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Die Begeisterung für „Selbstoptimierung“ durch „Body Modification“ macht nicht an der Gürtellinie halt. Obwohl beide Begriffe wie Schlagworte des 21. Jahrhunderts klingen, sind längst nicht alle Piercings, die heute als Prinz Albert, Ampallang oder Apadravya bekannt sind, Erfindungen der Neuzeit.

Ein Märchenprinz und indische Bräuche

Zum Namensgeber des wohl bekanntesten Intimpiercings überhaupt hat es Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha gebracht. Ob der Ehemann der britischen Königin Viktoria seinerzeit tatsächlich einen Ring im Penis trug, ist nicht verbrieft. Wenig plausibel erscheint jedenfalls der im Internet zu findende Erklärungsversuch, Prinz Albert habe sein Glied in Reithosen mithilfe des durch die Harnröhrenöffnung zum Frenulum hin gestochenen Piercings in bequemer Position fixieren wollen.

Als gesichert kann dagegen die Entstehungsgeschichte der beiden anderen eingangs erwähnten Intimpiercings angesehen werden: Die durch die Eichel gestochenen Piercings Ampallang und Apadravya finden sich schon bei verschiedenen Stämmen Borneos — etwa den Dayak, Kelabit und Iban. Einzig die Unterscheidung beider Varianten nach Stichrichtung (horizontal oder vertikal) ist neu. Selbst im altindischen Kamasutra aus dem zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung findet das Piercing schon Erwähnung. Dort heißt es: „Der Pallang wird am Lingam [Penis] angebracht, um seine Dicke zu erhöhen und besser der Yoni [Vagina] anzupassen.“

Heutige Piercer dürften allerdings — so ist zumindest zu hoffen — andere Nachsorgetipps geben als ehedem Kamasutra-Verfasser Vatsyayana Mallanaga, der weiter schrieb: „Der Mann sollte sich im Wasser befinden, solange die Wunde blutet. Am Abend sollte er Geschlechtsverkehr praktizieren, um die Wunde zu reinigen.“

Auch das Piercen selbst läuft heute glücklicherweise anders ab als früher: „Zuerst wird die Glans durch Pressen zwischen den beiden Armen eines umgeknickten Bambusstreifens blutleer gemacht. An jedem dieser Arme befinden sich einander gegenüber an den erforderlichen Stellen Öffnungen, durch welche man, nachdem die Glans weniger empfindlich geworden, einen spitzen kupfernen Stift hindurchpresst“ berichtete noch Ende des 19. Jahrhunderts der Abenteurer Anton Willem Nieuwenhuis in seinem Werk „Quer durch Borneo“.

Mehr oder weniger lustvoll

Wie bei vielen Intimpiercings war der Zweck nicht nur die Verschönerung, sondern auch gesteigertes Lustempfinden. So sollen Dayak-Frauen sogar das Recht haben, auf ein Ampallang zu bestehen: Stimmt der Mann nicht zu, gilt dies als akzeptierter Trennungsgrund.

Doch auch das Gegenteil kann mittels Piercing erreicht werden: So wurden angeblich bereits bei den alten Römern Vorhautpiercings als Keuschheitsverschluss gestochen. Auch in Myanmar, dem früheren Burma, diente ein als Oetang bezeichnetes Vorhautpiercing traditionell dazu, heranwachsende Männer vor Masturbation zu „schützen“.

Süßer die Glocken nie klingen

Doch auch in Myanmar hat die Penismodifikation zum Lustgewinn eine lange Tradition: Bereits im 14. Jahrhundert verbreitete sich im asiatischen Raum von dort aus die Mode, sich in das beste Stück kleine Glöckchen aus Gold einsetzen zu lassen — die Mian Ling oder „Burmese Bells“. Niccolò di Conti, Handelsreisender aus Italien, berichtete 1435 aus der Stadt Inwa: „Die Männer, bevor sie sich eine Frau nehmen, gehen zu diesen Weibern (sonst wäre die Ehe zerbrochen), die die Haut des männlichen Gliedes an vielen Stellen einschneiden und zwischen die Haut und das Fleisch nach Belieben bis zu zwölf dieser ‚Glöckchen‘ einbringen. Dies tun sie, um die Lüsternheit der Frauen zu befriedigen: Aufgrund dieser Geschwulste am Penis haben die Frauen große Freude am Koitus. Die Glieder einiger Männer strecken sich zwischen ihren Beinen nach unten, sodass sie beim Gehen klingeln und gehört werden können.“

Dieser Brauch zumindest scheint mittlerweile weltweit ausgestorben zu sein. Pearling oder „fang muk“, eine vergleichbare Penismodifikation, bei der Kunststoff- oder Glasperlen unter die Penishaut implantiert werden, erfreut sich jedoch vor allem unter Soldaten und Gefängnisinsassen auf Kuba sowie in Thailand nach wie vor großer Beliebtheit. Und wer weiß, vielleicht erleben ja auch die „Burmese Bells“ eines Tages noch ein Revival. Wir werden es hören!