Täglich werden wir mit vielen neuen Hiobsbotschaften medial konfrontiert. Dabei stellt sich die Mehrheit dieser unfrohen Informationen als zu weit von uns entfernt dar, um eine direkte, eigene Reaktion zu aktivieren. Selbst mehr oder weniger offensichtliche arbeitstägliche Erkenntnisse wie die Zusammenhänge zwischen Bewegungsmangel und dem Anstieg von chronischen Erkrankungen, zwischen Nikotinabusus und dem damit erhöhten Krebsrisiko oder zwischen Adipositas und der Entwicklung eines Diabetes mellitus sehen wir häufig ohne eigene Beteiligung an.

Ähnliches gilt für die Situation auf dem Arbeitsmarkt der Gesundheitsdienstleister. Wir betrachten Arbeitsbedingungen und den demografischen Wandel als von uns entrückt. Und konstatieren distanziert weitere Implikationen bezüglich eines vermehrten Aufkommens von Gesundheitsleistungen bei stetig geringer verfügbaren Gesundheitsdienstleistern. Im Unterschied zum Klimawandel, dessen Prognosen (und nachfolgend den mehr als beunruhigenden Konsequenzen) zunächst einen Makrokosmos mit einer nichtdefinierbaren Zeitachse betreffen, sind die Auswirkungen einer verfehlten Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik jedoch schon heute mehr als evident.

So meldet ungefähr die Hälfte aller anästhesiologischen Abteilungen, dass sie Arztstellen nicht besetzt haben oder diese nicht mehr besetzen können. In anderen operativen Fachrichtungen stellen sich ebenfalls ähnliche Vakanzen mehr und mehr ein. Für Kliniken ist dieser Fachkräftemangel in der operativen Medizin, pflegerisch oder ärztlich, von besonderer Bedeutung. Gerade hier wird im Rahmen des „Diagnosis-related-groups“- (DRG-)Systems ein großer Teil der Erlössituation dieser Wirtschaftsbetriebe generiert. Ein absehbarer Produktionsverlust durch die Reduktion von handlungsfähigen Mitgliedern der Wertschöpfungskette „operative Medizin“ gilt als unausweichlich. Umso mehr verwundert es, dass sowohl Krankenhausträger, Arbeitnehmer oder betroffene Patienten sich den, von einer Politik nichtgelösten, Existenzkonflikten ohne nachhaltige Gegenwehr aussetzen lassen.

Mehr Wachstum mit weniger Personal?

Im Gegenteil, die primär Betroffenen, sprich Ärzte und Pflegenden, nehmen willfährig jeden neuen „Stellungsbefehl“ an; jährliche Wachstumsraten in Höhe von mehr als 3–5% gelten in der erfolgreichen Klinikführung als unabdingbar (bei gleichbleibenden Personalstärken und möglichst unverändert niedrigem Sachkostenbudget). Ärzte und Pflegende versuchen ihr Heil in der zusätzlichen Übernahme von ökonomischen Funktionsbereichen statt in der empathischen Ausführung von originären medizinisch oder pflegerischen Aufgaben. Und sie suchen, unabhängig von der Politik, weiter nach ergebnisorientierten Auswegen aus dem von ihnen erwarteten großen Konfliktthema ihrer Berufungen, dem des Fachkräftemangels und der Aufrechterhaltung einer medizinischen Qualität in der BRD.

Generationscharakterisierung: eine gute Orientierungshilfe

Daher ist es erfreulich, dass mit den beiden hier publizierten Arbeiten zur „Generation Y: Rekrutierung, Entwicklung und Bindung“ sowie mit „Von der Personalverwaltung zur Personalentwicklung“ aus den Kliniken der Stadt Köln GmbH nun erkennbar eine Geschäftsführung Erstautorenschaft in einem ärztlichen Fachjournal übernimmt und auf diese Konfliktfelder eindrücklich hinweist. In der Arbeit zur Personalentwicklung geben Schmidt et al. wertvolle Hinweise zur exemplarischen Erarbeitung von individualisierten Mikrokosmospersonalmarktanalysen.

Im Beitrag zur Generation Y im Gesundheitsmarkt werden die verschiedenen bekannten Untersuchungen zum Generationenwandel und seinen Auswirkungen im Erwerbspersonenmarkt sowie spezifisch im Gesundheitswesen über eine Literatursuche adäquat erfasst und mit ihren Kernaussagen zusammengefasst. Diese sind für viele Leser der vorliegenden Studie zur Generation Y in Teilen gelebte Realität. Und, bei selbstkritischer Betrachtung, ein Teil von vorgefassten Meinungen oder eigenen oberflächlich bewerteten Arbeitsalltagserlebnissen ist wiedererkennbar. Dennoch greifen die publizierten stark schematisierten Beschreibungen der verschiedenen Generationen in unseren Arbeitswelten nur bedingt.

In den genannten Zuordnungen zu „Babyboomer“ (Jahrgang 1946 bis 1964), der „Generation X“ (1965 bis 1980) sowie der „Generation Y“ (1981 bis heute) werden viele Attribute zum Typus („abheben aus der Masse/Konkurrenzverhalten vs. Unabhängigkeit/Pragmatismus, Flexibilität vs. hohes Selbstbewusstsein/fehlende Kritikfähigkeit“), zum Technikverhalten, zum Arbeitsverhältnis, zum Familienwertebild, zur Motivation etc. verteilt und stellen Charakterisierungen für Individuen oder Gruppen dar. Dabei sind diese (Über-)Zeichnungen jedoch häufig nicht wirklich kongruent mit den konkreten Bildern in unseren Arbeitswelten. Sie können es auch nicht sein, da ein großer Teil der soziologischen Analysen zu Generationscharakteristika von führenden internationalen Einrichtungen, privater und öffentlicher Natur, initiiert wurde und es zu vielfältigen Übertragungen der Begrifflichkeiten aus unterschiedlichen Sozialisationsräumen (USA, BRD) kam. Hier wurden die soziopolitischen und kulturellen Unterschiede nicht berücksichtigt. So werden in unserem Bildungssystem zwar immer schnellere Angleichungen an andere, z. B. europäische Bildungskriterien und -systeme unternommen (Gesamtschulmodelle, G8 etc.). Ein internationales Benchmarking bewegt schon das junge Schulalter [Programme-for-International-Student-Assessment- (PISA-)Studie]; im späteren Hochschulwesen werden über die Einführung von Master- und Bachelor-Studiengängen Vereinheitlichungen, sprich Nivellierungen, weiter fortgeführt.

Dabei wird man wie in einer Schwarz-weiß-Zuordnung der Generationen nicht den Gesamtkollektiven der Erwerbstätigen in der heutigen BRD gerecht werden können. Dennoch werden die von Schmidt et al. gemachten Beschreibungen denjenigen helfen, die nicht die Optionen haben, unterschiedliche Entwicklungen bei unterschiedlichen Generationen mitzuverfolgen. Oder hilfreiche Hinweise geben, Argumentationen für spezifische andere Verhaltens- oder Handlungsweisen unterschiedlicher Generationen mitzuerfassen. Wichtig dabei ist es, darauf hinzuweisen, diese Beschreibungen nicht wertend oder gar persönlich verwertend für das Individuum einer spezifischen Jahrgangsgeneration zu gestalten.

Die Arbeit-Leben-Maximen mit „leben, um zu arbeiten“ (Generation Babyboomer), „arbeiten, um zu leben“ (Generation X) sowie „leben beim Arbeiten“ (Generation Y) entspringen dem jeweiligen Wertekontext einer spezifischen Gesellschaftssituation und deren Wertevorstellungen. Solange es scheinbar erstrebenswert ist, besonders viele „Schnäppchen“ zu machen, unsere Erstweltgesellschaft den „Geiz-ist-geil“-Slogans der konsumorientierten, Lobbyisten gesteuerten Politik, keine wirklichen Alternativen bereit ist entgegenzusetzen, sollte eine Kritik an den „Ansprüchen“ der jetzt in das Erwerbsleben kommenden jungen Menschen, besonders zurückhaltend und vorsichtig formuliert werden.

Neue „alte“ Werte- und Führungskultur nötig

Insofern gibt die erste Untersuchung von Schmidt et al. mit ihren Hinweisen zu Führung, Praxis, Motivation und Praxisumsetzung ganz hervorragende Hilfen, wie eine in der Gesamtgesellschaft versäumte Wertevermittlung über persönlich vorgelebte Wertschätzung verändert werden könnte. Sämtliche Institutionen und Leitungspersonen in Krankenhäusern sollten die vorliegenden Arbeiten zur Lektüre und Diskursgrundlage für gemeinsame Perspektiventwicklungen vor Ort nehmen. Dabei werden nur gesamtheitliche Ansätze und Umsetzungen, die mit adäquaten finanziellen Mitteln von den Trägern ausgestattet sind, zukünftig am Arbeitsmarkt Erfolge haben.

Klinikverwaltungsleiter/-geschäftsführungen, die noch immer der Meinung sind, dass pflegerische oder ärztliche Fort- und Weiterbildung Angelegenheiten dieser Berufsgruppen sind, werden dabei die sog. Abstimmung der Füße erleben. Dies zu Recht, da die eigentlichen Leistungsträger im Klinikwesen mehr und mehr die begleitende Dienstleistung über Administration, Personal- und Verwaltungswesen vermissen und diese nun in der Ressourcenverknappung einfordern.

Personalmotivation und Personalführung sind essenzielle Bausteine guter Kliniken, die auch vor den Verwaltungsebenen nicht Halt machen werden. Hier gilt es, zu einem zeitgleichen radikalen Umdenken im Sinne der gemeinsamen Dienstleistung zu kommen. Nur wenn den ärztlichen Leitungen entsprechende Instrumente an die Hand gegeben werden, können die von Schmidt et al. gewonnenen Erkenntnisse in richtige Schlüsse zum wertvollen Umgang mit veränderten Generationsvorstellungen umgesetzt werden. Hierzu bedarf es Personalbudgetkalkulationen, die diese Aspekte miteinschließen. Verweise, wie in vielen Kliniken üblich, auf die Berechnungen des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes von 1999 zur Evaluation der Personalsollstärke der Abteilungen konterkarieren 2011 diese Forderungen nachhaltig. Analoges gilt zu den richtigen Forderungen von Schmidt et al. der modernen IT-basierten Kommunikation. Wenn vorhanden, dann folgen jedoch sehr häufig die klassischen Arbeitsalltagbeispiele: Einmalige Bereitstellung von sog. Schulungseinheiten in Zeiten, die einem Verwaltungsapparat als passend erscheinen: in der Regel zwischen 09.00 und 15.30 Uhr – die zeitgleichen Operationsleistungen werden hierfür jedoch nicht vonseiten der Klinikumverwaltungen durchgeführt. Die Folge ist ein „learning by doing“, ohne Anleitung, fehlende Abrechnungsgrundlagen etc., aber mit dem Dienstverweis des Fehlens einer vonseiten der Klinikverwaltung eingeforderten Pflichtveranstaltung. Dass ärztliche und pflegerische Mitarbeiter der operativen Medizin und in der Anästhesiologie nicht nur dieses Gebaren als arbeitstägliche Missachtung ihrer Leistungserbringung erfahren, verwundert nicht.

Auch die Kliniken sind in der Pflicht

Die Liste dieser Verstöße ist beliebig lang und gestaltbar. Die Diskussionen um den Fachkräftemangel in der Medizin, die veränderten Generationenwerte, die Erschließung von weiteren prospektiven eigenen Personalmarktanalysen, die Umsetzung von veränderten Führungskulturen etc. wird, und dies ist mein größter Einspruch, zu beiden hier publizierten Arbeiten, nicht von den ärztlichen und pflegerischen Leitungsebenen allein bestimmt. Vielmehr wird ein Umdenken in den Leitungsebenen von Kliniken und deren Geschäftsführungen stattfinden müssen.

Man kann sich deshalb nur den Schlussfolgerungen von Schmidt et al. in ihrer Arbeit zur Generation Y anschließen:

Es gibt einen erheblichen Fachkräftemangel auch und gerade im pflegerischen sowie ärztlichen Dienst – den entscheidenden Berufsgruppen eines Klinikums.

H. Bürkle