FormalPara Leserbrief zu:

Hamm K et al (2017) Radiochirurgie und fraktionierte stereotaktische Radiotherapie des Vestibularisschwannoms. HNO 65:434–442. doi: 10.1007/s00106-016-0319-3

Die Bestrahlung ist neben den chirurgischen Maßnahmen und der beobachtenden abwartenden Haltung eine bewährte Strategie zur Behandlung von Vestibularisschwannomen. Der Artikel fasst die Modalitäten der Bestrahlung zusammen, und die Therapieform hat unbestritten ihre Vorteile. Auch wenn Lars Leksell die einmalig hochfokussierte Hochdosisbestrahlung als „Chirurgie“ bezeichnet, so ist das nicht zutreffend und eher verwirrend. Wir haben viele Begriffe in unserem HNO-Wortschatz, die inhaltlich etwas anderes aussagen, als was wir meinen. Da sind z. B. die „Paukendrainage“, die ein „Paukenventilationsröhrchen“ ist, oder das „Tracheostoma“, welches es ausschließlich nach einer Laryngektomie gibt. Alles andere ist ein Zustand nach Tracheotomie, weshalb inhaltlich ein Tracheostomaverschluss absolut deletäre Folgen hätte. Auch die „Mikrolaryngoskopie“, die eigentlich eine „Larynxmikroskopie“ ist, gehört zu diesen begrifflichen Verunstaltungen, wie wir auch von der „Ohrmikroskopie“ und nicht von der „Mikrootoskopie“ sprechen. Auch die immer wiederkehrenden Verwechslungen von „Neurootologie“ und „Otoneurologie“ oder selbst in offiziellen Mitteilungen die begrifflich falsche Bezeichnung „HNO-Universitätsklinik“ anstatt richtig „Universitäts-HNO-Klinik“.

Das alles mag man abtun mit Semantik, vieles ist Jargon, weder nach- noch vorgedacht und soll hier nicht vertieft werden.

Anders verhält es sich mit dem Begriff der „Radiochirurgie“. Dieser Begriff erweckt bei Nichtradiotherapeuten den Eindruck im Zusammenhang mit der Behandlung eines Tumors, dass dieser quasi mit einem Messer („cold steel“) entfernt wird. Genau das ist nicht der Fall. Der Tumor bleibt und soll nur inaktiviert werden, was wiederum etwas vernebelnd als „kontrolliert“ bezeichnet wird. Wie in der Chirurgie soll der Eingriff einmalig sein. So wird es auch bei dieser Bestrahlung begrifflich suggeriert. Die jedoch wiederholenden Applikationen werden dann als „multisession radiosurgery“ (msRS) bezeichnet, sind also doch nicht einmalig. Diese Begriffe haben v. a. ihre Wirkung auf die Patienten, die wir vor einer Therapie ausführlich aufklären müssen.

Auch in der Onkologie wird man mit der kommenden individualisierten Immuntherapie offenbar nur wenige Sitzungen benötigen, und der Begriff der „multisession chemosurgery“ wird hoffentlich keine Chance haben.

Die Chirurgie ist mit handwerklichen Aktionen verbunden und hat nichts mit einem „CyberKnife“ oder „Gammaknife“ zu tun. Ein Messer („cold steel“) ist und bleibt präziser in der Schnittführung als ein noch so präziser, berechneter und computergesteuerter Strahl einer Strahlenquelle. Ich meine, man sollte deshalb den Begriff der „Radiochirurgie“ („radio surgery“, RS) verlassen zugunsten einer „Hochpräzisionsbestrahlung“ oder ähnlichen Begrifflichkeiten.

Sehr wohltuend ist im „Fazit für die Praxis“ der Hinweis, bei abwartender Strategie Bildgebung und HNO-Kontrollen durchzuführen. Genau das beinhaltet „wait and watch, wait and scan“. Die neurootologischen Kontrollen sind ebenso wichtig wie die Magnetresonanztomographie (MRT), denn wir stellen die Indikationen für invasive Strategien in erster Linie aufgrund der Funktionsstörungen und nicht (nur) aufgrund der Tumorgröße.