.
Schlussfolgerung
Die Wissenserhebung deckt einen Nachholbedarf zum Thema Jungengesundheit auf. Trotz Nachweis eines Wissenszuwachses beider Geschlechter nach spezifischem Unterricht liegt eine Geschlechterkluft vor. Vor diesem Hintergrund sollte eine Vorsorgeuntersuchung speziell für Jungen etabliert und angeboten werden. Themen wie die Prävention von sexuell übertragbaren Erkrankungen, Optionen zur Impfung gegen HPV etc. sollten aktiv thematisiert werden.
Abstract
Background
Early detection examinations take place from birth to the age of 6 years. The youth screening is a continuation of the screening of the “U-series” and should be carried out between the age of 12–15 and 16–17, respectively. Afterwards adolescent girls have good contact with a gynecologist, but adolescent boys usually do not have a medical contact person who they can trust in.
Materials and methods
To evaluate the state of knowledge on boys’ health, a 15-item comprehensive knowledge survey was conducted among ninth grade students at 7 secondary schools (Gymnasien) in North Rhine–Westphalia. The knowledge survey took place at three specified times (before, immediately after and approximately 3 months after adolescent sexual education classes). Only completed questionnaires were analyzed and evaluated in a gender-specific manner.
Results
Overall, 459 students participated from March–September 2017. Before sexual education instruction, about half of all questions were answered correctly by the students. Immediately after class, the proportion increased by a factor of 1.5 to a total of 79.24%. Then 2–3 months after the class, the percentage was 69.67%. Considering gender separately, this resulted in an increase of 15.32% for the female students and 16.99% for the male students.
Conclusion
The knowledge survey reveals a need to catch up on facts on the subject of boys’ health. Despite evidence of an increase in knowledge of both sexes after sexual education instruction, there is a gender gap. Hence, a preventive check-up especially for boys should be established and offered. Issues such as the prevention of sexually transmitted diseases, options for vaccination against human papillomavirus, etc. should be actively addressed.
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S. Grundl, J. Kranz, J. Rosellen, C. Steffens und J. Steffens geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Grundl, S., Kranz, J., Rosellen, J. et al. Wissenserhebung zum Thema Jungengesundheit – zwischen Geschlechterkluft und Nachholbedarf. Urologe 57, 1222–1229 (2018). https://doi.org/10.1007/s00120-018-0649-8
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00120-018-0649-8