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Prof. Dr. Walter Blauth 2006. (© M. Blauth, Innsbruck)

Am 7. September 2018 ist Walter Blauth im Alter von 94 Jahren gestorben.

„Verstehen – durch Stille. Wirken – aus Stille. Gewinnen – in Stille. (Dag Hammarskjoeld UNO Generalsekretär 1953–1961)“. Diese Überschrift des Elternbriefs 2018 seines früheren Gymnasiums in Kaiserslautern hätte ihm sicher gefallen. Er blieb Zeit seines Lebens seiner Heimat verbunden.

Am 20. März 1924 wurde er als Sohn des Lehrers Reinhard Blauth und seiner Frau Marie in Eschenau geboren und wuchs in Weilerbach bei Kaiserslautern auf. Am humanistischen Gymnasium in Kaiserslautern legte er 1942 das Abitur ab. Der anschließende Wehrdienst in verschiedenen Kriegsregionen endete in Gefangenschaft, aus der er schließlich in seine Heimat fliehen konnte. Erst 1946 durfte er das Studium der Medizin in Mainz aufnehmen. Die chirurgische und unfallchirurgische Ausbildung erfuhr er in der Klinik Dr. Rothmund in Kaiserslautern. Neugier, offenbar geweckt durch einen Vortrag Erik Mobergs aus Göteburg zu „neuen Regeln“ in der Handchirurgie, nämlich „blutleeres Operationsgebiet, atraumatische Technik eines sorgfältigen Wunddébridements und Wiederherstellung, Spülung, adäquate Ruhigstellung und Verhütung der Ödembildung“ haben ihn wohl dazu bewogen, 1956 seine Ausbildung an der orthopädischen Universitätsklinik in Heidelberg unter der Leitung von Kurt Lindemann fortzusetzen. Dort galt sein Interesse der Handchirurgie und der Kinderorthopädie, insbesondere den Aplasien, die im Zusammenhang mit den Conterganschäden häufiger wurden. Studienaufenthalte bei herausragenden Chirurgen und Orthopäden wie Marc Iselin, seit 1941 im Hospital von Nanterre, Wilhelm Schink in München, Hanno Millesi und Karl Chiari in Wien haben sein Interesse an subtiler Operationstechnik, deren exakte Beschreibung, der Kenntnis möglicher Fehler und Komplikationen geschärft. Erste wissenschaftliche Arbeiten entstanden und in der allgemeinen und speziellen chirurgischen Operationslehre, 1956 herausgegeben von Werner Wachsmut, bearbeitete Walter Blauth den Band über die Operationen an der unteren Extremität.

Im Jahr 1963 fand der Wechsel an die Universität Tübingen statt, wo er als erster Oberarzt unter Hans Mau die Freiheit erhielt, die operative Orthopädie mit den neu aufkommenden Techniken der Osteosynthese zu entfalten. Unvergesslich sind die Falldiskussionen im Kolloquium der Unfallchirurgischen Klinik, wo es galt, die ad hoc gefällten Entscheidung des Unfallchirurgen mit derjenigen eines vom Langzeitverlauf geprägten kritischen Orthopäden in einen Konsensus zu bringen oder anders ausgedrückt, in der Ambivalenz des Wagnisses zwischen Handeln um jeden Preis und dem bedachtsamen Tätigwerden in einem Grenzbereich richtig zu entscheiden.

Zusammen mit seinen Mitarbeitern entstanden in Tübingen verschiedene Arbeiten zu Handfehlbildungen. Sie wurden zu Grundlagen des späteren Atlas über die operative Behandlung der Handfehlbildungen.

Die Habilitationsarbeit 1967 hatte das Thema: „Der kongenitale Femurdefekt“.

Im Jahr 1972 folgte er dem Ruf auf den Lehrstuhl für Orthopädie der Kieler Christian-Albrechts-Universität. Er leitete und prägte die Klinik bis 1990 und entwickelte dort bis heute anerkannte Operationstechniken für angeborene Fehlbildungen der Extremitäten. Die 35. Jahrestagung Nordwestdeutscher Orthopäden im Juni 1985 nahm er zum Anlass, den gegenwärtigen Stand der Schulterendoprothetik ausführlich darzustellen und zu diskutieren. Dazu wurden zahlreiche führende Spezialisten aus dem europäischen Ausland, aus Übersee und dem deutschen Sprachraum eingeladen, um ihre Erfahrungen mitzuteilen. Daraus resultierten Bücher über Schulterschmerzen und Rupturen der Rotatorenmanschette und zur Schulterendoprothetik (1986).

Ein weiterer Meilenstein seiner publikatorischen Tätigkeit stellt der Atlas „Orthopädisch-chirurgische Operationen am Knie“ aus dem Jahr 1986 dar, den er zusammen mit dem genialen Zeichner Ernst Schuchardt nach vieljähriger Arbeit veröffentlichte. Das Buch wurde in viele Sprachen, einschließlich der japanischen übersetzt und nimmt bereits viele typische Stilelemente der Operativen Orthopädie und Traumatologie vorweg. Ausführlich beschreibt er darin unter anderem die von ihm mit entwickelte, sehr erfolgreiche „Blauth-Knietotalendoprothese“.

Pionierarbeit leistete Walter Blauth auch bei der Entwicklung der motorisierten und weltweit genutzten Bewegungsschienen für Knie‑, Schulter-, und Ellenbogengelenke.

Seine Leistungen wurden gewürdigt durch die Verleihung von Ehrenmitgliedschaften in den handchirurgischen Gesellschaften, in der Europäischen Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie. Den Preis für rekonstruktive Orthopädie und Chirurgie erhielt er 1988 und die Dieffenbach-Büste der DGU 1992.

Gute Operationstechnik war in Orthopädie und Unfallchirurgie gleichermaßen gefordert, aber oft fehlten detaillierte Darstellungen der einzelnen Schritte. Um diese Lücke zu schließen, hat Walter Blauth 1989 die Zeitschrift Operative Orthopädie und Traumatologie begründet und uns zu Mitherausgebern eingeladen. Es bedurfte großer Anstrengungen, um diese Zeitschrift mit den hohen Anforderungen an methodische Klarheit und gute zeichnerische Darstellung auf den Weg zu bringen. Unermüdlich hat er namhafte Autoren geworben und Sponsoren zur Finanzierung des anspruchsvollen Projekts angesprochen. Dabei soll die Unterstützung durch den Unternehmer Klaus Hug nicht vergessen werden.

Kompromisslose Qualität in Inhalt und Sprache sowie die bis heute einmalige, minuziöse, oft stichpunktartige Darstellung aller, nicht nur der technischen Aspekte einer Operation waren bahnbrechend, der dadurch oft langwierige Produktionsprozess entsprach seinem Motto: „Eine gute Arbeit kommt nie zu spät“.

Diese Zeitschrift war auch ein Baustein zum Zusammenschluss von Orthopädie und Unfallchirurgie, der schließlich in der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie mündete. Heute liegt die Schriftleitung der Zeitschrift bei seinem Sohn Michael, Direktor der Universitätsklinik für Unfallchirurgie, Innsbruck. Er wird durch zahlreiche Herausgeber unterstützt, um den Anforderungen in den verschiedenen Bereichen des Fachgebiets gerecht zu werden.

Bei all seinem beruflichen Engagement blieb Walter Blauth fest verankert in seiner Familie. Ohne seine liebe Frau Hilde, die er 1953 geheiratet hat, hätte er nicht leben können. Die Gemeinschaft der Familie mit den Kindern Michael (*1954), Gabi (*1956) und Suse (*1960) sowie 7 Enkelkindern war ein hohes Gut, das tief verwurzelt war in den Erfahrungen der Gemeinschaft in seiner Heimat.

Wir gedenken seiner in freundschaftlicher Verbundenheit und mit großer Hochachtung.

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Ulrich E. Holz

Neulingen

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Hans K. Uhthoff

Ottawa