Worin bestehen eigentlich die Herausforderungen und die Faszination in der Versorgung thorakaler Verletzungen?

Lebenswichtige thorakale Funktionen faszinieren die Menschen zwar schon seit dem Altertum, deren Störungen stellen jedoch die Medizin auch bis in die heutige Zeit noch häufig vor Herausforderungen – verletzungsbedingt oft vor eine lebensbedrohliche Mischung gleich mehrerer Faktoren aus dem ABCDE der Traumaversorgung. Unterschiedliche Verletzungsmechanismen bestimmen die therapeutische Herangehensweise ebenso wie zahlreiche weitere Faktoren, darunter Begleitverletzungen, Patientenalter und die logistischen Möglichkeiten der behandelnden Klinik.

Während am überregionalen Traumazentrum eine thoraxchirurgische Expertise regelhaft in den Behandlungsalgorithmus eingebunden wird, steht diese bereits im regionalen Traumazentrum nur noch fakultativ zur Verfügung und an lokalen Versorgern meist gar nicht mehr.

Somit kommt dem erstversorgenden Traumateam die verantwortungsvolle Aufgabe zu, insbesondere auch thorakale Verletzungen korrekt zu identifizieren, in ihrer Dringlichkeit richtig einzuschätzen und nichtdisponible Maßnahmen dennoch unverzüglich mit hohem Versorgungsstandard durchzuführen.

Schnell finden wir Unfallchirurgen uns hierbei in der langjährig geführten Diskussion wieder, welche unserer Kollegen in Zeiten der heute gültigen Weiterbildungsordnung eigentlich noch in der Versorgung von Körperhöhlenverletzungen adäquat ausgebildet und routiniert sind.

Ein regelmäßiger oder gar arbeitstäglicher Wissensaustausch mit den Kollegen der Thoraxchirurgie wird daher die eigenen Kenntnisse ebenso verbessern wie ein interdisziplinäres Vorgehen bei der Schwerverletztenversorgung.

Schreiner greift für dieses Themenheft Kernpunkte der Organverletzungen im Rahmen des Thoraxtraumas auf und geht auf deren Diagnostik, klinischen Stellenwert und therapeutische Prinzipien ein [1]. In der Vielzahl möglicher Verletzungen werden unmittelbar lebensbedrohliche und potenziell lebensbedrohliche unterschieden. Die Mehrheit der Traumafolgen kann konservativ oder durch eine Thoraxdrainagenanlage suffizient behandelt werden. Zahlreiche Patienten bedürfen einer differenzierten Intensivtherapie und maschineller Beatmung. Herzverletzungen, akute Blutungen und tracheobronchiale Verletzungen können jedoch auch eine Notfallthorakotomie indizieren. Mehr und mehr gewinnt die videoassistierte Thorakoskopie (VATS) in der Versorgung von Verletzungen und deren Folgezuständen an Bedeutung. Häufig sollte diese bei persistierendem Hämatothorax bzw. Erguss frühzeitig erwogen werden, bevor chronische pleurale Vernarbungs- oder gar Entzündungszustände in der Folge auftreten. Die VATS erlaubt jedoch auch die Versorgung komplexerer Verletzungen wie beispielsweise einer Zwerchfellruptur oder von Parenchymrissen der Lunge. Darüber hinaus ist sie hervorragend geeignet, um Rippenfrakturen genau zu lokalisieren und ggf. sogar videoassistiert zu reponieren [2].

Die Behandlung von Sternum- und Rippenfrakturen wird auch bis heute noch kontrovers diskutiert. Arbeitspferd mag sicherlich die konservative Therapie in der Mehrheit der Fälle sein. Doch heilen wirklich alle Frakturen der knöchernen Brustwand spontan am besten ab?

Wir greifen für ein besseres Grundverständnis dieser Frakturen einige wichtige Aspekte der Epidemiologie, Verletzungsentitäten und Behandlungspraxis von Thoraxwandverletzungen unter Einbeziehung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und Therapieempfehlungen heraus [3]. Bislang wurden weder die Morphologie der Frakturen noch deren Lokalisation ausreichend in therapeutische Studien einbezogen. Diese Parameter können nun mit der jüngsten Revision des Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO)/Orthopedic Trauma Association(OTA)-Klassifikationssystems erstmals beschrieben werden.

Eine Aufgabe der nahen Zukunft wird es sein, die Brustwand mit ihren 25 Knochen in der faszinierenden Gesamtheit als muskuloskeletale Einheit besser verständlich darzustellen und typische Verletzungskombinationen klassifizierbar zu machen.

Erst auf dieser Basis können dann therapeutische Prinzipien durch aussagekräftige Studien evaluiert werden.

Langenbach präsentiert typische Verletzungen der posterioren und lateralen Brustwand [4]. Eine zusätzliche Klavikulafraktur kann bei Rippenserienfrakturen die Stabilität des gesamten oberen Rumpfquadranten gefährden und zu erheblichen Deformitäten führen. Der innovative klavipektorale Zugangsweg ermöglicht die gleichzeitige operative Versorgung der Klavikula und darunterliegender Rippen. Eine chirurgische Herausforderung stellen Frakturen dar, die von der Skapula bedeckt werden.

Durch minimalisierte und innovative Operationstechniken kann die Integrität der Brustwand anatomisch und funktionell wiederhergestellt werden.

Diese Prinzipien stellt Krinner für die anteriore Brustwand dar [5]. Neben den typischen Verletzungen durch einen direkten Anprall an die peristernale Region werden Sternumfrakturen häufig auch durch indirekte Gewalt verursacht, beispielsweise durch einen Sturz auf den Rücken in der Folge eines Flexion-Kompression-Mechanismus des Rumpfes. Diese Sternumfrakturen gehen häufig mit zusätzlichen Wirbelfrakturen einher, insbesondere im Bereich der unteren Halswirbelsäule bis zur mittleren Brustwirbelsäule, was Krinner in einer weiteren Originalarbeit dieser Ausgabe analysiert [6]. Diese sogenannten sternovertebralen Kombinationsverletzungen können die Stabilität des Rumpfes stark gefährden, weshalb bei Vorliegen einer Sternumfraktur stets die Wirbelsäule mitabgeklärt werden sollte und umgekehrt.

Schlussendlich gibt Weigeldt einen fundierten Einblick in anästhesiologisch geprägte Aspekte der Therapie des Thoraxtraumas [7]. Nicht nur ein differenziertes Beatmungsmanagement, sondern v. a. auch die suffiziente Schmerztherapie hat einen großen Stellenwert und schließt die thorakale Epiduralanästhesie ebenso mit ein wie regional platzierte Schmerzkathetersysteme. Vor operativen Eingriffen wird die Abstimmung mit dem Operateur empfohlen, ob eine Einlungenventilation erforderlich werden wird, die z. B. mittels Doppellumentubus oder Bronchusblocker vorbereitet werden kann.

Zusammenfassend stellt das Thoraxtrauma eine interdisziplinäre Herausforderung dar. Eine präzise Diagnostik und korrekte Einschätzung der Verletzungen unter Einbeziehung innerer Organe und der Brustwand bilden das Fundament für eine erfolgreiche Therapie der Verletzten.

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PD Dr. Stefan Schulz-Drost, FEBS