Klinische Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen der wiederholten Gabe Gadolinium(Gd)-haltiger Kontrastmittel und einer erhöhten Signalintensität auf nativen, T1-gewichteten Aufnahmen in bestimmten Hirnarealen. Nach einem evidenzbasierten Risikobewertungsverfahren hat die Europäische Kommission im November 2017 die weitere Anwendung von makrozyklischen Kontrastmitteln bestätigt und den Gebrauch von linearen Kontrastmitteln, mit Ausnahme der Leberbildgebung mit Gadoxetsäure (Primovist®) und Gadobensäure (MultiHance®) sowie der intraartikulären Anwendung von Gadopentetsäure (Magnevist®), untersagt. Es gibt derzeit keine Evidenz, dass Gadolinium im Gehirn bei Patienten Schäden verursacht.

Seit 30 Jahren sind Gadolinium-haltige MR-Kontrastmittel (KM) aus der Diagnostik nicht wegzudenken und haben weltweit in mehr als 500 Mio. Anwendungen ihre klinische Bedeutung, sowohl für den Patienten als auch für den Radiologen, belegt. Durch ihre gute allgemeine Verträglichkeit gelten Gd-haltige MR-Kontrastmittel als sehr sichere Arzneimittel.

Im November 2017 hat die Europäische Kommission (EK), einer Empfehlung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) folgend, den Einsatz einiger Gd-haltiger KM innerhalb der EU untersagt (Tab. 1). Das Ruhen der Zulassung betrifft die linearen KM Gadopentetsäure (Magnevist®), Gadodiamid (Omniscan™), Gadoversetamid (Optimark®) und Gadobensäure (MultiHance®) für alle Anwendungen mit Ausnahme der Leberindikation von Gadobensäure und der intraartikulären Anwendung von Gadopentetsäure. Im Gegensatz dazu haben die Zulassungen des linearen leberspezifischen KM Gadoxetsäure (Primovist®) sowie aller makrozyklischen KM (Gadotersäure [Dotarem®], Gadobutrol [Gadovist®] und Gadoteridol [ProHance®]) weiterhin uneingeschränkt Bestand. Für die Bundesrepublik Deutschland hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) das Ruhen der Zulassungen am 28. Februar 2018 umgesetzt.

Tab. 1 Übersicht des Durchführungsbeschlusses der Europäischen Kommission für die in der EU zugelassenen Gd-haltigen Kontrastmittel

Kanda et al. [1] stellten erstmalig Ende 2013 einen Zusammenhang zwischen erhöhten Signalintensitäten (SI) in bestimmten Hirnarealen (Nucleus dentatus und Globus pallidus) und der wiederholten Gabe Gd-haltiger KM her. In zahlreichen weiteren Publikationen wurden diese Beobachtungen bestätigt und deutliche Unterschiede zwischen den Substanzklassen der linearen und der makrozyklischen KM belegt, jedoch ist die klinische Relevanz der beschriebenen Befunde bis zum heutigen Zeitpunkt unklar.

Die EMA/EK bezeichnet daher ihre Entscheidung im Nov 2017 auch als (aus dem Vorsorgeprinzip folgende) „precautionary measure“ und betont, dass derzeit keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Patienten im Zusammenhang mit der Anwendung von linearen oder makrozyklischen KM bekannt seien.

Gesundheitsbehörden, wie z. B. die US-amerikanische (FDA), kanadische (HC) oder die japanische (PMDA), haben andere Schlussfolgerungen als die EMA/EK getroffen. Es wurden ausführlichere Ergänzungen der Packungsbeilagen eingeführt. In Japan wurden die linearen KM als „second line option“ deklariert. In den USA wurden klinische und präklinische Studien initiiert. Der grundsätzliche Nutzen aller Gd-haltigen KM wird allerdings nicht in Frage gestellt. Daher ist der Anwendungsbereich (Indikationen) der linearen KM bis dato nicht eingeschränkt.

Die Gründe, die zu diesen weitreichenden Beschlüssen der EK und den daraus resultierenden Gebrauchsänderungen geführt haben, werden nachfolgend diskutiert.

Klinische Beobachtungen

Bildgebungsstudien

Erhöhte Signalintensitäten (SI) in bestimmten Hirnregionen, wie Nucleus dentatus (ND) und Globus pallidus (GP) auf nativen, T1-gewichteten (T1w) MR-Aufnahmen werden seit Langem beobachtet. In der Vergangenheit wurden diese mit Erkrankungen, wie multipler Sklerose (MS) oder Stoffwechselstörungen (Eisen- oder Manganablagerungen), Leberdysfunktion oder als Folge von Strahlentherapie in Verbindung gebracht und erklärt. Seit der Veröffentlichung von Kanda et al. [1] wurden zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen initiiert, um genauer zu untersuchen, ob der Effekt für alle KM gleichermaßen zu beobachten ist und inwieweit auch andere Faktoren für das Phänomen zumindest mit verantwortlich sind.

Mittlerweile (Stand: Okt 2018) werden in mehr als 50 klinische Publikationen erhöhte SI-Werte insbesondere nach wiederholter intravenöser Gabe linearer KM beschrieben. Fast alle Studien sind retrospektiv und haben entsprechende Limitationen, wie z. B. die nicht lückenlos dokumentierte Patientenhistorie, frühere KM-Gaben, Unterschiede in der MR-Bildakquise (Hersteller, Feldstärke, Sequenzen usw.).

In alle Studien mit linearen KM wird eine sichtbare SI-Erhöhung im ND und GP berichtet, vorausgesetzt, eine Gesamtdosis von etwa 5–6 Standarddosis-Applikationen (0,1 mmol Gd/kg) wurde überschritten (Abb. 1; [1,2,3,4,5]). Unterschiede innerhalb der linearen KM, die für die breite Anwendung (ZNS, Ganzkörper) zugelassen waren, sind nicht festzustellen. Für Gadoxetsäure (Primovist®), ein leberspezifisches, ionisch lineares KM, das in einer 75 % geringeren Dosis (≙0,025 mmol Gd/kg) als alle anderen KM (Ausnahme Leberbildgebung mit Gadobensäure [MultiHance®]; 0,05 mmol Gd/kg) appliziert wird, existieren derzeit drei klinische Studien. Zwei dieser Studien zeigen keine SI-Zunahme im ND nach bis zu 15 oder 18 Applikationen [6, 7]. Eine dritte Studie berichtet über eine SI-Erhöhung im ND bei Patienten, die 11–37 Injektionen erhielten, während bei Patienten mit weniger als 10 Gadoxetsäure (Primovist®) Injektionen keine erhöhte SI beobachtet wurde [8].

Abb. 1
figure 1

Zunahme der Signalintensität auf nativen T1w-Aufnahmen im Nucleus dentatus nach Verabreichung von linearen Gd-haltigen MR-Kontrastmitteln (a–d), jedoch nicht nach der Gabe makrozyklischer Kontrastmittel (e–h). a, b Native T1w-Aufnahmen vor (a) und nach (b) dem 6. Scan mit Gadopentetsäure (Magnevist®). c, d Native T1w-Aufnahmen vor (c) und nach (d) dem 16. Scan mit Gadobensäure (MultiHance®). e, f Native T1w-Aufnahmen vor (e) und nach (f) dem 19. Scan mit Gadobutrol (Gadovist®). g, h Native T1w-Aufnahmen vor (g) und nach (h) dem 6. Scan mit Gadotersäure (Dotarem®). (a, b, g, h Aus [2]. c–f Aus [3] mit freundlicher Genehmigung)

In mehr als 24 klinischen Studien, überwiegend mit den Makrozyklen Gadotersäure (Dotarem®) und Gadobutrol (Gadovist®), wurde weder eine sichtbare noch eine statistisch signifikant messbare SI-Erhöhung im Gehirn von Patienten, teilweise nach bis zu 50 Injektionen berichtet [3, 9,10,11]. In 4 Studien werden Effekte nach Makrozyklen dargestellt [12,13,14,15]. Zwei Studien davon messen für einen Teil der Patienten eine erhöhte SI, jedoch waren diese auf den MR-Aufnahmen nicht sichtbar [12, 13]. Diese Publikationen haben deutliche Limitationen, die auch öffentlich kontrovers diskutiert wurden. Die Befunde sind daher nicht allgemein akzeptiert [16,17,18,19,20,21].

Ergebnisse aus Untersuchungen von Gewebeproben aus Autopsien

Neben den MR-Studien sind bis heute 8 „Gewebestudien“ veröffentlicht worden, welche Gd-Konzentrationen mittels massenspektroskopischer Messung im Hirngewebe verstorbener Patienten untersucht haben [22,23,24,25,26,27,28,29]. Die Aussagekraft der Studien ist zum einen aufgrund der sehr geringen Patientenzahlen, zum anderen durch fehlende Vergleichbarkeit (z. B. unterschiedliche Zeitintervalle zwischen letzter KM-Gabe und Biopsie-Gewinnung) limitiert, zumindest was quantitative Vergleiche anbelangt. Aus den Gd-Konzentrationsbestimmungen geht hervor, dass minimale Gd-Mengen im Hirngewebe nach Gabe aller KM zu detektieren waren. Grundsätzlich scheinen die Gd-Konzentrationen nach Gabe linearer KM höher zu sein, wobei die gemessenen Gd-Konzentrationen im Gehirn zu gering sind, um die SI-Anstiege zu erklären.

Wenige Studien untersuchten Gd-Konzentrationen in anderen Organen, vorzugsweise in Haut und Knochen [26, 30,31,32]. Murata et al. [26] veröffentlichte postmortale Gd-Konzentrationen im Knochen bei 8 Patienten, welche lineare und makrozyklische KM erhielten. Die gemessenen Gd-Konzentrationen bei allen Patienten waren um ein Mehrfaches höher als die Konzentrationen im Gehirn. Da das Zeitintervall zwischen KM-Gabe und Gewebe-Entnahme stark variiert, ist kein quantitativer Vergleich der Gd-Konzentrationen zwischen den verschiedenen KM möglich. Des Weiteren können vorherige KM-Gaben nicht ausgeschlossen werden.

Letztlich ist jedoch davon auszugehen, dass Spuren von Gd nach der Gabe aller Gd-haltigen KM sowohl im Gehirn als auch in anderen Organen (Knochen, Haut) z. T. auch Jahre nach der letzten bekannten KM-Gabe detektierbar sein können. Dies deutet auf eine sehr langsame Gd-Ausscheidung oder eine mögliche Einlagerung von Gd in veränderter Form hin.

Auch in diesen Studien wurde jedoch kein Zusammenhang zwischen klinischen Symptomen, erhöhten SI und den Gd-Werten in verschiedenen Hirnarealen oder anderen Organen berichtet.

Stabilitätsunterschiede der Gd-haltigen KM als Ursache für erhöhte SI?

Mehrere klinische Veröffentlichungen weisen darauf hin, dass Unterschiede in der Stabilität der Gd-haltigen KM die erhöhten SI im Gehirn erklären könnten. Präklinische Studien unterstützen diese Annahme.

Die Stabilität der Gd-Komplexe ist abhängig von ihrer chemischen Struktur. Sie lassen sich in makrozyklische, von DOTA (1,4,7,10-Tetraazacyclododecantetraessigsäure) abgeleitete Komplexe und lineare, von DTPA (Diethylentriaminpentaessigsäure) abgeleitete Komplexe einteilen. Sie sind entweder ungeladen, wodurch neutrale Komplexe entstehen, oder der Gd-Komplex trägt 1–3 negative Ladungen, wodurch ionische Komplexe gebildet werden.

Zwei Parameter beschreiben die Stabilität der Komplexe: die thermodynamische Stabilität des Komplexes und die kinetische Stabilität, welche die Kinetik der Gd-Freisetzung unter physiologischen Bedingungen beschreibt.

Makrozyklische KM sind unter physiologischen Bedingungen kinetisch inert, d. h. keine messbaren Gd-Mengen werden freigesetzt. Grund dafür ist die Struktur des Moleküls, d. h. das Gd3+-Ion wird in einer Art Käfig festgehalten (Abb. 2). Dadurch ist eine mögliche Freisetzung von Gd, unabhängig von der thermodynamischen Stabilität der Makrozyklen, extrem langsam und unter physiologischen Bedingungen in vivo nicht relevant [34].

Abb. 2
figure 2

Freisetzung von Gadolinium aus dem Gd-Komplex in Humanserum. a = gemessen in humanen Serum bei 37 °C (Aus [33] mit freundlicher Genehmigung)

Um die Stabilität der linearen KM zu beschreiben, ist die thermodynamische Stabilitätskonstante der wichtigere Parameter. Die thermodynamischen Stabilitätskonstanten beschreiben das Gleichgewicht zwischen der Konzentration des Gd-Komplexes auf der einen und der Konzentration des freien Gd3+-Ions und des freien Liganden auf der anderen Seite. Ein ionisch linearer Gd-Komplex hat eine stärkere Bindung des Gd3+-Ions als ein neutraler, also ein nichtionisch linearer Gd-Komplex. Lineare KM sind deutlich instabiler als makrozyklische KM, d. h. ein Gleichgewicht kann innerhalb weniger Minuten bis Stunden erreicht werden.

Die thermodynamischen Stabilitätskonstanten können angesichts der extrem langen Trennungshalbwertzeit (extrapoliert >1000 Jahre bei pH 7,4) bei makrozyklischen KM vernachlässigt werden. Unter Berücksichtigung beider Parameter, der thermodynamischen und kinetischen Stabilität, lässt sich folgende Rangfolge der Stabilität von Gd-haltigen KM unter physiologischen Bedingungen aufstellen: makrozyklische KM > ionisch lineare KM > nichtionisch lineare KM.

Präklinische Ergebnisse

Für das Verständnis der vorliegenden Befunde aus den Bildgebungs- und „Gewebestudien“ sind folgende Punkte von besonderer Bedeutung:

  • Hat die Nierenfunktion einen Einfluss auf die erhöhten SI- und Gd-Werte?

  • Wie gelangen Gd-haltige KM nach i.v.-Injektion ins Gehirn?

  • In welcher molekularen Form liegt Gd im Gehirn vor?

  • Führt Gd im Gehirn zu histopathologischen Veränderungen?

  • Bleiben die Gd-Konzentrationen konstant, oder nehmen sie im Lauf der Zeit ab?

Um mögliche Effekte, die mit der Gabe Gd-haltiger KM assoziiert werden, untersuchen zu können, wurden zahlreiche in vitro und in vivo Modelle etabliert. Bereits bei der Aufklärung der Ätiologie der nephrogenen systemischen Fibrose (NSF) waren die Ergebnisse aus tierexperimentellen Untersuchungen entscheidend zum besseren Verständnis der Ursachen und Zusammenhänge [35].

Reproduktion der Bildbefunde im Tiermodell

Erhöhte SI im Gehirn ausschließlich nach Gabe linearer Kontrastmittel

Schwerpunkt der ersten präklinischen Studien waren T1w MRT-Untersuchungen an Ratten, um die Reproduzierbarkeit der Befunde am Patienten im Tiermodell zu überprüfen. Insgesamt haben vier präklinische Studien einheitlich zeigen können, dass ausschließlich nach wiederholter Gabe linearer KM erhöhte SI im Gehirn gefunden wurden [36,37,38,39]. Für die Makrozyklen Gadobutrol (Gadovist®), Gadoteridol (ProHance®) oder Gadotersäure (Dotarem®) konnte das nicht gezeigt werden. In einer weiteren Studie wurden die Versuchstiere bis 1 Jahr nach letztmaliger KM-Gabe untersucht. In der T1w MRT wurde durchgängig und unverändert, über den gesamten Untersuchungszeitraum erhöhte SI in den tiefen zerebralen Kernen für Gadodiamid (Omniscan™), Gadopentetsäure (Magnevist®) und Gadobensäure (MultiHance®) gefunden, jedoch nicht für die Makrozyklen, wie Gadobutrol (Gadovist®), Gadoteridol (ProHance®) oder Gadotersäure (Dotarem®; Abb. 3; [40]). Die gleiche Studie wurde mit Gadodiamid (Omniscan™) und Gadotersäure (Dotarem®) durchgeführt, wobei ausschließlich Gadodiamid (Omniscan™) bis ein Jahr nach letzter Injektion einen persistenten Ansteig der SI auswies [41].

Abb. 3
figure 3

T1w MR-Aufnahmen des Kleinhirns mit den zerebellaren Nuklei zu verschiedenen Zeitpunkten (5, 26, 52 Wochen p.i.). Weiße Pfeile SI-Erhöhung. (Aus [40] mit freundlicher Genehmigung)

Kontrovers zu diesen Studien ist eine präklinische Untersuchung von McDonald et al. Hier wurde 3 Tage nach letzter Injektion erhöhte SI nach Gadodiamid (Omniscan™) und Gadobensäure (MultiHance®), aber auch – in geringerem Maße – nach Gadobutrol (Gadovist®) ermittelt [42]. Aus den vorgestellten Daten und technischen Details ihrer Generierung muss die Validität der Daten jedoch infrage gestellt werden [43, 44]. Beispielhaft sei erwähnt, dass nicht im tiefen zerebellaren Nuklei des Gehirns, sondern ein Bereich im 4. Ventrikel (Plexus choroideus) gemessen wurde [44].

Hat die Nierenfunktion einen Einfluss auf die erhöhten SI und Gd-Werte?

Rasschaert et al. führten MRT-Untersuchungen an 5/6 nephrektomierten Ratten durch. Nach Gabe von Gadodiamid (Omniscan™) waren die SI im Gehirn und die Gd-Konzentrationen in allen Geweben signifikant höher in Tieren mit eingeschränkter Nierenfunktion im Vergleich zur Kontrolle [45]. In Mäusen mit eingeschränkter Nierenfunktion wurden nach Gadodiamid (Omniscan™) erhöhte Gd-Konzentrationen nur zu frühen Zeitpunkten (3 Tage p.i.) in Leber, Knochen, Milz und Haut gemessen, jedoch nicht im Gehirn. Zu späten Zeitpunkten (45 Tage p.i.) waren die Konzentrationen der niereninsuffizienten und der gesunden Tiere wieder auf gleichem Niveau. Für Gadotersäure (Dotarem®) waren die gemessenen Konzentrationen deutlich geringer. Unterschiede zwischen nierengesunden und kranken Tieren konnten, mit Ausnahme einer höheren Gd-Konzentration in der Leber, nicht nachgewiesen werden [46].

Wie gelangen Gd-haltige KM nach i.v.-Injektion ins Gehirn?

Lange galt die Annahme, dass Gd-haltige KM bei intakter Blut-Hirn-Schranke nicht in den interzellulären Raum des Gehirns gelangen können. Im Tierexperiment wurde diese Fragestellung untersucht [47]. Für alle KM wurde eine vergleichbare Verteilungskinetik in die mit Zerebrospinalflüssigkeit (CSF) gefüllten Räume beobachtet. Zum frühen Zeitpunkt waren die Gd-Konzentrationen in der CSF deutlich höher als im Blut, jedoch nach 24 h aus der CSF fast vollständig ausgeschieden. Alle Gd-haltigen KM, unabhängig von ihrer chemischen Struktur oder physikochemischen Eigenschaft, gelangen nach i.v.-Gabe über die Gefäßgeflechte in den Ventrikeln (Plexus choroideus) in die mit CSF gefüllten Räume, verteilen sich in den Ventrikeln weiter in den subarachnoidalen Raum und mit der CSF über den Robin-Virchow-Raum in das Gehirn. Das glymphatische System, ein hirnweites Netzwerk, dessen Funktion die Ausscheidung von Metaboliten und Schadstoffen aus dem Gehirn ist, hat einen weiteren Einfluss auf die Verteilung und Ausscheidung der Gd-haltigen KM im Gehirn [48, 49]. In einer tierexperimentellen Studie wurde gezeigt, dass eine Blut-Hirn-Schranken-Störung, wie sie bei intrakraniellen Tumoren auftritt, zu keiner Erhöhung der SI im ND führt [50].

In welcher molekularen Form liegt Gd im Gehirn vor?

Gd-haltige KM sind sehr gut wasserlöslich und werden sehr schnell aus dem Körper ausgeschieden. In Ratten wurden nach Applikation von Gadobutrol (Gadovist®), Gadotersäure (Dotarem®), Gadopentetsäure (Magnevist®), Gadobensäure (MultiHance®) und Gadodiamid (Omniscan™) 3 Tage bzw. 24 Tage nach der letzter Injektion die Gehirne der Versuchstiere homogenisiert, fraktioniert und anschließend chromatographisch untersucht (Abb. 4). Zu beiden Zeitpunkten waren nur noch Gd-Spuren der injizierten Dosis nachweisbar. Makrozyklen lagen ausschließlich in der löslichen Fraktion vor und wurden als intakter Gd-Komplex detektiert. Im Gegensatz dazu wurde bei allen, mit linearen KM behandelten Tieren Gd auch in der unlöslichen Gewebefraktion gefunden, vermutlich in Form von Gd-Phosphat. In der löslichen Fraktion wurden zwei Spezies identifiziert. Neben dem intakten Gd-Komplex wurde zusätzlich für alle linearen KM, Gd detektiert, welches an Makromoleküle gebunden ist. Dieses an Makromoleküle gebundene Gd ist die Ursache für die erhöhte SI im Gehirn nach Gabe linearer KM [51].

Abb. 4
figure 4

Gadolinium-spezifische Chromatogramme von Kleinhirnhomogenaten von Ratten, 3 und 24 Tage nach Gabe linearer und makrozyklischer Kontrastmittel. *Geringere Peakfläche durch schnellere Eliminierung von Gadobensäure (MultiHance®) wegen hepatobiliärer Ausscheidung, die bei Ratten etwa 50 %, beim Menschen aber nur 3–5 % beträgt. Gd Gadolinium, GPC Gel Permeation Chromatography. (Aus [51] mit freundlicher Genehmigung)

Führt Gd im Gehirn zu histopathologischen Veränderungen?

Lohrke et al. haben in ihrer Studie nach mehrmaligen Injektionen von Gadodiamid (Omniscan™) massive Hautveränderungen festgestellt, welche histopathologisch als NSF eingestuft wurden. In den Gehirnen wurden bei allen Tieren, auch bei den Tieren mit Hautveränderungen, keinerlei Befunde festgestellt [52]. In einer weiteren Studie wurden die Tiere 20 Wochen nach der letzten KM-Gabe von Gadodiamid (Omniscan™) untersucht. Auch hier konnten keine histologischen Veränderungen in den Gehirnen detektiert werden [53].

Bleiben die Gd-Konzentrationen konstant?

Von Bedeutung ist sicherlich auch, wie lange ggf. Spuren der KM im Körper und seinen Organe verbleiben bzw. ob diese langsam aber vollständig ausgeschieden werden. Nach 8 Injektionen (jeweils äquivalent zur Dreifachdosis beim Menschen) wurden die höchsten Gd-Konzentrationen im Kleinhirn nach Gabe von Gadodiamid (Omniscan™) gemessen (Abb. 5; [40]). Die Konzentrationen für Gadopentetsäure (Magnevist®) und Gadobensäure (MultiHance®) sind vergleichbar, aber für beide Substanzen deutlich niedriger als für Gadodiamid (Omniscan™). Bei den Makrozyklen waren die Gd-Konzentrationen auf einem deutlich niedrigeren Niveau (ca. 40-mal geringer). Bemerkenswert ist, dass für mindestens 1 Jahr nach der Gabe linearer KM die gemessenen Gd-Konzentrationen im Kleinhirn nahezu konstant bleiben und ab ca. 5 Wochen nach der letzten KM-Gabe keine weitere Elimination mehr erfolgt. Für Makrozyklen zeigt sich während des gesamten Beobachtungszeitraums eine kontinuierliche Elimination.

Abb. 5
figure 5

Gadolinium-Konzentrationen vom Rattenkleinhirn, bestimmt durch ICP-MS (Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma). (Aus [40] mit freundlicher Genehmigung)

Mit der Kombination von Laserablation und Massenspektrometrie lassen sich auf histologischen Schnitten die Gd-Verteilung auch (semi)quantitativ darstellen. 52 Wochen nach Gabe linearer KM (Gadodiamid [Omniscan™], Gadobensäure [MulitHance®] und Gadopentetsäure [Magnevist®]) wurden relevante Konzentrationen von Gd, sehr spezifisch lokalisiert in den tiefen zerebralen Kernen und im Stratum granulosum nachgewiesen. Für Makrozyklen wurde kein spezifisches Trapping gefunden, und die Konzentrationen waren um ein Vielfaches geringer (Abb. 6; [40]).

Abb. 6
figure 6

Gadolinium-Verteilung im Gehirn von Ratten 52 Wochen nach letzter Kontrastmittel-Injektion. (Aus [40] mit freundlicher Genehmigung)

Zusammenfassend wurden in Tierstudien folgende wichtige Erkenntnisse gewonnen:

  • Ein potenzieller Eintrittsweg Gd-haltiger KM aus dem Blut in das Gehirn ist der Liquor (CSF).

  • Erhöhte SI in verschiedenen (tiefen) Hirnarealen wurde ausschließlich nach der wiederholten Gabe linearer KM beobachtet, jedoch nicht nach Makrozyklen.

  • Geringe Mengen an Gd können noch 5 Wochen nach letzter Injektion aller Gd-haltiger KM nachgewiesen werden, jedoch ist die Konzentration im Gehirn bei den linearen deutlich höher als die bei den Makrozyklen.

  • Die Gd-Konzentrationen nach Gabe linearer KM bleiben über einen Beobachtungszeitraum von 5–52 Wochen nahezu konstant. Dagegen ist für makrozyklische KM eine kontinuierliche Abnahme zu erkennen.

  • Die Stabilität des Gd-Komplexes spielt eine entscheidende Rolle. Nach Gabe lineare KM wird ein sehr kleiner Teil des Gd in vivo freigesetzt und bindet an Makromoleküle im Gehirn, welche bisher noch nicht weiter charakterisiert wurden. Diese Bindung von Gd an Makromoleküle ist letztendlich die Ursache, dass sehr kleine Mengen von Gd zu einem sichtbaren SI-Anstieg in den Kerngebieten führen.

  • Bis jetzt wurden keine histopathologischen Veränderungen im Gehirn nachgewiesen. Dies wiederum stellt den großen Unterschied zur NSF dar, wo Gd-Ablagerungen in Organen, insbesondere der Haut, zu massiven histopathologischen Veränderungen, wie Inflammation und letztendlich Fibrose führte.

Der klinische Nutzen von Gd-haltiger KM ist seit Jahrzehnten unumstritten. Ob die seit Mitte 2013 berichteten erhöhten SI- und Gd-Werte eine klinische Relevanz haben, ist unbekannt. Die Gesundheitsbehörden haben die vorliegenden Daten unterschiedlich bewertet. Die EK ist den Empfehlungen der EMA gefolgt und hat als Vorsichtsmaßnahme den weiteren Gebrauch der linearen KM, mit Ausnahme der Leberbildgebung mit Gadoxetsäure (Primovist®) und Gadobensäure (MultiHance®) sowie der intraartikulären Anwendung von Gadopentetsäure (Magnevist®) untersagt. Der Gebrauch der makrozyklischen KM ist weiterhin uneingeschränkt möglich. Die meisten anderen Gesundheitsbehörden haben die Hersteller aufgefordert, entsprechende Warnhinweise in den Packungsbeilagen zu ergänzen, die US-amerikanische FDA fordert weitere präklinische und klinische Studien.

Sonstige unspezifische Symptome

Neben den Berichten über Gd im Gehirn und anderen Geweben sowie bildbasierten Befunden von erhöhten SI in bestimmten Hirnarealen nach wiederholter Gabe linearer KM, gibt es Diskussionen um einen Aspekt, der davon deutlich unterschieden werden muss.

In letzter Zeit häufen sich Berichte von Patienten, bei denen noch lange nach einer KM-verstärkten MR-Untersuchung, Gd im Urin, Serum, Haaren und Fingernägeln gefunden wurde. Ein Teil der Patienten berichtet darüber hinaus über unspezifische Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Schmerzen und Brennen in den Extremitäten sowie Hautverdickungen. Die Berichte betreffen alle Gd-haltigen KM gleichermaßen, unabhängig von ihrer Struktur und Stabilität. Von Semelka et al. wurde die Hypothese formuliert, dass die Beschwerden auf Gd zurückzuführen seien [54].

Es muss an dieser Stelle ausdrücklich betont werden, dass bislang kein kausaler Zusammenhang der aufgetretenen Beschwerden und der KM-Gabe hergestellt werden konnte. Solange aber keine umfangreichen klinischen Untersuchungen und Daten von entsprechenden Studien vorliegen, kann man es grundsätzlich auch nicht ausschließen. Geringe Fallzahlen und überproportional viele Patienten mit Autoimmunerkrankungen könnten ein Hinweis darauf sein, dass möglicherweise spezifische Dispositionen verantwortlich sind.

Fazit für die Praxis

  • Es sind keine Nebenwirkungen bekannt, die kausal auf das Vorhandensein von Gd im Gehirn zurückführen sind.

  • Bei gegebener klinischer Indikation gibt es keinen bekannten medizinischen Grund, einem Patienten die Anwendung Gd-basierter KM vorzuenthalten.

  • Eine KM-Gabe sollte jedoch immer das Ergebnis einer positiven, individuellen Nutzen-Risiko-Bewertung sein. Besonders sorgfältig sollten diese bei Patienten, die wiederholt KM erhalten müssen (insbesondere bei Kindern) erfolgen.

  • Aufgabe der wissenschaftlicher Fachgesellschaften und Verbände sollte es sein, die Leitlinien dahingehend zu überprüfen, ob die empfohlenen Abstände von Wiederholungsuntersuchungen mit KM in der bisherigen Form zu rechtfertigen sind.