FormalPara Originalpublikation

Borstlap WAA, Westerduin E, Aukema TS et al (2017) Anastomotic leakage and chronic presacral sinus formation after low anterior resection. Ann Surg 266:870–877

FormalPara Hintergrund.

Eine der Hauptkomplikationen nach tiefer anteriorer Rektumresektion (TAR) ist die Anastomoseninsuffizienz (AI). Während die meisten AI noch während des Krankenhausaufenthalts symptomatisch werden, bleiben oligosymptomatische Verläufe und Spätinsuffizienzen häufig lange unentdeckt und werden erst vor der Rückverlagerung eines protektiven Stomas oder nach falsch-negativer Diagnostik und erfolgter Rückverlagerung eines protektiven Stomas festgestellt. Patienten mit Spätinsuffizienzen und chronischen Insuffizienzen können noch Jahre nach TAR Symptome entwickeln. Diese reichen von Schmerzen über Abszess- und Fistelbildung bis hin zur Harnleiterfibrose und nekrotisierenden Fasziitis.

FormalPara Methoden.

An 71 Zentren in den Niederlanden wurden im Rahmen einer retrospektiven Querschnittsstudie alle Patienten, die im Jahr 2011 eine TAR erhielten, erfasst und hinsichtlich des Auftretens einer AI ausgewertet.

FormalPara Ergebnisse.

Von 998 Patienten, die eine TAR erhielten, erlitten 200 (20,0 %) während einer medianen Nachbeobachtungszeit von 43 Monaten eine AI. Etwa zwei Drittel (n = 134) der AI traten innerhalb der ersten 30 postoperativen Tage auf, 66 AI wurden erst zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt. Von den 200 Patienten wurden 23 aufgrund von Tod, unvollständiger Nachsorge oder mangelhafter Datenerhebung von der weiteren Analyse ausgeschlossen. Von den 177 ausgewerteten Patienten entwickelten 85 eine chronische Anastomoseninsuffizienz mit persistierendem präsakralem Sinus oder Abszess. Nach 12 Monaten war die AI bei 48 % der Patienten nicht abgeheilt. 144 der 200 Patienten mit AI erhielten mindestens einen weiteren Eingriff. Eine neoadjuvante Vorbehandlung und ein Abstand des Tumors von der Anokutanlinie von <3 cm waren in der multivariaten Analyse mit einem erhöhten AI-Risiko assoziiert (Odds Ratio [OR] 2,85 [95 %-Konfidenzintervall [KI] 1,00–8,11; p = 0,049] und OR 1,88 [95 %-KI 1,02–3,46; p = 0,04]).

FormalPara Diskussion und Fazit.

Diese Querschnittsstudie zeigt, dass etwa ein Drittel aller AI später als 30 Tage nach TAR diagnostiziert werden und fast die Hälfte aller AI nach einem Jahr nicht abgeheilt sind. Im Vergleich zu anderen Studien erscheint die Insuffizienzrate mit 20 % relativ hoch. Dies ist wohl teilweise dem langen Follow-up geschuldet, welches über die meist üblichen 30 postoperativen Tage hinausgeht. In der vorgestellten Arbeit waren eine supraanale Anastomose und eine neoadjuvante Vorbehandlung mit einem erhöhten Risiko für eine AI assoziiert. Nahezu alle Metaanalysen konnten keine Assoziation zwischen neoadjuvanter Therapie und der Rate an AI nachweisen. In der niederländischen TME-Studie war die präoperative Bestrahlung zwar kein Risikofaktor für eine AI, allerdings ein unabhängiger Prädiktor für eine sekundäre Stomaanlage oder Nichtrückverlagerung eines protektiven Stomas [1]. Dies legt einen Einfluss der Bestrahlung auf die Heilungsrate von AI nahe. Es sollte berücksichtigt werden, dass in der niederländischen TME-Studie alle und in der vorgestellten Arbeit 48 % der vorbehandelten Patienten eine, in Deutschland zunehmend unübliche, Kurzzeitbestrahlung mit 5 × 5 Gy erhielten und somit auch der Art der neoadjuvanten Therapie eine Rolle zukommen könnte.

Die Frage, ob eine lange bestehende chronische Insuffizienz durch Anlage eines Stomas suffizient behandelt werden kann oder in jedem Fall eine ausgedehnte Revision erfolgen muss, so dies technisch kontinuitätserhaltend überhaupt möglich ist, bleibt in dieser Arbeit unbeantwortet und erfordert lange Nachbeobachtungszeiten.