Hintergrund

Zur vorbeugenden Behandlung der „coronavirus disease 2019“ (COVID-19) wurden in einer beispiellosen weltweiten Forschungsanstrengung Sicherheit und Wirksamkeit neuer Impfstoffplattformen untersucht, die noch nie zuvor am Menschen eingesetzt wurden. Weniger als ein Jahr nach der Entdeckung der Severe-acute-respiratory-syndrome-coronavirus-2(SARS-CoV-2)-Virussequenz wurden Impfstoffe in zahlreichen Ländern für den Routineeinsatz zugelassen und es wurde mit Massenimpfungen begonnen. Die bislang in der Europäischen Union (EU) zugelassenen mRNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV‑2 BNT162b2 (BioNTech/Pfizer) und mRNA-1273 (Moderna) basieren auf einer ähnlichen lipidbasierten Nanopartikelträgertechnologie; die Lipidkomponenten unterscheiden sich jedoch. Allergische Reaktionen und Anaphylaxien machen einen wesentlichen Teil der bislang bekannt gewordenen unerwünschten Reaktionen auf diese Impfstoffe aus. Insgesamt sind sie aber dennoch selten.

In den klinischen Studien der Phase III wurden keine ernsthaften Nebenwirkungen festgestellt [1]. Leichte lokale Nebenwirkungen wie Schmerzen, Rötungen und Schwellungen an der Einstichstelle wurden bei den Impfstoffen häufiger beobachtet als bei Placebo. Systemische Symptome wie Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen sowie Muskel- und Gelenkschmerzen wurden ebenfalls etwas häufiger unter den Impfstoffen als unter Placebo beobachtet, und die meisten Symptome traten in den ersten 24–48 h nach der Impfung auf [1]. In den klinischen Studien der Phase I–III zu den mRNA-Impfstoffen BNT162b2 und mRNA-1273 wurden potenzielle Teilnehmer mit Vorgeschichte einer allergischen Reaktion auf einen Bestandteil des Impfstoffs ausgeschlossen, bei BNT162b2 zusätzlich auch Teilnehmer mit einer schweren Allergie in der Vorgeschichte in Verbindung mit irgendeinem Impfstoff [1, 2] Unerwünschte Ereignisse als allergische Reaktionen traten in beiden Studien in der Placebo- (Kochsalzlösung) und der Impfstoffgruppe gleichermaßen auf [1].

Die britische Arzneimittelbehörde MHRA (Medicines & Healthcare Products Regulatory Agency) hat als erste eine Notfallzulassung für den mRNA-Impfstoff von BioNTech/Pfizer erteilt. Am 08.12.2020, innerhalb eines Tages nach Beginn des britischen Massenimpfprogramms für Mitarbeiter des Gesundheitswesens und ältere Erwachsene, wurden Anaphylaxien bei 2 Frauen im Alter von 40 und 49 Jahren mit vorbekannten Nahrungsmittel- und Medikamentenallergien beobachtet. Ähnliches wurde auch aus den USA berichtet, wo die Food and Drug Administration (FDA) am 11.12.2020 eine Notfallzulassung („emergency use authorization“ [EUA]) für BNT162b2 erteilte. In der Folge traten anaphylaktische Reaktionen auch in den USA und anderen Ländern auf [3, 4].

Als Reaktion auf die Anaphylaxiefälle in Großbritannien hat die MHRA entschieden, dass Personen, bei denen in der Vergangenheit eine anaphylaktische Reaktion auf ein Lebensmittel, ein Medikament oder einen Impfstoff aufgetreten ist, vorerst nicht mit BNT162b2 geimpft werden sollten. In den USA wurde für beide mRNA-Impfstoffe empfohlen, alle Personen auszuschließen, bei denen in der Vorgeschichte eine schwere oder sofortige (innerhalb von 4 h) allergische Reaktion im Zusammenhang mit einem der Bestandteile des Impfstoffs, einschließlich von Polyethylenglykol (PEG) und PEG-Derivaten wie Polysorbat, aufgetreten ist [5].

Ende Dezember 2020 waren in den USA etwa 2 Mio. Menschen geimpft (28. Dezember, 2020). Die Inzidenz von Anaphylaxien im Kontext der SARS-CoV-2-Impfung mit den mRNA-Impfstoffen scheint etwa zehnmal so hoch zu sein wie die Inzidenz, die mit früheren Impfstoffen beobachtet wurde, nämlich etwa 1 auf 100.000 Impfinjektionen im Vergleich zu 1 zu 1.000.000 bei anderen Impfungen.

Mögliche anaphylaxieauslösende Inhaltsstoffe in den mRNA-COVID-19-Impfstoffen

Die aktuell in westlichen Industrieländern kommerziell verfügbaren COVID-19-Impfstoffe BNT162b2 und mRNA-1273 enthalten keine der „klassischen“ allergieinduzierenden Komponenten wie Gelatine, Ovalbumin oder andere Hühnereiproteine, Kuhmilchproteine (hauptsächlich verantwortlich für Soforttypreaktionen), Thiomersal, Aluminium, Phenoxyethanol oder Formaldehyd (hauptsächlich verantwortlich für Spättypreaktionen). Reste antimikrobieller Substanzen wie Neomycin oder Substanzen wie Latex, Hefen und Dextran sind ebenfalls nicht enthalten und auch Konservierungsmittel oder sonstige Zusatzstoffe werden nicht benötigt [1, 2, 4].

Daher ist zunächst zu klären, welche Bestandteile von BNT162b2 und mRNA-1273 (Tab. 1) generell Anaphylaxien auslösen können.

Tab. 1 In BNT162b2 und mRNA-1273 aufgeführte Inhaltsstoffe. (Nach [1, 2])

Beide Impfstoffe bestehen aus nukleosidmodifizierter mRNA, die für das virale Spike(S)-Glykoprotein von SARS-CoV‑2 codiert. Diese SARS-CoV-2-Virus-mRNA ist in Lipidnanopartikel (LNP) eingewickelt, die helfen, die mRNA in die humanen Zellen zu transportieren. Die liposomale Hülle besteht im Wesentlichen aus Phospholipiden (häufig modifiziert durch inkorporierte Cholesterine), die den im wässrigen Milieu befindlichen RNA-Impfstoff umschließen [6].

Diese als Nanopartikel bezeichnete Formulierung, die sowohl als Träger als auch als Stabilisator der RNA dient, ist mit zusätzlichen Hilfsstoffen versetzt, wie dem Polymer PEG, das unter anderem eine sterische Barriere gegen vorschnellen Abbau der Liposomen durch das retikuloendotheliale System bildet [7].

Die LNP wirken zusätzlich auch als immunverstärkendes Adjuvans. Sie sind „pegyliert“, das heißt, chemisch an PEG-Moleküle gebunden, die die Außenseite der Partikel bedecken und deren Stabilität und Lebensdauer erhöhen.

Liposomen können in Abhängigkeit von Größe und Zusammensetzung das Immunsystem aktivieren

Prinzipiell können diese Komponenten einzeln oder in Kombination als Induktoren von Anaphylaxien fungieren. So kann sowohl einzel- als auch doppelsträngige RNA das angeborene Immunsystem stimulieren, beispielsweise über die Toll-like-Rezeptoren TLR3 und TLR7/8, und zur exzessiven Freisetzung unterschiedlicher immunaktivierender Zytokine führen. Des Weiteren können Liposomen in Abhängigkeit von Größe, Zusammensetzung, Aufbau und Oberflächenladung das Immunsystem aktivieren, und die Bildung von Antikörpern gegen spezifische Bestandteile induzieren. Sodann können auch Hilfsstoffe Anaphylaxien auslösen. Eine besondere Rolle könnte in diesem Zusammenhang PEG spielen [3, 4].

Polyethylenglykol.

PEG ist in beiden Impfstoffen enthalten. Es ist beschrieben, dass anaphylaktische Reaktionen durch PEG ausgelöst werden können [8,9,10,11,12].

PEG wurde noch nie in einem zugelassenen Impfstoff verwendet, aber es ist in vielen Medikamenten und Alltagsprodukten enthalten. Patienten, die zuvor mit PEG in Berührung gekommen sind, können hohe Mengen an Antikörpern gegen PEG aufweisen, was sie dem Risiko einer anaphylaktischen Reaktion auf den Impfstoff aussetzen könnte [8].

PEG werden in zahlreichen alltäglichen Produkten wie Zahnpasta, Zahnseide, Shampoos, Kosmetikprodukten, Vitaminpräparaten und Lutschbonbons als Verdickungs- oder Lösungsmittel, Weichmacher oder Feuchtigkeitsträger verwendet, und sie werden seit Jahrzehnten als Abführmittel (Macrogol) eingesetzt. Des Weiteren kommen sie in einer Vielzahl an Arzneimitteln vor, so etwa in Antibiotika, Analgetika, Antiemetika, Antiepileptika, Antidepressiva, Antikoagulanzien, ja selbst in antiallergischen Medikamenten wie Kortikosteroidpräparaten und Antihistaminika, ebenso in medizinisch eingesetzten Produkten wie Desinfektionsmitteln oder Ultraschallgelen. Auch eine zunehmende Zahl von Biopharmazeutika und Biologika enthält pegylierte Verbindungen [13, 14].

PEG sind hydrophile Polyetherverbindungen, die zahlreiche Synonyme haben, beispielsweise Macrogol. Das Molekulargewicht der verschiedenen PEG reicht von 300 bis 35.000 g/mol und Überempfindlichkeitsreaktionen können durch PEG aller Molekulargewichte ausgelöst werden, wobei sowohl Sofort- als auch Spättypreaktionen beschrieben wurden [11, 12].

Allergische Reaktionen können durch PEG-spezifische Immunglobuline ausgelöst werden

Allergische Reaktionen können durch PEG-spezifische Immunglobulin-E(IgE)-, aber auch durch Immunglobulin-M(IgM)/Immunglobulin-G(IgG)-Antikörper ausgelöst werden. Zu anaphylaktischen Reaktionen kann es auch im Rahmen einer komplementaktivierungsbedingten Pseudoallergie (CARPA) kommen, die vor allem durch Medikamente auf Nanopartikelbasis ausgelöst wird, welche oft pegyliert sind [15].

Unabhängig von der Pegylierung haben Liposomen das Potenzial, Komplement unspezifisch zu aktivieren, abhängig von ihrer unterschiedlichen Oberflächenstruktur und Ladung. Wichtige Mediatoren sind hier die Komplementprodukte C3a, C4a und C5a (Anaphylatoxine; [8]).

Tromethamin/Trometamol.

Zusätzlich und im Gegensatz zum Impfstoff BNT162b2 enthält mRNA-1273 Tromethamin, auch Trometamol genannt (Summenformel: C4H11NO3; [3]).

Tromethamin/Trometamol ist ein organisches Amin, das in verschiedenen Medikamenten zur topischen, enteralen oder parenteralen Verabreichung und auch in kosmetischen Produkten als Emulgator verwendet wird. Es wurden Kontaktsensibilisierungen und Allergien gegen Tromethamin/Trometamol beschrieben und auch Anaphylaxien bei Verwendung als Hilfsstoff in iodierten Röntgenkontrastmitteln und Kontrastmitteln auf Gadoliniumbasis [3].

Weitere immunologische Effekte der Impfstoffe sind derzeit nicht zu erkennen. Dass die im mRNA-Impfstoff verwendete Erbinformation des Virus dauerhaft in das menschliche Genom integriert werden könnte, erscheint weitgehend ausgeschlossen. Bislang gibt es keine Hinweise, dass die von den humanen Zellen nach der Impfung aufgenommene mRNA in DNA umgeschrieben werden könnte. Die nach intramuskulärer Injektion in das Zytoplasma von Muskel- und Immunzellen aufgenommene einsträngige mRNA müsste dafür in den Zellkern gelangen und darüber hinaus in DNA umgeschrieben werden, was allein aufgrund fehlender Enzymausstattung in humanen Zellen nicht möglich ist.

Vielmehr besteht die Problematik von mRNA-Impfungen eher in einer zu kurzen Wirkdauer der mRNA bei möglichem extrazellulärem Abbau und in einer fehlenden Aufnahme in die menschlichen Zellen. Daher sind aufwendige Verfahren notwendig, die die mRNA durch Einschluss in LNP vor zu rascher Degradierung schützen. Ob diese nun für die Auslösung der beobachteten Anaphylaxien verantwortlich sind, ist nicht abschließend geklärt.

Erkennen einer allergischen Reaktion auf COVID-19-Impfstoffe

Allergische Reaktionen auf eine COVID-19-Impfung können im Sinne einer anaphylaktischen Reaktion mit Symptomen an Haut, Atemwegen, Gastrointestinaltrakt und kardiovaskulärem System auftreten. Die anaphylaktische Reaktion wird in vier Schweregrade unterteilt [16, 17].

Die Reaktion kann mit den Prodromalbeschwerden

  • Juckreiz,

  • Brennen im Bereich der Handinnenflächen, Fußsohlen und im Genitalbereich,

  • metallischem Geschmack,

  • Angst,

  • Kopfschmerzen und

  • Desorientierung

beginnen. Häufig kommt es dann zu

  • Urtikaria,

  • Mundschleimhautbeschwerden,

  • Schluckbeschwerden und auch

  • Schwellungen im Rachenbereich und Bronchialkonstriktion mit Dyspnoe.

Bei schwerem Verlauf können insbesondere die Atemwegsobstruktion und eine kardiovaskuläre Mitbeteiligung zu einem letalen Verlauf führen.

Das frühe Auftreten der Symptomatik macht eine schwere Reaktion wahrscheinlicher

Charakteristischerweise beginnt die Symptomatik plötzlich und kurz nach der Applikation eines Allergens, das frühe Auftreten macht eine schwere Reaktion wahrscheinlicher als ein verzögertes Auftreten der Reaktion [16].

Beim Impfstoff BNT162B2 traten drei Viertel aller allergischen Reaktionen innerhalb von 15 min nach der Impfung auf [18]. Die differenzialdiagnostische Abgrenzung zu Angst/Panikreaktionen mit Hyperventilation kann schwierig sein. Wichtig sind die Einordnung von Symptomen und bei Verdacht auf Anaphylaxie die unmittelbare Einleitung einer adäquaten Behandlung. Die Blutabnahme zur Bestimmung der Serumtryptase (im Vergleich zur basalen Tryptase) 1–2 h nach einer Reaktion ist hilfreich zur Sicherung der Diagnose einer Anaphylaxie [16].

Spättypreaktionen können sich unter anderem als Exanthem unterschiedlichen Schweregrads manifestieren, aber auch mit der oben dargestellten Symptomatik. Bei Spättypreaktionen treten die Symptome mit zeitlicher Verzögerung von einigen Stunden auf und werden daher nicht während der Überwachungsphase in der Impfstelle erfasst.

Therapie einer Anaphylaxie bedingt durch COVID-19-Impfstoffe

Anaphylaktische Reaktionen erfordern die unmittelbare Behandlung, essenziell ist bei raschem Verlauf und Beteiligung mehrerer Organe die Gabe von Volumen und Adrenalin intramuskulär (Tab. 2; [16, 17]).

Tab. 2 Pharmakotherapie einer Anaphylaxie bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen unter ambulanten Bedingungen. (Nach [16])

Wichtig ist auch die richtige Lagerung des Patienten (Schocklage). Blutdruck, Puls und Sauerstoffsättigung müssen adäquat überwacht werden, die Gabe von Sauerstoff wird empfohlen [16, 17].

Antihistaminika sind insbesondere bei Urtikaria wirksam, Kortikosteroide wirken unter anderem einem biphasischen Verlauf entgegen. Wegen dieser Möglichkeit eines biphasischen Verlaufs wird zumindest bei schwereren Reaktionen die Überwachung des Patienten über 24 h empfohlen [16].

Spättypreaktionen im Sinne von Exanthemen werden in Abhängigkeit vom Schweregrad bei mildem Verlauf mit topischen Kortikosteroiden sonst mit systemischen Kortikosteroiden behandelt. Gegen Juckreiz sind Antihistaminika begrenzt wirksam.

Um diese Therapie zu gewährleisten, wird eine Mindestausstattung an Pharmaka (Tab. 2) und medizinischem Material (Tab. 3) benötigt, die in jeder Impfstelle verfügbar sein müssen. Zudem muss das Impfpersonal in der Erkennung und Behandlung schwerer allergischer Reaktionen geschult sein.

Tab. 3 Materielle Ausstattung zur Behandlung anaphylaktischer Reaktionen in ambulanten Einrichtungen/Impfzentren. (Nach [16])

Diagnostik

Prick- und intrakutane Hauttests sowie die Analyse von Blutproben auf antigenspezifisches IgE, ggf. auch IgG und IgM und Provokationstests werden zur Identifizierung empfohlen, obwohl die Tests keinen 100 %igen negativen Vorhersagewert haben [19, 20]. Der Einsatz des Basophilenaktivierungstests (BAT) wurde beschrieben, ist jedoch bislang auf spezialisierte Zentren beschränkt und nicht Teil der Routinediagnostik [8].

Diskussion

Die klinischen Manifestationen der ersten Fälle in Großbritannien, den USA und Kanada passen zum klinischen Leitbild der Anaphylaxie: Sie traten innerhalb von Minuten nach den Injektionen auf, die Symptome waren typisch und alle sprachen auf Adrenalingabe an. Das Auftreten bei der ersten Exposition ist nicht typisch für IgE-vermittelte Reaktionen; allerdings könnte eine bereits bestehende Sensibilisierung auf eine Komponente des Impfstoffs diese Beobachtung erklären [4].

Die Berichte über diese Reaktionen in der Presse haben unter den Patienten mit Allergie massive Ängste bezüglich der Risiken der neuen Impfstoffe ausgelöst. Mit allergologischer Expertise betrachtet sind sie jedoch fast unvermeidlich, wenn eine Impfung für Millionen von Menschen begonnen wird.

Anaphylaxien auf Impfstoffe treten bei allen bislang bekannten Impfstoffen auf mit einer Häufigkeit von durchschnittlich etwa 1 auf 1.000.000 Injektionen [21]. Auch wenn diese Häufigkeit bei Applikation der beiden mRNA-Impfstoffe in den ersten Analysen ungefähr 10-mal häufiger war (1 auf 100.000 Injektionen), ist dies zunächst nichts Ungewöhnliches. Es unterstreicht die Notwendigkeit eines intensiven Monitorings sowie konstruktiver und proaktiver Handlungsempfehlungen, damit kausale Mechanismen definiert, Risikogruppen identifiziert und Strategien implementiert werden können, die die Behandlung und Prävention erleichtern [21].

Wichtig ist, dass eine Anaphylaxie jeden Geimpften überall und jederzeit treffen kann, auch unabhängig davon, ob bereits allergische Erkrankungen vorbekannt sind. Es gibt auch keine Korrelation der Inzidenz mit Alter oder Geschlecht [16, 20]. Daher ist wichtig, dass jede Impfstelle und jeder Impfende darauf vorbereitet ist, schwere allergische Reaktionen zu erkennen und zu behandeln (Tab. 2 und 3).

Eine Anaphylaxie kann jeden Geimpften überall und jederzeit treffen

Die mRNA-Impfstoffe enthalten ein lipidbasiertes Nanopartikelträgersystem, das den schnellen enzymatischen Abbau der mRNA verhindert. Das lipidbasierte Nanopartikelträgersystem wird zusätzlich durch ein PEG-2000-Lipidkonjugat stabilisiert, das eine hydrophile Schicht bildet und die Halbwertszeit verlängert. Es gab zuvor keine zugelassenen mRNA-Impfstoffe und auch keine anderen Impfstoffe, die auf dieser Trägertechnologie basieren. Daher bestehen keine früheren Erfahrungen über die Wahrscheinlichkeit oder den Mechanismus allergischer Reaktionen im Zusammenhang mit mRNA-Impfstoffen.

In Kürze wird voraussichtlich ein SARS-CoV-2-Impfstoff der Firma AstraZeneca mit einem Adenovirusträger die Zulassung erhalten. Allergologisch interessant ist hier eine Proteinuntereinheit, die mit Polysorbat 80 formuliert wird, einem nichtionischen Tensid und Emulgator, der eine ähnliche Struktur wie PEG aufweist [21, 22]. In den USA werden in den nächsten Monaten wahrscheinlich mindestens fünf weitere neue Impfstoffe auf den Markt kommen, andere befinden sich in der Entwicklung [22]. Diese Entwicklung wird auch bei uns in der EU weitergehen. Es wird daher wichtig sein, das Vertrauen der Öffentlichkeit aufrechtzuerhalten mit wirksamen Strategien zum Monitoring und zur Verbesserung der Sicherheit auf individueller und auf Bevölkerungsebene [23,24,25].

In Zukunft könnte auf Grundlage der mRNA-Impfstoff-Plattform eine personalisierte Impfstoffentwicklung ermöglicht werden, mit der sich der sicherste und wirksamste Impfstoff auf individueller Ebene maßgeschneidert herstellen lässt [26].

Auf immunologischer Ebene bleiben in Bezug auf COVID-19-Impfstoffe viele Fragen offen. Was genau sind die Korrelate der schützenden Immunität nach einer natürlichen Infektion oder Impfung und können diese ein Monitoring ermöglichen? Wie lange wird die Immunität anhalten? Welche Komponente des Impfstoffs ist für die allergischen Reaktionen verantwortlich und kann dies bei der Impfstoffentwicklung oder -weiterentwicklung berücksichtig werden?

Solange diese Fragen nicht beantwortet sind und generell ein Mangel an Impfstoff besteht, sollte mit den (guten!) vorhandenen Impfstoffen eine möglichst effiziente und sichere Impfstrategie verfolgt werden. Aus allergologischer Sicht sollten hierfür Impfzentren und andere Impfende die Vorbeugung, Diagnose und Behandlung schwerer allergischer Reaktionen berücksichtigen. Entsprechend sollten notwendige Medikamente und Ausrüstung in Impfzentren, aber auch in Alters- und Pflegeheimen und für mobile Impfteams zur unmittelbaren Anwendung verfügbar sein. Die dargestellten potenziell allergenen/immunogenen Bestandteile sollten bei den definierten Risikopopulationen vor einer Impfung, aber auch bei Patienten nach entsprechenden Impfreaktionen getestet werden, um das verantwortliche Allergen zu identifizieren und um gegebenenfalls die notwendigen Maßnahmen für die zweite Impfdosis treffen zu können. Es ist wichtig zu betonen, dass derzeit keine zugelassenen Testallergene für diese Indikation verfügbar sind. Diese sollten baldmöglichst verfügbar gemacht werden, wozu verschiedene Entwicklungsprogramme angelaufen sind.

Fazit für die Praxis

  • Kein Allergiker sollte ohne hinreichenden Grund von einer COVID-19-Impfung ausgeschlossen werden.

  • Der überwiegende Teil aller Allergiker kann eine COVID-19-Impfung mit den zugelassenen Impfstoffen erhalten.

  • Allergiker, die Risikogruppen angehören, sollten vor einer COVID-19-Impfung einer allergologischen Abklärung zugeführt werden.

  • Patienten mit Allergien sollten nach einer Impfung für 30 min überwacht werden.

  • Anaphylaktische Reaktionen können bei vorbekannten Allergien, jedoch auch ohne vorherige Hinweise auftreten. Jeder Impfarzt muss daher auf Anaphylaxiebehandlungen vorbereitet sein und über entsprechende Sachkenntnis verfügen.

  • Impfarzt und -personal müssen in der Erkennung und Behandlung schwerer allergischer Reaktionen geschult sein.

  • Eine Mindestausstattung an Medikamenten und Instrumentarium muss in jeder Impfstelle zur unmittelbaren Anwendung verfügbar sein. Das gilt für Impfzentren, Arztpraxen, mobile Impfteams in Pflegeheimen, Patientenwohnungen etc.

  • Bei (vermeintlichen) allergischen Reaktionen auf die Impfstoffe sollte eine allergologische Abklärung in einem spezialisierten Zentrum erfolgen.