Bewegung und altersentsprechende körperliche Fitness sind nicht nur wichtige Voraussetzungen für eine adäquate kindliche Entwicklung, sondern auch entscheidend für das Risiko späterer kardiovaskulärer Erkrankungen. Im Hinblick auf die hohe Rate an Übergewicht und Adipositas und den steigenden Medienkonsum im Kindesalter ist das Ziel dieser Studie, die kardiovaskuläre Gesundheit von Kindern zu untersuchen und das bestehende kardiovaskuläre Risikoprofil in Abhängigkeit vom Body-Mass-Index (BMI) zu ermitteln.

Einleitung

Ausreichend körperliche Bewegung sowie eine altersentsprechende körperliche Leistungsfähigkeit sind entscheidend für eine adäquate kindliche Entwicklung. Defizite in diesem Bereich können zu erhöhter Morbidität im späteren Leben führen. Die körperliche Aktivität und Fitness von Kindern gehen jedoch zurück. Insbesondere der zunehmende Medienkonsum hat einen negativen Einfluss auf die Dauer von Sportaktivitäten und somit auf die allgemeine Gesundheit von Kindern [1]. Eine Folge davon ist die große Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas bei Kindern in Deutschland [2]. Kinder mit Übergewicht zeigen eine motorische Entwicklungsretardierung [3], wobei sich die Differenz zu den normalgewichtigen Altersgenossen mit zunehmender Gewichtsklasse weiter erhöht [4]. Übergewichtige Kinder sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Erwachsenenalter übergewichtig [5], was mit deutlich höherer Mortalität verbunden ist [6]. Diese erhöhte Mortalität gilt besonders für kardiovaskuläre Erkrankungen, da diese bereits während der Kindheit in Form kardiovaskulärer Risikofaktoren ihren Ursprung nehmen und im Kindes- und Jugendalter zu subklinischer Arteriosklerose führen können [7]. Die Pulswellengeschwindigkeit (PWV) als Maß für die Gefäßelastizität spiegelt strukturelle Veränderungen in den größeren arteriellen Gefäßen wider. Hohe Messwerte weisen auf eine vermehrte Gefäßsteifigkeit hin und sind damit ein Marker für eine subklinische Gefäßschädigung. Die PWV ist prädiktiv für kardiovaskuläre Ereignisse und Mortalität bei Erwachsenen [8]. Die oszillometrische Bestimmung der PWV ist für das Kindesalter validiert. Die niedrige Intra- und Interobserver-Variabilität [9] sowie etablierte altersspezifische Normwerte für Kinder [10] ermöglichen es, subklinische Veränderungen in der Gefäßelastizität nichtinvasiv zu diagnostizieren. In Studien zeigten adipöse Kinder höhere PWV-Werte [11, 12]. Neben der Adipositas können auch andere klassische kardiovaskuläre Risikofaktoren (wie z. B. Hypertonie, Dyslipidämie, Diabetes), aber auch die chronische Niereninsuffizienz zu einer Erhöhung der PWV führen [13, 14].

Die Ergebnisse aus der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) zeigen, dass geringere Fitness und höherer Medienkonsum mit niedrigerem sozioökonomischen Status der Eltern assoziiert sind [15]. Ebenso ist ein Zusammenhang zwischen höherem Body-Mass-Index (BMI) und niedrigerem sozioökonomischen Status sowie dem Vorliegen eines Migrationshintergrunds bekannt [2, 16]. In der Adipositas-Patienten-Verlaufsdokumentation(APV)-Studie war zwar ein deutlicher Anstieg der Frequenz von Screenings nach Komorbiditäten bei Patienten mit Übergewicht bzw. Adipositas nachweisbar, allerdings war diese Rate bei Patienten mit Migrationshintergrund signifikant niedriger [17]. In den beiden Studien wurde die subklinische Gefäßschädigung nicht untersucht.

Das Ziel dieser Studie war, das kardiovaskuläre Risikoprofil, die körperliche Fitness und Leistungsfähigkeit sowie die aortale Gefäßelastizität bei Schulkindern umfassend zu untersuchen und dabei das Vorliegen bekannter Einflussfaktoren wie elterlichen Bildungsstand (EBS) und Migrationshintergrund zu berücksichtigen. Dazu haben wir im Rahmen der Einführung eines schulischen Bewegungsprogrammes jeweils einen Jahrgang von 3 Grundschulen (2. Klasse) und 2 Gesamtschulen (5. Klasse) in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen beurteilt.

Methoden

Probanden

205 Kinder aus dem 2. Jahrgang dreier Grundschulen und 152 Schüler aus dem 5. Jahrgang zweier Gesamtschulen wurden von April 2017 bis Juni 2017 untersucht. Die Studie wurde von der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover genehmigt und nach den Prinzipien der Deklaration von Helsinki durchgeführt. Das Einverständnis der Eltern und Kinder für die Untersuchungen lag vor.

Körperliche Gesundheit

Alle teilnehmenden Kinder wurden kinderärztlich untersucht. Größe, Gewicht und Bauchumfang wurden gemessen und der BMI berechnet. Entsprechend der Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter wurden Kinder mit BMI >90.–≤97. Perzentile (Pzt.) als übergewichtig klassifiziert und mit BMI >97. Pzt. als adipös [18]; viszerale Adipositas wurde definiert als ein Bauchumfang >97. Pzt. [18]. Die Blutdruckmessung erfolgte standardisiert mit einem für Kinder validierten oszillometrischen Messgerät (Dinamap v150; Fa. GE Medical Systems, Chicago, Illinois, USA) und mit den für den jeweiligen Armumfang vorgesehenen Manschetten. Die Messung wurde nach einer zehnminütigen Ruhephase am rechten Arm in sitzender Position insgesamt dreifach durchgeführt und der Durchschnitt der letzten beiden Untersuchungen verwendet. Die Bestimmung der PWV wurde mittels Vicorder (Fa. SMT Medical, Würzburg) von zwei erfahrenen Untersucherinnen, wie bereits zuvor beschrieben, durchgeführt [10]. 78 % aller Kinder stimmten einer Blut- und 93 % einer Urinuntersuchung zu. Die Analysen erfolgten in einem zentralen Labor (Fa. Amedes, Hannover). Die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) wurde nach der Schwartz-Formel berechnet [19]. Zusätzlich wurde ein zahnmedizinischer Befund erhoben, der sowohl den Zahnstatus als auch die Beurteilung des Zahnhalteapparats beinhaltete. Mittels Elternfragebogen wurden Informationen zu Krankengeschichte, Familienanamnese, außerschulischem Sport und wöchentlicher Dauer von Medienkonsum (Smartphone, Fernseher, Computer, Tablet) erfragt.

Körperliche Leistungsfähigkeit und Fitness

Die maximale körperliche Leistungsfähigkeit wurde mittels Fahrradergometrie ermittelt und in Watt/kg Körpergewicht (W/kgKG) angegeben [20]. Koordination wurde durch die Anzahl der Seitsprünge innerhalb von 15 s über eine Linie getestet, Aktionsschnelligkeit über die Dauer eines 20-m-Sprints. Der Grad der Beweglichkeit wurde durch die Rumpfbeuge nach vorne überprüft. Dabei stehen die Kinder auf einem kleinen Podest und sollen mit gestreckten Knien die Hände parallel zu einer Zentimeterskala in Richtung der Zehen führen. Die maximal erreichte Dehnposition, die 2 s gehalten werden kann, wird abgelesen (die Kante des Podestes mit den Fingerspitzen zu berühren entspricht 0 cm) [21].

Sozioökonomische Faktoren

Der EBS wurde in 3 Kategorien nach dem „International Standard of Classification of Education“ eingeteilt [22]. Wenn nicht alleinerziehend, wurde der höchste erreichte Wert beider Eltern verwendet. Der EBS konnte bei 92 % bestimmt werden. Beidseitiger Migrationshintergrund wurde definiert, wenn beide Eltern oder ein Elternteil und das Kind in einem anderen Land geboren wurden; bei einseitigem Migrationshintergrund haben nur ein Elternteil oder nur das Kind ein anderes Geburtsland [23].

Statistik

Die Daten werden mit Mittelwert und Standardabweichung bzw. als Anzahl und Prozent angegeben. Die Messwerte wurden anhand entsprechender Normwerte für Größe und Gewicht [24], Bauchumfang [25], BMI [26] und PWV [10] nach Geschlecht und Alter und der Blutdruck [24] nach Geschlecht, Alter und Größe in „Standard-deviation-score“(SDS)-Werte umgewandelt. Ein SDS-Wert von 0 entspricht der 50. Pzt., 1,282 der 90. Pzt., 1,881 der 97. Pzt. [27]. Die statistischen Berechnungen wurden mit SAS EG 7.1 (Fa. Statistical Analysis Software, Cary, North Carolina, USA) durchgeführt. Zur Überprüfung der Normalverteilung verwendeten wir die QQ-Plots der einzelnen Variablen und fanden nur in Einzelfällen geringe Abweichungen von der Normalverteilung, sodass parametrische Tests verwendet wurden. Kontinuierliche Variablen wurde mittels Pearson-Korrelation getestet, kategoriale Variablen mittels χ2-Test bzw. ANOVA. Ein p-Wert <0,05 wurde als signifikant angesehen. Unabhängige Einflussfaktoren auf die PWV wurden mittels multivariabler linearer Regression mit schrittweiser Rückwärtsselektion ermittelt. Variablen mit p < 0,2 in der univariaten Regressionsanalyse wurden in das multivariable Modell aufgenommen; die Schwelle für den Verbleib im Modell wurde auf p < 0,05 festgelegt.

Ergebnisse

Untersuchungskohorte

Die Charakteristika der Studienkohorte sind in Tab. 1 zusammengefasst. Das mittlere Alter der Kinder der 2. Klassen betrug 8,2 ± 0,5 Jahre, der Kinder der 5. Klassen 11,4 ± 0,6 Jahre. Die Häufigkeit von adipösen Kindern war bei den älteren Kindern (17 %) höher als bei den jüngeren (8 %). Der Bauchumfang war bei 40 % im Sinne einer viszeralen Adipositas erhöht (2. Klassen 37 %, 5. Klassen 45 %).

Tab. 1 Charakteristika der Studienkohorte

Der systolische Blutdruck lag bei Kindern der 2. Klassen im Mittel bei 102 ± 7 mm Hg (54. Pzt.) und diastolisch bei 60 ± 5 mm Hg (38. Pzt). Bei Kindern der 5. Klassen wurden im Mittel 106 ± 7 mm Hg (46. Pzt.) für systolische Werte gemessen und 62 ± 6 mm Hg (38. Pzt.) für diastolische Werte.

Bei der Fahrradergometrie erreichten die jüngeren Kinder im Durchschnitt 3,1 ± 0,7 W/kgKG als Maximalleistung; die älteren kamen auf 3,0 ± 0,7 W/kgKG. Kinder der 2. Klassen absolvierten im Durchschnitt 23 ± 6 Seitsprünge und benötigten für den 20-m-Sprint 4,6 ± 0,5 s. Kinder der 5. Klassen schafften 29 ± 7 Seitsprünge und benötigten 4,4 ± 0,4 s für den 20-m-Sprint.

59 % der jüngeren und 38 % der älteren Kinder nahmen an einer sportlichen Aktivität nach der Schule teil, wie z. B. Vereinssport. Die Nutzung von elektronischen Medien betrug bei den jüngeren Kindern durchschnittlich 10,5 ± 8,1 h/Woche, bei den älteren 19,2 ± 14,0 h/Woche.

64 % der Kinder zeigten ein naturgesundes Gebiss. Die übrigen Kinder wiesen aktive kariöse Läsionen als auch konservierend versorgte Zähne auf. Zusätzlich waren bei 6 % Zeichen einer lokalen Entzündung des Zahnhalteapparats festzustellen, wie vertiefte Zahnfleischtaschen und Blutung bei Sondierung dieser Taschen. Insgesamt bestand bei 32 % der Kinder der 2. Klassen und 20 % der Kinder der 5. Klassen ein zahnärztlicher Behandlungsbedarf.

Der EBS für die jüngeren bzw. älteren Kinder verteilte sich zu 36 % bzw. 20 % auf hohen, 40 % bzw. 50 % mittleren und 24 % bzw. 30 % niedrigen EBS. Bei den jüngeren Kindern lagen ein beidseitiger Migrationshintergrund bei 47 % und ein einseitiger bei 13 % vor, 49 % der älteren Kinder hatten einen beidseitigen und 10 % einen einseitigen Migrationshintergrund.

Weitere Informationen zur untersuchten Kohorte im Hinblick auf die untersuchten Laborparameter sind der Tab. 1 zu entnehmen. Eine Gegenüberstellung der Kinder mit bzw. ohne Blutwerte findet sich in der Tab. S1 (Zusatzmaterial online).

Pulswellengeschwindigkeit

Die PWV lag bei Kindern der 2. Klassen bei 4,5 ± 0,4 m/s (66. Pzt.), bei den Kindern der 5. Klassen bei 4,8 ± 0,4 m/s (58. Pzt.) (Tab. 1). Bei 8 % aller Schülerinnen und Schüler fand man erhöhte PWV-Werte >95. Pzt. (Abb. 1). Die PWV war bei Kindern mit Übergewicht signifikant höher als bei Kindern ohne Übergewicht (Abb. 2).

Abb. 1
figure 1

Pulswellengeschwindigkeit (PWV), normalisiert für Alter und Geschlecht, dargestellt als „standard deviation score“ (SDS), für die gesamte Studiengruppe und aufgeteilt nach Alter. Die gestrichelte Linie markiert die 95. Perzentile (Pzt.)

Abb. 2
figure 2

Pulswellengeschwindigkeit (PWV), normalisiert für Alter und Geschlecht, dargestellt als „standard deviation score“ (SDS) für Kinder mit Übergewicht (Body-Mass-Index, BMI >90. Pzt.) und ohne Übergewicht (BMI ≤90. Pzt.). Die gestrichelte Linie markiert die 95. Perzentile (Pzt.). Kinder mit Übergewicht zeigen signifikant höhere PWV-Werte

In der univariaten Analyse zeigten sich signifikante Assoziationen mit den Blutdruck- und anthropometrischen Werten, den Lipiden und weiteren Blutparametern sowie der maximalen Leistungsfähigkeit und dem Medienkonsum (Zusatzmaterial online: Tab. S2). Mittels einer multivariablen linearen Regressionsanalyse wurden Einflussfaktoren gesucht. Alter, BMI-Klassifikation, Bauchumfang-SDS, diastolischer Blutdruck-SDS, „High Density Lipoprotein“(HDL)-Cholesterin, „Low Density Lipoprotein“(LDL)-Cholesterin, Triglyzeride, Harnsäure, Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT), GFR, hochsensitives C‑reaktives Protein, max. Leistungsfähigkeit, Seitsprünge, 20-m-Sprint, EBS, Migrationsstatus und Medienkonsum wurden als Kovariaten aufgenommen. Die multivariable Analyse zeigte, dass jüngeres Alter, höherer diastolischer Blutdruck, niedrigere HDL-Werte sowie Übergewicht oder Adipositas mit einer höheren PWV assoziiert waren (Tab. 2).

Tab. 2 Multivariable lineare Regression für Pulswellengeschwindigkeit-SDS

Übergewicht und Adipositas

Kinder mit Übergewicht oder Adipositas (Tab. 3) hatten signifikant häufiger auch eine viszerale Adipositas (p < 0,001), zeigten höhere systolische Blutdruck- (p < 0,001), LDL- (p = 0,010), Triglyzerid- (p < 0,001), Harnsäure- (p < 0,001) und GPT-Werte (p < 0,001) sowie niedrigeres HDL (p < 0,001). Die maximale körperliche Leistungsfähigkeit war niedriger (p < 0,001), und es fanden sich eine schlechtere Koordination (weniger Seitsprünge, p < 0,001) und geringere Aktionsschnelligkeit (langsamer im 20-m-Sprint, p < 0,001). Die übergewichtigen bzw. adipösen Kinder nahmen weniger häufig an einer sportlichen Aktivität nach der Schule teil (p < 0,001) und zeigten einen größeren Medienkonsum (p = 0,004). Zudem bestand bei diesen Kindern eine eindeutige Tendenz zu höheren GFR-Werten (p = 0,058).

Tab. 3 Kardiovaskuläre Einflussfaktoren bei Kindern mit Übergewicht bzw. Adipositas

Migrationshintergrund und sozioökonomische Faktoren

Kinder mit einseitigem Migrationshintergrund zeigten keine wesentlichen Unterschiede zu Kindern ohne Migrationshintergrund, sodass diese Gruppen zusammengefasst und mit Kindern mit beidseitigem Migrationshintergrund verglichen wurden. Kinder mit beidseitigem Migrationshintergrund zeigten eine geringere maximale Leistungsfähigkeit als Kinder mit einseitigem oder keinem Migrationshintergrund (p < 0,001; Zusatzmaterial online: Tab. S3). Das Vorliegen eines beidseitigen Migrationshintergrunds hatte keinen Einfluss auf den BMI. Jungen mit Migrationshintergrund zeigten höhere Glucose- (p = 0,039) und HbA1c-Werte (p = 0,043) sowie einen höheren Medienkonsum (p = 0,046); Mädchen mit Migrationshintergrund waren langsamer im 20-m-Sprint (p = 0,026) und nahmen seltener an einer sportlichen Aktivität nach der Schule teil als Kinder mit einseitigem oder ohne Migrationshintergrund (p < 0,001).

Niedriger EBS war mit höherem BMI assoziiert (p = 0,008; Tab. 4). Kinder mit niedrigem EBS waren zudem kleiner (p = 0,004), zeigten einen höheren Bauchumfang (p = 0,014), geringere max. Leistungsfähigkeit (p < 0,001), mehr Medienkonsum (p < 0,001) sowie einen höheren elterlichen BMI (p = 0,002 bzw. 0,041). Für Blutdruck, PWV und die Laborwerte ergaben sich keine Unterschiede.

Tab. 4 Assoziationen mit dem elterlichen Bildungsstatus

Diskussion

Unsere Daten zeigen einen hohen Anteil von Übergewicht und Adipositas an Grund- und Gesamtschulen. Diese Kinder zeigten eine geringere Gefäßelastizität und körperliche Fitness. Jüngeres Alter, das Vorliegen von Übergewicht bzw. Adipositas, ein höherer diastolischer Blutdruck und niedrigeres HDL konnten als unabhängige Prädiktoren für eine höhere alters- und geschlechtskorrigierte PWV identifiziert werden.

Die PWV ist ein Marker für die Gefäßelastizität und lässt damit Rückschlüsse über das Maß arteriosklerotischer Umbauprozesse zu [28]. Insgesamt lag die PWV bei 8 % aller Kinder über der 95. Pzt. und damit um 3 % höher, als bei einer normalen Verteilung zu erwarten wäre. Bei diesen Kindern ist die aortale Gefäßsteifigkeit erhöht und im Sinne einer subklinisch vorliegenden beginnenden Arteriosklerose einzustufen. In der untersuchten Gruppe von Kindern zeigten übergewichtige Kinder signifikant höhere Werte als Kinder ohne Übergewicht. Die PWV der Kinder ohne Übergewicht lag im Mittel auf der 57. Pzt., für die Übergewichtigen auf der 72. Pzt. und für die Adipösen im Mittel auf der 86. Pzt. Als unabhängig assoziierte Faktoren für eine höhere PWV konnten wir außerdem Vorliegen von Übergewicht bzw. Adipositas, höheren Blutdruck, jüngeres Alter sowie ein niedrigeres HDL identifizieren. Die Bedeutung von Blutdruck, HDL bzw. Adipositas auf PWV wurde bereits in der Literatur beschrieben [11,12,13,14, 29]. Aufgrund des Studiendesigns (Untersuchung von 2 verschiedenen Jahrgängen) entspricht das jüngere Alter am ehesten den Kindern der 2. Klassen, bei denen im Vergleich zu den Kindern der 5. Klassen eine Tendenz zu höherer PWV zu erkennen ist (p = 0,078, Abb. 1). Eine mögliche Erklärung, wieso Grundschüler eher zu höherer PWV neigen, ist eine höhere Vulnerabilität des jüngeren Gefäßsystems [13, 30].

Übergewicht und Adipositas waren in unserer Kohorte deutlich häufiger, als die Prävalenzen der Welle 2 der KiGGS-Studie zeigten [2]. Besonders groß war der Unterschied bei den im Schnitt 11 Jahre alten Kindern der 5. Klassen, bei denen die Häufigkeit von 17 % etwa doppelt so hoch war wie in der zweiten KiGGS-Welle (6,5 % für 11- bis 13-jährige Mädchen bzw. 8,0 % für 11–13jährige Jungen) [2]. Nicht nur das Vorliegen von Übergewicht und Adipositas, basierend auf dem BMI, geht mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko einher, auch die bauchbetonte Fettverteilung ist ein wichtiger kardiovaskulärer Risikofaktor [31]. In der von uns untersuchten Gruppe zeigten nahezu alle Kinder (85 von 86) mit Übergewicht auch eine viszerale Adipositas (p < 0,001).

Kinder mit Übergewicht zeigten zudem eine Reihe weiterer Risikofaktoren und erste Hinweise für das Vorliegen von subklinischen Organschäden. Hierzu zählten ein höherer Blutdruck, ein nachteiligeres Fettstoffwechselprofil, höhere Harnsäure- und GPT-Werte und eine Tendenz zur renalen Hyperfiltration. Wenngleich in den meisten Fällen keine pathologischen Werte nachweisbar waren, so sind die Tendenzen eindeutig und weisen auf die starke Prädisposition übergewichtiger Kinder für die Entwicklung eines metabolischen Syndroms hin [32]. Zudem fanden sich Hinweise für bereits bestehende Organschädigungen. So zeigten übergewichtige Kinder deutlich häufiger eine geringere Gefäßelastizität (PWV-Werte >95. Pzt. in 24 % vs. in 3 % der Kinder ohne Übergewicht, p < 0,001), welches als bereits vorliegender subklinischer Gefäßschaden gedeutet werden kann. In Übereinstimmung mit der Literatur, in der Hyperfiltration als Folge der adipositasassoziierten Glomerulopathie beschrieben ist [33], fanden auch wir eine signifikante Korrelation von BMI und GFR. Die signifikant höheren GPT-Werte bei übergewichtigen Kindern können außerdem auf eine Beteiligung der Leber im Sinne einer „non-alcoholic fatty liver disease“ (NAFLD) hindeuten, bei der es sich um die hepatische Manifestation des metabolischen Syndroms handelt [34].

Vor dem Hintergrund der dargestellten Zusammenhänge von Übergewicht und Adipositas für das kardiovaskuläre Risiko erscheint es wichtig hervorzuheben, dass auch in unserer Kohorte – übereinstimmend mit den Ergebnissen der KiGGS-Studie [2] – Kinder mit niedrigem EBS höhere BMI Werte aufwiesen. Zusätzlich konnten wir zeigen, dass diese Kinder seltener an außerschulischen sportlichen Aktivitäten teilnahmen, mehr Medienkonsum zeigten und eine niedrigere maximale Leistungsfähigkeit aufwiesen. Anders als für den EBS fanden wir keinen Hinweis auf mehr Übergewicht bei Kindern mit beidseitigem Migrationshintergrund, allerdings eine geringere maximale Leistungsfähigkeit. Außerdem fanden sich geschlechtsspezifische Unterschiede in dieser Gruppe (Mädchen nahmen seltener an außerschulischen sportlichen Aktivitäten teil, Jungen zeigten deutlich höheren Medienkonsum), die bei Kindern ohne bzw. einseitigem Migrationshintergrund nicht nachweisbar waren. Während Kinder mit niedrigem oder mittlerem EBS eine eindeutige Risikogruppe darstellen, die besonderer Aufmerksamkeit bedarf, scheinen bei Kindern mit beidseitigem Migrationshintergrund individuelle Präventionsstrategien besonders sinnvoll.

Die Stärke unserer Studie ist die umfassende Untersuchung einer großen Kohorte deutscher Schulkinder, bei der sowohl eine Vielzahl kardiovaskulärer Risikofaktoren als auch Parameter für körperliche Fitness und Leistungsfähigkeit bestimmt wurden. Zu den Limitationen der Studie gehören das „cross-sectional“ Studiendesign und die zahlreichen, wenn auch statistisch korrigierten Vergleiche. Auch waren Blutentnahmen nicht bei allen Kindern durchführbar, jedoch war die Rate von 78 % für eine freiwillige Blutentnahme erfreulich hoch. Die Gegenüberstellung der Kinder mit bzw. ohne Blutwerte zeigte keine signifikanten Unterschiede, sodass ein Bias nicht wahrscheinlich ist.

Zusammenfassung

Die Pathogenese kardiovaskulärer Morbidität beginnt bereits im Kindesalter [7], daher muss die Prävention kardiovaskulärer Mortalität des Erwachsenen im Kindesalter ansetzen. Wir konnten in dieser prospektiven Beobachtungsstudie an 357 Schulkindern zeigen, dass Kinder mit Übergewicht/Adipositas (BMI >90. Pzt.) nicht nur ein eindeutiges Risikoprofil für die Entwicklung von kardiovaskulärer Morbidität im späteren Leben, sondern bereits im Kindesalter Hinweise auf subklinische Organschäden aufweisen.

Die PWV im Kindesalter ist als Marker für arterielle Gefäßelastizität validiert [8] und zudem einfach und nichtinvasiv zu messen [9]. Zwar ist der prädiktive Wert der PWV für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität bisher nur für Erwachsene eindeutig bewiesen [6], dennoch ist ein Zusammenhang auch im Kindes- und Jugendalter plausibel und wahrscheinlich. Auch deshalb sind Studien mit Fokus auf eine mögliche positive Beeinflussung der PWV im Hinblick auf die kardiovaskuläre Gesundheit von Kindern und Jugendlichen von besonderer Bedeutung.

Ausblick

Der Anlass der Studie war die geplante Implementierung eines Bewegungsprogrammes, das in den täglichen schulischen Alltag integriert werden soll. Ob es durch dieses Bewegungsprogramm zu einer Veränderung des beschriebenen kardiovaskulären Risikoprofils und insbesondere der PWV kommt, werden die Ergebnisse der Folgeuntersuchungen nach einem Jahr zeigen.

Fazit für die Praxis

  • Kinder mit Übergewicht oder Adipositas zeigen bei der Messung der PWV bereits eine geringe Gefäßelastizität.

  • Ein BMI >90. Pzt. ist assoziiert mit kardiovaskulären Risikofaktoren im Sinne der beginnenden Entwicklung eines metabolischem Syndroms.

  • Niedriger EBS ist mit höherem BMI, höherem kardiovaskulärem Risiko, geringerer körperlicher Leistungsfähigkeit und höherem Medienkonsum assoziiert.