Die Resektionsstrategien bei Nebennierentumoren und Paragangliomen haben sich in den letzten Jahren durch die minimal-invasive Chirurgie, aber auch durch den enormen Fortschritt in der genetischen Diagnostik erheblich gewandelt. Zwei Beispiele verdeutlichen dies besonders: Nebennierentumoren ohne bildgebende Lokalinvasion sollten und werden heute nahezu ausschließlich laparoskopisch oder retroperitoneoskopisch operiert. Anders als früher angenommen, können bei entsprechender Expertise auch Paragangliome so operiert werden. Als zweites ist bei Phäochromozytomen und Paragangliomen die Genetik hinzugekommen, die für die Chirurgie zu einem vollkommen neuen Verständnis und einer neuen Resektionsstrategie geführt hat. Es darf angemerkt werden, dass an der Entwicklung dieser beiden Bereiche Kliniker aus Deutschland einen wesentlichen Anteil gehabt haben.

Inzidentalome der Nebennieren kleiner 4 cm sind nur ausnahmsweise operationsbedürftig

Für die Indikationsentscheidung und richtige Strategiewahl ist das Vorhandensein eines am besten am Ort präsenten multidisziplinären Teams von erheblicher Bedeutung, da die operative Strategie nicht selten vom „Feintuning“ der endokrinologischen oder radiologischen Diagnostik abhängt und dies eine direkte Kommunikation der beteiligten Disziplinen im endokrinen Tumorboard notwendig macht. Als Beispiele hierfür sind zu nennen: das subklinische Cushing-Syndrom, der asymmetrische primäre Hyperaldosteronismus oder der große Nebennierentumor mit fraglicher Lokalinvasion.

Aus indikatorischer Sicht ist besonders hervorzuheben, dass nach langer und nicht ohne Kontroversen geführter Diskussion Inzidentalome der Nebenniere, d. h. nicht malignitätsverdächtige, hormoninaktive Tumoren, erst dann operiert werden sollten, wenn eine Größenzunahme über 4 cm verifiziert wird [1].

Die Indikation zur unilateralen Adrenalektomie ist beim Conn-Syndrom nicht selten dadurch erschwert, dass auch bei dieser Endokrinopathie nicht nur ein „Alles-oder-Nichts-Gesetz“ vorliegt, d. h. eine unregulierte Autonomie oder keine Autonomie, sondern ein funktionelles Kontinuum vorliegen kann, dessen Endpunkt erst die Autonomie ist. Der Bestimmung des Aldosteron-Renin-Quotienten kommt daher bei der Indikationsstellung zur Operation ebenso eine sehr wesentliche Bedeutung zu, wie dem kavalen Stufenkatheter mit seitengetrennter Hormonbestimmung bei nodulärer Asymmetrie (N. Unger).

Hauptdiskussionspunkt bei fraglichen oder sehr wahrscheinlich malignen Tumoren, d. h. lokal begrenzt invasiven, noch nicht metastasierten Nebennierenkarzinomen (ACC) ist die Frage des operativen Zugangs, endoskopisch oder offen, sowie der lokoregionären Lymphadenektomie. Der Beitrag von S. Schimmack und O. Strobel gibt hierauf eine klare, durch Studien gut begründete Antwort, die auch durch die schon erwähnte europäische Leitlinie gestützt ist: ACC können minimal-invasiv operiert werden, solange keine onkologischen Kompromisse damit verbunden sind und solange nicht eine Ruptur der Tumorkapsel droht. Bei erkennbarer Malignität wird die Durchführung einer lokoregionären Lymphadenektomie empfohlen, jedoch nicht als alleiniges Operationsziel im Sinne eines zweizeitigen Vorgehens.

Bei hereditären Phäochromozytomen wird das individuelle Resektionskonzept entscheidend vom Genstatus bestimmt

Die enorme chirurgische Bedeutung der genetischen Diagnostik ist am besten bei den Tumoren des sympathoadrenalen Systems zu erkennen: den adrenalen Phäochromozytomen und extraadrenalen Paragangliomen. Wie bei medullären Schilddrüsenkarzinomen konnte in den letzten Jahren bei adrenalen Phäochromozytomen und Paragangliomen in über einem Drittel der Fälle eine hereditäre Pathogenese nachgewiesen werden [2]. Derzeit sind 10 unterschiedliche Keimzellmutationen bekannt, die mit einer jeweils differenten klinischen Manifestation hinsichtlich Alter bei Diagnose, Lokalisation und Malignitätsrisiko verbunden sind (E. v. Dobschütz und H. P. H. Neumann). So wurde festgestellt, dass sich z. B. bei Patienten mit multipler endokriner Neoplasie Typ 2 nur extrem selten maligne Phäochromozytome entwickeln, im Gegensatz dazu bei Patienten mit Keimzellmutation im SDHB-Gen jedoch ca. 30 % der Phäochromozytome maligne sind. Für die klinische Praxis resultiert daraus, dass bei allen Phäochromozytompatienten bereits präoperativ eine diesbezügliche Diagnostik empfohlen wird, um das individuelle Resektionskonzept (radikal-onkologisch bei SDHB-Mutation gegenüber nebennierenrindenschonend bei RET-Mutation) festzulegen.

Martin Walz hat national und international die Etablierung des retroperitonealen Zugangs zur Adrenalektomie begründet, außerdem aber auch gezeigt, dass extraadrenal-retroperitoneale Paragangliome nicht grundsätzlich konventionell-offen, wie zunächst angenommen, sondern mit nachhaltigem Erfolg minimal-invasiv operiert werden können [3]. Walz empfiehlt dabei, oberhalb der renalen Gefäßachse gelegene Paragangliome retroperitoneoskopisch, unterhalb dieser horizontalen Ebene gelegene Paragangliome laparoskopisch, je nach Lage zur infrarenalen Aorta bzw. V. cava trans- oder extramesenterial anzugehen. Ob bei größeren Paragangliomen das bei minimal-invasivem Zugang erforderliche Morcellement wie bei adrenalen Tumoren mit einem Rezidivrisiko durch z. B. nicht erkennbare Undichtigkeit des Bergebeutels verbunden sein kann, müssen weitere Studien ergeben.

Anders als bei den adrenokortikalen Tumoren und den adrenalen sowie extraadrenal-retroperitonealen Tumoren des sympathoadrenalen Systems steht bei den parasympathischen Paragangliomen des Halses nicht die Zugangswahl im Vordergrund, sondern das perioperative Management (Frage der präoperativen Embolisation) und bei bilateral-hereditären Paragangliomen die Frage der Seitendominanz und der chirurgischen Taktik bei vagalen Paragangliomen. Abgesehen davon, dass die zervikalen Paragangliome bei Beteiligung der A. carotis immer eine endokrin- und gefäßchirurgische Teamoperation erfordern, ergibt sich als praktisches Fazit, dass bei Glomus-caroticum-Paragangliomen die präoperativ superselektive Embolisation von Vorteil für die Resektion sein kann, sich dies am Outcome aber nur schwer nachweisen lässt (R. Schneider et al.). Hinsichtlich der bilateral-hereditären Paragangliome ist eine profunde Erfahrung bezüglich der von der Genetik bestimmten Tumordynamik in Verbindung mit der Lokalisation und den operativen Risiken erforderlich, um zur Empfehlung eines abwartenden, chirurgischen oder strahlentherapeutischen Vorgehens zu kommen.

Die Berücksichtigung der tumortypischen Genetik erlaubt heute eine individualisierte Chirurgie der sympathoadrenalen Tumoren. Das viszeralchirurgische Gebiet der Nebennierentumoren und Paragangliome ist daher zusätzlich zu den Entwicklungen der minimal-invasiven Chirurgie adrenokortikaler Tumoren um eine weitere Dimension erweitert und daher außerordentlich spannend geworden.

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Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Henning Dralle