Als Krankheitsbild wird der laryngopharyngeale Reflux (LPR) wissenschaftlich erst seit 1991 systematisch untersucht [1] und ist definiert als ein Zurückfließen von gastralem bzw. gastroduodenalem Sekret in den oberen aerodigestiven Trakt, insbesondere in den Larynx- und Pharynxbereich [2]. Eine genauere Abschätzung der Prävalenz sowie Inzidenz dieser Erkrankung ist dabei auch im Hinblick auf das Fehlen eines diagnostischen Goldstandards sowie die heterogene epidemiologische Studienlandschaft bisher sehr problematisch [1,2,3,4]. Zudem stand in der Vergangenheit bei der Abklärung des LPR häufig nur eine rein ösophageale pH-Metrie mit Abklärung der rein sauren Refluxkomponente zur Verfügung, sodass epidemiologische Rückschlüsse bei oftmals fehlender Berücksichtigung von nichtsauren oder gemischten Refluxereignissen weiter erschwert sind [5].

Pathomechanistisch kann die Exposition gegenüber saurem, aber auch nichtsaurem Reflux einerseits eine direkte Schädigung und Entzündung der Schleimhäute im oberen aerodigestiven Trakt zur Folge haben und dabei zu den charakteristischen LPR-assoziierten Larynx- und Pharynxveränderungen führen [2]. Auf der anderen Seite werden in der Literatur in den letzten Jahren weitere Pathomechanismen beschrieben, die auf einer Reizung von neuronalen Reflexbögen v. a. im distalen Ösophagus beruhen und als Trigger von chronischem Husten, zervikalem Globusgefühl oder Hypersekretion von Mukus im Larynx und Pharynx fungieren können [6,7,8]. Insgesamt kann sich der LPR daher durch ein sehr breites Spektrum an teils sehr unspezifischen Symptomen präsentieren. Dieses kann neben den genannten Beschwerden unter anderem noch Heiserkeit bis hin zu einem hyperreagiblen Larynx, „postnasal drip“, aber auch klassische Symptome des gastroösophagealen Refluxes (GERD) wie retrosternales Brennen oder saures Aufstoßen beinhalten [9].

Besteht nun bei entsprechender Anamnese und suggestiver Symptomatik mit gleichzeitig fehlenden Hinweisen auf eine andere Grunderkrankung der Verdacht auf einen LPR, so stehen trotz Fehlen eines etablierten Goldstandards bei der Diagnose des LPR zahlreiche Werkzeuge zu Verfügung, die in der nachfolgenden Übersichtsarbeit zusammengefasst und kritisch diskutiert werden.

Diagnostische Möglichkeiten

Fragebögen

Der Reflux Symptom Index (RSI) ist der älteste und auch bekannteste LPR-Symptomfragebogen mit insgesamt 9 Items (Tab. 1). Dieser wurde bisher zwar in zahlreichen Studien eingesetzt und validiert [9,10,11,12], dennoch haben sich in den letzten Jahren diesbezüglich einige Schwachpunkte herauskristallisiert: So sind die im RSI aufgelisteten Beschwerden einerseits unspezifisch und werden oftmals auch von Patienten mit anderen Erkrankungen wie beispielsweise einer chronischen Rhinosinusitis, Allergien oder chronischen oberen Atemwegsinfekten ohne pH-metrisch bestätigten Reflux beklagt. Auf der anderen Seite finden weitere mit LPR assoziierte Symptome wie etwa die Odynophagie oder Schmerzen im Hals- und Pharynxbereich im RSI keine Beachtung [2]. Zudem werden im RSI lediglich die Symptomstärke, nicht jedoch die Häufigkeit der entsprechenden Symptome und die damit einhergehende Beeinträchtigung der Lebensqualität erfasst [2]. Im Hinblick darauf wurde daher 2018 im „international project of young otolaryngologists of the International Federation of Otorhinolaryngological Societies“ ein neuer Reflux Symptom Score (RSS) aufgestellt, der eine genauere Differenzierung der Symptomatik erlaubt und der in den kommenden Jahren in zahlreichen Kliniken weiter untersucht und validiert werden soll (Tab. 2; [12, 13]).

Tab. 1 Darstellung des originalen englisch sprachigen Reflux Symptom Index mit Beschwerden zwischen 0 (keine Beeinträchtigung des Patienten) bis 5 (schwere Symptomatik). Score von > 13 dabei als pathologisch definiert
Tab. 2 Darstellung des originalen englisch sprachigen Reflux Symptom Score (RSS), bei dem ein Gesamtscore > 13 kann als pathologisch betrachtet werden kann. Dabei gilt bzgl. Häufigkeit („frequency“): 0: keine Beschwerden im letzten Monat. Für 1, 2, 3 und 4 gilt entsprechend: 1–2; 2–3, 3–4 und 4–5 × Beschwerden pro Woche im letzten Monat. 5: die Beschwerden bestehen täglich. Für Schwere („severity“) und Beeinträchtigung der Lebensqualität („quality of life impact“) gilt: 0 (kein Problem) bis 5 (schweres Problem)

Ein häufig eingesetzter und bekannter Fragebogen auf Untersucherseite ist der sog. Reflux Finding Score (RFS), bei dem insgesamt 8 endoskopische Befunde des Larynx evaluiert und teils auch gemäß Schweregrad eingestuft werden (Tab. 3; [14]). Ähnlich wie im Fall des RSI wird auch dieses Instrument in den letzten Jahren zunehmend kontrovers diskutiert: Einerseits finden im RFS einige LPR-assoziierte Befunde wie beispielsweise Stimmlippenerytheme, Leukoplakien oder entzündliche Veränderungen der posterioren Pharynxwand keine Beachtung. Andererseits wird der Auswertung des RFS eine hohe Abhängigkeit vom jeweiligen Untersucher zugeschrieben, sodass auch hier kürzlich durch die Arbeitsgruppe „young otolaryngologists of the International Federation of Otorhinolaryngological“ das Reflux Sign Assignment (RSA) als neues Instrument entwickelt wurde [12]. Dieses erlaubt eine sehr detaillierte Differenzierung von LPR-assoziierten laryngealen und extralaryngealen Veränderungen. Ein Score > 14 kann als pathologisch betrachtet werden und ist mit dem Vorliegen eines LPR vereinbar. Auch konnte in ersten Validierungen bereits eine hohe Intra- unter Inter-Beurteiler-Reliabilität demonstriert werden [13].

Tab. 3 Darstellung des originalen englisch sprachigen Reflux Finding Score, bei dem ein Score > 7 als pathologisch bewertet wird und für einen LPR sprechen kann

Apparative Diagnostik

Besteht bei suggestiver Anamnese und endoskopischen Befunden der Verdacht auf einen LPR, kann dieser insbesondere bei Unklarheiten oder beispielsweise bei fehlendem Ansprechen auf eine säurehemmende Therapie durch eine weiterführende apparative Diagnostik weiter abgeklärt werden:

Dabei besteht einerseits auf gastroenterologischer Seite die Möglichkeit einer hochauflösenden Ösophagusmanometrie (HRM), gefolgt von einer kombinierten 24-h-Impedanz-pH-Metrie (24-h-MII-pH-Metrie, MII: Multikanal-intraluminale-Impedanzmessung). Die Ösophagusmanometrie ist erforderlich, um ösophageale Motilitätsstörungen oder bestimmte Risikofaktoren für eine Refluxerkrankung wie beispielsweise einen hypotonen unteren Ösophagussphinkter oder eine Hiatushernie abzuklären [15]. Ebenfalls kann in der gleichen Untersuchung der Ösophagus entlang seiner Längenausdehnung vermessen werden, damit folgend im Rahmen der 24-h-MII-pH-Metrie eine exakte Positionierung der pH-Elektrode, üblicherweise ca. 5 cm proximal des unteren Ösophagussphinkters, möglich ist (Abb. 1; [8]).

Abb. 1
figure 1

Clouse Plot einer hochauflösenden Ösophagusmanometrie (HRM) mit einer Einzelschluckuntersuchung mit hypotensivem unterem Ösophagussphinkter und eine Hiatushernie. OÖS Druckbande des oberen Ösophagussphinkters über die Zeit, UÖS Druckbande des unteren Ösophagussphinkters über die Zeit

Bei der auf die Manometrie folgenden modernen 24-h-MII-pH-Metrie werden im Vergleich zu der früher durchgeführten reinen pH-Metrie im distalen Ösophagus mehrere diagnostische Vorteile erzielt. Auf der einen Seite verfügt ein MII-pH-Metrie-Katheter über mehrere „Impedanzelektroden“, die in unterschiedlich großen Abständen zur Katheterspitze platziert sind und entsprechende Veränderungen des Wechselstromwiderstands erfassen können. Dies ermöglicht schließlich eine exakte Detektion des intraösophagealen Transits von Flüssigkeiten und Gasen, sodass bei gleichzeitigem Vorhandensein einer pH-Elektrode im distalen Ösophagus saure, gemischte und nichtsaure Refluxereignisse gut voneinander abgegrenzt werden können (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Exemplarisch aufgezeichnetes saures (a) bzw. nichtsaures (b) Refluxereignis im Rahmen einer 24-h-Impedanz-pH-Metrie. Kanal 1 bis 6 mit Output der Impedanzelektroden von proximal nach distal. Kanal 7 mit pH-Elektrode im distalen Ösophagus. Kanal 8 mit pH-Elektrode im Magen

Allerdings gibt es in Bezug zum LPR bei der 24-h-MII-pH-Metrie, die primär im Rahmen der GERD-Diagnostik entwickelt wurde, keine allgemein anerkannten Interpretationskriterien. So bedienen sich beispielsweise einige Studien zur Diagnostik des LPR des DeMeester-Scores [16], der eigentlich in Hinblick auf den GERD etabliert wurde [17]. Hingegen wird bei anderen Studien als maßgebendes Kriterium für einen LPR der Abfall der Impedanz im Bereich der proximalsten Impedanzelektroden herangezogen [18]. Ein Nachteil der insgesamt eher aufwendigen 24-h-MII-pH-Metrie ist durch den schlechten prädiktiven Aussagewert bei Fehlen von klassischen GERD-Symptomen für das Ansprechen von LPR-typischen Symptomen, wie beispielsweise dem chronischen Husten auf eine säurehemmende Therapie, gegeben [19].

Eine weitere Möglichkeit, bestehende Refluxereignisse zu erfassen, stellt die Implantation einer drahtlosen 48-h-Bravo-Kapsel dar (Abb. 3). Diese eignet sich besonders für Patienten, welche eine 24-h-pH-Metrie-Sonde über die Nase nicht tolerieren können oder bei denen eine Säuremessung über einen längeren Zeitraum geplant ist. Hierbei wird im Rahmen einer Gastroskopie eine Einmalkapsel im distalen Ösophagus platziert, wobei unter endoskopischer Sicht eine Positionierung der Kapsel 6 cm proximal des unteren Ösophagussphinkters möglich ist. Diese misst über 48 h den vorliegenden pH-Wert, sendet die Ergebnisse per Funk an ein kleines Empfängergerät. Sie fällt nach wenigen Tagen von selbst ab und wird auf natürlichem Weg ausgeschieden. Im Vergleich zur konventionellen Messung fällt somit die möglicherweise störende transnasal eingelegte Sonde weg [20, 21]. Als nachteilig könnten bei dieser Methode jedoch höhere Kosten [22] sowie die fehlende Impedanzmessung zur Diagnostik von nichtsauren Refluxereignissen erachtet werden [23]. Hinsichtlich des diagnostischen Outcomes einer Refluxerkrankung unterscheiden sich die beiden Verfahren/Techniken nicht [24].

Abb. 3
figure 3

Platzierte Bravo-Sonde im distalen Ösophagus im Rahmen einer 48-h-pH-Metrie

Aufseiten der Hals‑, Nasen‑, Ohrenheilkunde besteht die Möglichkeit der Durchführung einer speziellen oropharyngealen 24-h-pH-Metrie, welche von der Fa. Restech (11011 Brooklet Dr, Ste 300, Houston, TX, USA) vertrieben wird. Bei dieser Methodik wird ein dünner Katheter mit einer speziellen pH-Messelektrode transnasal bis in den Oropharynx vorgeschoben, wo saurer Reflux in flüssiger, aber auch in aerosolierter Form detektiert werden kann. Aus den Messergebnissen kann ein „Ryan Score“ berechnet werden, in dem sowohl die Anzahl der sauren Refluxepisoden als auch die prozentuale Zeit mit einem pH-Abfall unter die vordefinierten Grenzwerte und die Dauer der längsten sauren Refluxepisode im Pharynx Berücksichtigung finden. Ein Ryan Score in aufrechter Position von > 9,41 bzw. in liegender Position von > 6,8 kann für einen schweren sauren LPR sprechen [25]. Bislang erfolgte der Einsatz einer oropharyngealen pH-Metrie lediglich in wenigen Studien: Dabei wird der oropharyngealen pH-Metrie neben einer einfachen Durchführbarkeit und meist guter Tolerierbarkeit durch die Patienten eine höhere Sensitivität bei der Detektion von sauren Refluxepisoden zugeschrieben [26, 27]. Jedoch konnten weitere Studien keine Korrelation zwischen den Befunden aus der oropharyngealen pH-Metrie und dem RFS, RSI, der klassischen ösophagealen 24-h-MII-pH-Metrie oder den Pepsinspiegeln im Speichel identifizieren [18, 28,29,30]. Ebenfalls finden bei dieser Methodik gemischte und rein nichtsaure Refluxepisoden, die ebenfalls in die Pathogenese des LPR involviert sein können, keine Beachtung [29]. Insgesamt bleibt die Wertigkeit der oropharyngealen 24-h-pH-Metrie wie auch der anderen pH-metrischen Verfahren bei der Diagnosestellung des LPR unzureichend verstanden und gleichzeitig auch umstritten. Weitere Studien sind somit zur Klärung dieser Fragen, insbesondere auch zur Validierung von Normwerten und zur Etablierung von validen Diagnosekriterien in Bezug auf den LPR, erforderlich.

Laborchemische Bestimmung von Pepsin im Speichel

Pepsin, das von den gastralen Hauptzellen als wichtiges proteolytisches Enzym produziert und in den Magensaft sekretiert wird, wird in der Literatur als sensitiver und spezifischer Marker für den LPR beschrieben [31]. Ebenso wird Pepsin eine wesentliche Rolle bei der Schädigung der laryngealen und pharyngealen Schleimhaut zugeschrieben, und es konnte auch gezeigt werden, dass hohe Pepsinspiegel im Speichel mit bestimmten endoskopischen Larynxbefunden und damit einem erhöhten RFS korrelieren [32]. Aktuell zeigen sich jedoch noch zahlreiche Schwierigkeiten beim Einsatz dieser Methodik. So konnten bisher deutliche tageszeitliche Schwankungen der Pepsinspiegel im Speichel festgestellt werden, wobei neuere Studien v. a. in den Morgenstunden die höchsten Konzentrationen von Pepsin im Speichel beschreiben [33]. Dennoch ist die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt der Probenentnahme nicht abschließend geklärt. Ebenfalls zeigen sich die bislang zu dieser Thematik durchgeführten Studien sehr heterogen. Dies betrifft v. a. die Art und Weise der Probenentnahme, bei der Speichel, Abstriche oder auch pharyngeale Schleimhautbiopsien auf Pepsin analysiert wurden. Validierte und anerkannte Grenzwerte, ab denen von einem Refluxgeschehen ausgegangen werden kann, gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch keine. Ebenfalls erscheint gemäß neueren Studien eine Differenzierung zwischen dem LPR und GERD mit dieser Methodik nicht vielversprechend zu sein [28, 34].

Dennoch kann in Zusammenschau der verfügbaren Daten und auch im Hinblick auf die relativ einfache und günstige Durchführbarkeit davon ausgegangen werden, dass sich Pepsinmessungen im Speichel in der Zukunft zu einem ergänzenden Baustein in der Diagnostik des LPR entwickeln könnten [34].

Fazit für die Praxis

  • Aufgrund der heterogenen Studienlage und dem Fehlen eines Goldstandards bleibt die Diagnosestellung des LPR weiterhin schwierig und umstritten.

  • Die Diagnosestellung des LPR kann jedoch als wahrscheinlich betrachtet werden, wenn/bei:

    • Anamnese suggestiv mit erhöhten Scores im RSI,

    • entsprechenden endoskopischen Befunden mit pathologischem RFS,

    • auffälliger ösophagealer oder oropharyngealer 24-h-pH-Metrie,

    • keine Hinweise auf eine andere Grunderkrankung für die Diagnose.

  • Neue Fragebögen wie der RSS oder RSA könnten sich genauso wie die Messung der Pepsinkonzentration im Speichel zu vielversprechenden neuen Werkzeugen in der Diagnostik des LPR entwickeln.