Degenerative Erkrankungen der Halswirbelsäule und dadurch bedingte Zervikobrachialgien gehören zu den häufigsten Beschwerdebildern unserer Gesellschaft. Diese umfassen unter anderem die häufigen Bandscheibenvorfälle und Spinalkanalstenosen sowie auch die spondylotisch degenerativen zervikalen Foramenstenosen. Bei lateraler bzw. mediolateraler Kompression einer Nervenwurzel ist eine zervikale Radikulopathie die Folge, die sich mit Schmerzen im entsprechenden Dermatom gegebenenfalls auch mit einem sensomotorischen Defizit manifestiert. Bei medianer raumfordernder Wirkung auf das Rückenmark zumeist im Sinne von (multisegmentalen) Spinalkanalstenosen kommt es zur zervikalen Myelopathie.

Die Altersstruktur unserer Gesellschaft, die verbesserte perioperative medizinische Versorgung sowie auch die erhöhte Erwartungshaltung der Patienten an eine verbesserte Lebensqualität verlangen neben konservativen Therapieoptionen immer häufiger eine operative Intervention. Die anteriore zervikale Diskektomie mit Fusion (ACDF), die zervikale Arthroplastie und die posteriore zervikale Foraminotomie stellen die möglichen operativen Optionen für eine zervikale Radikulopathie dar. Bei zervikaler Myelopathie kommen neben der ACDF, die Korporektomie sowie als dorsale Verfahren die Laminektomie mit Instrumentation oder die Laminoplastie infrage. Die operativen Eingriffe für zervikale degenerative Bandscheibenerkrankungen stiegen beispielsweise in den USA um 67 % in 10 Jahren an [1]. Die anteriore Diskektomie nach Cloward [2] mit Fusion oder die zervikale Arthroplastie werden bei zervikalen Bandscheibenvorfällen häufiger durchgeführt als der dorsale Operationszugang nach Frykholm [3]. Die operative Therapie rein knöcherner zervikaler Foramenstenosen ist Gegenstand kontroverser Diskussionen, zudem finden sich in der Literatur nur wenige evidenzbasierte Daten, welche Operationsmethode die geeignetere darstellt [4]. In der Behandlung der zervikalen Myelopathie werden sowohl die Operationsindikation als auch die verschiedenen ventralen und dorsalen Verfahren mit ihren Vor- und Nachteilen nach wie vor diskutiert.

Konservative Therapie bei Zervikobrachialgie und zervikaler Myelopathie

Eine rein bildgebende zervikale Spinalkanalstenose ohne klinisches und elektrophysiologisches Korrelat kann zunächst konservativ behandelt werden. Bei älteren Patienten, die an einer leichten, klinisch nicht progredienten zervikalen Myelopathie leiden, kann ein konservatives Behandlungsregime erwogen werden. Hier sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen zu empfehlen [5].

Bei einer Zervikobrachialgie ohne motorisches Defizit wird primär ein konservatives Therapieregime empfohlen [6]:

  • frühzeitige schonende Mobilisation,

  • Schmerztherapie nach dem Schema der World Health Organization (WHO),

  • physikalische Maßnahmen: Wärmeapplikation, leichte Massagen, Rückenschule,

  • Myotonolytika bei paravertebralem Hartspann.

Indikationsstellung zur operativen Versorgung

Eine chirurgische Therapie der zervikalen Radikulopathie ist bei therapieresistenten Schmerzen oder begleitender progressiver klinischer Symptomatik mit sensomotorischem Defizit indiziert. Der Behandlungsalgorithmus einer Zervikobrachialgie ist in Abb. 1 beschrieben. Da die Radikulopathie durch einen Bandscheibenvorfall ähnlich wie der lumbale Bandscheibenvorfall häufig gut auf eine nichtoperative Therapie anspricht, wird in der Regel eine intensive konservative Therapie ggf. mit periradikulärer Infiltration für mindestens 6 bis 12 Wochen durchgeführt. Bei relevantem motorischem Defizit wird eine dringliche Operationsindikation gestellt.

Abb. 1
figure 1

Behandlungsalgorithmus bei zervikaler Radikulopathie. HWS Halswirbelsäule

Der natürliche Verlauf der zervikalen Myelopathie wird nach wie vor kontrovers beurteilt. Im Falle einer moderaten oder ausgeprägten Symptomatik ist die progrediente klinische Verschlechterung inzwischen unstrittig [7], sodass eine klare Operationsindikation besteht. Bei milder zervikaler Myelopathie sind variable Verläufe beschrieben und manche Patienten zeigen einen stabilen Verlauf [8], der zu abwartender Haltung verleitet. Leider kommt es in 75 % der Fälle zu einer episodischen Verschlechterung der zervikalen Myelopathie, die sich nach einer Dekompression häufig nur unzureichend erholt [9]. Vor diesem Hintergrund wird heutzutage eine chirurgische Dekompression bei eindeutiger klinischer Myelopathie auch geringer Ausprägung (e. g. Feinmotorikstörungen) empfohlen. Eine prophylaktische Operationsindikation bei asymptomatischen Patienten besteht hingegen auch bei eindeutiger Spinalkanalstenose nicht, zumal nur ein geringer Prozentsatz dieser Patienten innerhalb eines Jahres Symptome entwickeln wird [10]. Als Hilfsmittel zur Identifikation dieser Patienten haben sich die evozierten Potenziale herauskristallisiert. Bei pathologischen somatosensorisch evozierten Potenzialen (SSEPs) trotz fehlender Klinik muss von einer höheren Progressionsrate ausgegangen werden [11]. Als weitere Risikofaktoren für eine klinische Verschlechterung wurden eine erhöhte Segmentmobilität, eine segmentale Kyphose oder Olisthese sowie eine trianguläre Verformung des Myelons identifiziert [12]. Damit hat sich die Datenlage zum Management bei milder myelopathischer Symptomatik zunehmend zur frühzeitigen, aber nicht prophylaktischen chirurgischen Dekompression verschoben.

Präoperative Planung und Diagnosestellung

Neben der Anamnese und klinisch-neurologischen Untersuchung der Patienten sind bildgebende Verfahren zur weiteren Diagnosestellung unerlässlich. Native Röntgenaufnahmen in anterior-posteriorer, seitlicher und Extensions-Flexions-Stellung erlauben die Beurteilung der knöchernen Strukturen, des sagittalen Profils sowie potenzieller Instabilitäten. Die Magnetresonanztomographie in T1- und T2-gewichteten Sequenzen eignet sich zur Darstellung der Weichteilstrukturen, insbesondere zur Diagnostik von Bandscheibenvorfällen und von Veränderungen des Myelons bei zervikaler Myelopathie. Die Computertomographie stellt zur Beurteilung ossärer degenerativer Veränderungen, insbesondere osteophytärer Anbauten sowie knöcherner Neuroforamenstenosen, eine weitere wichtige Diagnostik zur präoperativen Planung dar (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Zervikaler Bandscheibenvorfall im Magnetresonanztomogramm der Halswirbelsäule in T2-Gewichtung in a sagittaler und b axialer Schnittebene. Eine knöcherne Neuroforamenstenose kann im Computertomogramm der Halswirbelsäule c sagittal und d axial dargestellt werden. Ergänzend dazu ein Röntgen der Halswirbelsäule in e anterior-posterioren, f seitlichen, g Extensions- und h Flexionsaufnahmen

Operatives Verfahren bei zervikaler Radikulopathie

Die ventrale Diskektomie und Fusion (ACDF) erfolgt in Rückenlage mit paramedianer Hautinzision und Eröffnen von Subkutis und Platysma. Nach stumpfer Präparation bis zum entsprechenden Bandscheibenfach wird dieses mit verschiedenen Instrumenten ausgeräumt. Osteophytäre Anbauten werden mittels Diamantfräse abgetragen bis das hintere Längsband zum Vorschein kommt und in der Regel entfernt wird, sodass die Dekompression aller nervalen Strukturen sichergestellt ist. Nach Reinigung der Grund- und Deckplatte mittels Kürette erfolgt das Einbringen eines Cages oder einer Bandscheibenendoprothese unter Bildwandlerkontrolle [2]. Der Operationszugang ist in Abb. 3 dargestellt.

Abb. 3
figure 3

a Zugang nach Cloward, b Zugang nach Frykholm. MS Musculus sternocleidomastoideus, M Mittellinie, HS Hautschnitt, J Jugulum

Bei der dorsalen Foraminotomie nach Frykholm wird zwischen dem traditionellen medianen Zugang und dem minimal-invasiven transtubulären, paramedianen Zugang unterschieden. Letzterer wird in der Literatur zunehmend propagiert. In Bauchlage oder in sitzender Position erfolgt die Schnittführung 2 cm paramedian über dem zu operierenden Segment, sodass unter Bildwandlerkontrolle das Tubussystem in Dilatationstechnik eingebracht werden kann. Mittels Diamantfräse und unter Zuhilfenahme des Mikroskops wird eine Fensterung am Übergang der Wirbelbögen zu den Gelenkflächen durchgeführt und der Rand des Duralsacks mit der abgehenden Nervenwurzel aufgesucht. Bei weichen Bandscheibenvorfällen wird der Sequester mobilisiert und entfernt, im Falle einer knöchernen Neuroforamenstenose eine dorsale Dekompression des Neuroforamens vorgenommen [3]. Der Operationszugang ist in Abb. 3 dargestellt.

Prothese vs. Fusion

Grundlage jeder Operation von ventral sollte die Diskektomie, die Foraminotomie sowie die Entfernung des hinteren Längsbandes sein. Eine Fusionsoperation dient der langfristigen Versteifung des operierten Segments durch knöcherne Überbauung der angrenzenden Wirbelkörper mithilfe eines stabilisierenden Interponats. Der historisch verwendete Beckenkammspan wurde durch Cages aus Titan oder Polyetheretherketon (PEEK) weitestgehend ersetzt. Eine zusätzliche Plattenosteosynthese wird in Fällen einer segmentalen Instabilität oder einer multisegmentalen Versorgung empfohlen. Die Ergebnisse zeigen eine sehr gute Patientenzufriedenheit, können jedoch durch Verlust der segmentalen Mobilität im Verlauf zu Anschlussdegenerationen der angrenzenden Segmente führen und damit Reoperationen zur Folge haben [13].

Im Gegensatz zur Fusion kann die Bandscheibenprothese eine Bewegung im entsprechenden Segment gewährleisten [14]. Wesentliche Kontraindikationen für die Implantation einer Prothese sind neben segmentaler Instabilität schwere Facettengelenks- und Bandscheibendegeneration, Deformitäten, Ossifikation des hinteren Längsbandes, traumatische Läsionen der Halswirbelsäule, Osteoporose sowie lokalisierte spinale Infektionen [15].

Bei der zervikalen Arthroplastie ist die geeignete Patientenpopulation zu beachten

Auch der Einsatz bei zervikaler Myelopathie wird von vielen Autoren kritisch beurteilt, auch wenn die US-amerikanischen Zulassungsstudien diese Patienten mit einbezogen haben. Ungeachtet der eingeschränkten Indikationen bleibt festzuhalten, dass wohl für kein wirbelsäulenchirurgisches Verfahren in den letzten Jahren so viel Evidenz generiert wurde wie für die zervikale Arthoplastie, auch wenn ein relevanter Bias nicht auszuschließen ist [16]. In der Zusammenschau aller Studien kann dennoch dem bewegungserhaltenden Verfahren in den Langzeitergebnissen ein signifikanter Vorteil im Vergleich zur anterioren Diskektomie und Fusion bei geeigneten Patienten attestiert werden [17]. Weiterentwicklungen der Bandscheibenprothesen könnten diese Entwicklung weiter forcieren. Allerdings gilt es, die geeignete Patientenpopulation für die zervikale Arthroplastie zu beachten. Jüngere Patienten mit weichen Bandscheibenvorfällen und/oder wenig segmentaler Degeneration eignen sich für ein mobilitätserhaltendes Verfahren, andere eher nicht.

Ventrale Diskektomie vs. Foraminotomie

In den letzten Jahrzehnten hat sich die ventrale Diskektomie mit Fusion oder Bandscheibenprothese zunehmend verbreitet und gute Ergebnisse erzielt. Die Veränderungen der Biomechanik führen jedoch zum Problem der Anschlussdegeneration und entsprechenden Nachoperationen. Die dorsale Foraminotomie scheint im Langzeitverlauf eine noch höhere Erfolgsquote aufzuweisen [18], kommt aber wiederum nur für ein selektioniertes Patientengut infrage. Ideal eignet sich das Verfahren für weiche laterale Vorfälle [19]. Deutliche degenerative Veränderungen, starke Nackenschmerzen und ein enger Spinalkanal sprechen gegen die minimal-invasive dorsale Entlastung.

Operative Verfahren bei zervikaler Myelopathie

Im Falle einer zervikalen Myelopathie finden sich neben einer auf die Bandscheibenfächer begrenzten Kompression des Rückenmarks auch langstreckigere Rückenmarkkompressionen, die von ventral Korporektomien oder von dorsal Laminektomien oder Laminoplastien erforderlich machen. Im Falle einer zervikalen Korporektomie werden über diesen Zugang zwei benachbarte Bandscheibenfächer ausgeräumt und der mediane Anteil des dazwischenliegenden Wirbelkörpers abgetragen und durch ein Wirbelkörperersatzimplantat ersetzt. Aus Stabilitätsgründen ist bei Korporektomien zusätzlich eine ventrale Plattenosteosynthese erforderlich.

Eine Laminektomie beinhaltet die Entfernung der Dornfortsätze und der Laminae der entsprechenden Wirbelkörper und wird speziell bei nicht erhaltener zervikaler Lordose mit dem Risiko einer postoperativen Instabilität assoziiert. Dementsprechend kommen eine zusätzliche dorsale Instrumentation mit Massa-lateralis-Schrauben oder minimal-invasive Verfahren wie die „skip laminectomy“ zur Anwendung [20]. Im Rahmen einer Laminoplastie wird mit verschiedene Techniken (z. B. „open door laminoplasty“) der Spinalkanal erweitert, ohne die Wirbelbögen vollständig zu entfernen.

Die Auswahl des operativen Verfahrens ist eine individuell zu treffende Entscheidung

Die Auswahl des operativen Verfahrens (ventral oder dorsal) hängt vom Ursprung der Kompression (von vorne oder von hinten), von der Stellung der Halswirbelsäule (Kyphose oder Lordose), von der Knochenqualität und damit dem Alter (jung oder alt) sowie von der Anzahl der betroffenen Segmente (mono- bzw. bisegmental oder multisegmental) ab und ist damit eine individuell zu treffende Entscheidung. Gemäß Datenlage sollten multisegmentale Laminektomien mit einer dorsalen Instrumentation kombiniert werden.

Komplikationen

Neben den allgemeinen Operationsrisiken müssen die Komplikationen für den vorderen und hinteren Zugang getrennt voneinander besprochen werden, wobei die Gesamtkomplikationsraten für dorsale und ventrale Eingriffe äquivalent sind ([21]; Tab. 1).

Tab. 1 Gesamtkomplikationsraten für dorsale und ventrale Eingriffe

Prognose

Beim Outcome ist nach Pathologie sowie der Art des operativen Zugangs zu unterscheiden. Die Langzeitverläufe bei Diskektomie und ventraler Fusion sind insgesamt sehr gut. Entscheidend dabei sind neben der ausreichenden Dekompression der Neuroforamina die Auswahl des Interponats sowie dessen Positionierung und dadurch die Wiederherstellung des sagittalen Profils. Beim Einbringen des Interponats sollte eine Überdistraktion ebenso wie eine Kyphosierung des Segmentes unbedingt vermieden werden. Die wenigen Studien, die anteriore Foraminotomien mit Fusion untersuchten, zeigen ebenfalls ein gutes Outcome in 83–91 % der Fälle mit Revisionsraten von 4–14 % [31]. Die klinischen Langzeitverläufe für die dorsalen Zugänge im Sinne einer posterioren Foraminotomie berichten ebenfalls über ein gutes Outcome in 64–96 % der Patienten und von Revisionsoperationen in 4–7 % der Fälle [32]. Auch die klinischen Verläufe im Rahmen der Bandscheibenendoprothesen sind erfreulich. Durch den Erhalt des Bewegungssegmentes kann die Belastung für die benachbarten Segmente reduziert und insbesondere bei jüngeren Patienten eine Anschlussdegeneration vermieden werden [33].

Prognostisch ist die zervikale Myelopathie weniger günstig als die Radikulopathie

In der Behandlung der zervikalen Myelopathie konnte bislang keine Überlegenheit der ventralen oder der dorsalen Verfahren erhoben werden. In den letzten Jahren haben sich dorsale Techniken wieder mehr verbreitet, da zusätzliche Instrumentationen als Standardverfahren eingesetzt werden und langstreckige ventrale Eingriffe doch eine relevante Komplikationsrate aufweisen. Allerdings handelt es sich um eine sehr heterogene Patientenpopulation, die sich je nach individuellen Charakteristika mehr für ein ventrales oder dorsales Verfahren anbieten, sodass ein direkter Vergleich kaum möglich ist. Prognostisch ist die zervikale Myelopathie weniger günstig als die zervikale Radikulopathie. Obgleich sich die Mehrzahl der Patienten klinisch bessert, bleibt häufig eine myelopathische Restsymptomatik zurück, die gerade bei präoperativ moderater oder schwerer Myelopathie erheblich sein kann. Dieser Umstand hat zur frühzeitigen Indikationsstellung zur Dekompression auch bei milder zervikaler Myelopathie beigetragen.

Fazit für die Praxis

  • Die Langzeitverläufe bei Diskektomie und ventraler Fusion sind insgesamt sehr gut. Entscheidend sind neben der ausreichenden Dekompression der Neuroforamina die Auswahl des Interponats sowie dessen Positionierung und dadurch die Wiederherstellung des sagittalen Profils. Die klinischen Langzeitverläufe für die dorsalen Zugänge im Sinne einer posterioren Foraminotomie berichten ebenfalls über ein gutes Outcome.

  • In der Behandlung der zervikalen Myelopathie konnte bislang keine Überlegenheit der ventralen oder der dorsalen Verfahren erhoben werden. In den letzten Jahren haben sich dorsale Techniken wieder mehr verbreitet, da zusätzliche Instrumentationen als Standardverfahren eingesetzt werden und langstreckige ventrale Eingriffe eine relevante Komplikationsrate aufweisen.