Seit Aspirin 1899 durch Bayer auf den Markt gebracht wurde, ist eine Vielzahl von Medikamenten mit unterschiedlichen Indikationen, Wirkprinzipien und Nebenwirkungen hinzugekommen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes betrugen die Ausgaben für Arzneimittel in Deutschland 2015 etwa 53 Mrd. € (und sie zeigen in den vergangenen Jahren eine kontinuierliche Steigerung). Dies entspricht etwas mehr als 50 % der Kosten, welche für ärztliche Leistungen anfallen (https://www.destatis.de).

Nach Angaben des „Deutschen Arzneiprüfungsinstituts e. V.“ (DAPI) wurden im Jahr 2014 im Bundesdurchschnitt etwa 8730 Fertigarzneimittelpackungen pro 1000 GKV(Gesetzliche Krankenversicherung)-Versicherte abgegeben (ww.dapi.de).

Es ist somit unumgänglich, dass eine steigende Zahl zu operierender Patienten ein oder mehrere Medikamente einnimmt und der betreuende Arzt vor der Frage steht, ob diese ohne Unterbrechung weitergeführt werden können, kurz oder langfristig pausiert werden müssen oder ein „bridging“ erforderlich ist.

Hinzu kommt, dass es im Rahmen des operativen Eingriffes zu einer deutlichen Änderung der normalen Physiologie des Patienten kommt. Er muss präoperativ über eine gewisse Zeit nüchtern sein und die postoperative Nahrungsaufnahme kann gestört sein, was die Blutzuckerhomostase deutlich beeinflusst und bei Fortführung verschiedener Antidiabetika mit einem nicht unerheblichen Hypoglykämierisiko einhergeht. Jeder operative Eingriff ist mit einem eingriffsspezifischen Blutungsrisiko verbunden, welches durch Thrombozytenaggregationshemmer bzw. Antikoagulanzien deutlich steigen kann. Dieses erhöhte Blutungsrisiko muss gegen ein erhöhtes Thrombembolirisiko anhand patientenspezifischer Risikofaktoren abgewogen werden. Letztlich erhöhen z. B. Immunsuppresiva und Tumortherapeutika im postoperativen Verlauf das Risiko von Infektionen und Wundheilungsstörungen.

In dieser Ausgabe von Der Chirurg geben Wagner et al. eine praxisrelevante Übersicht über den perioperativen Umgang mit Thrombozytenaggregationshemmern, Antidiabetika, und Immunsuppresiva.

Lock und Kollegen beleuchten den Umgang mit Antikoagulanzien und stellen die aktuellen Empfehlungen zum Briding mit niedermolekularem Heparin dar. Ergänzt wird diese Übersicht durch eine als elektronisches „Supplement“ verfügbare Checkliste, in welcher das Risiko des Patienten für thrombembolische Ereignisse sowie das eingriffsspezifische Blutungsrisiko bestimmt wird und hieran orientiert in einem selbsterklärenden Schaubild die nötige Antikoagulation eingetragen werden kann. Diese Checkliste lässt sich nach eigener Erfahrung gut in den klinischen Alltag integrieren und erhöht die Sicherheit des einzelnen Patienten.

Luber et al. geben einen Überblick über die steigende Zahl oraler Antitumortherapeutika sowie die perioperative Handhabung von Chemotherapeutika. Bei insgesamt sehr geringer Erfahrung mit diesen Substanzen im perioperativen Umfeld ergeben sich hier jedoch einige zu beachtende Grundsätze.

Die Darstellungen in diesem Heft sind Handlungsempfehlungen aus Sicht der Autoren. Selbstverständlich besteht kein Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Vollständigkeit. Der behandelnde Arzt hat für jeden Patienten individuell zu prüfen, wie in der konkreten Situation vorzugehen ist. Die hier dargestellten Empfehlungen entbinden den Behandler keinesfalls von der Sorgfaltspflicht. Die Therapieverantwortung liegt ausschließlich beim behandelnden Arzt.

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Prof. Dr. Christoph-Thomas Germer