Die hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH) ist ein potenziell lebensbedrohliches Hyperinflammationssyndrom. Unterschieden wird die primäre, genetisch bedingte HLH, die sich zumeist im Kindesalter manifestiert, von der sekundären, erworbenen HLH, die Patienten aller Altersgruppen betreffen kann [16]. Bei der sekundären HLH stellen Infektionen, Malignome und Autoimmunerkrankungen häufige Trigger dar [2]. Nicht immer kann jedoch ein Trigger identifiziert werden. Aufgrund des unspezifischen klinischen Erscheinungsbilds, das von einer Sepsis häufig kaum zu unterscheiden ist, wird die Diagnose HLH in vielen Fällen nicht oder erst spät gestellt, was zu einem verzögerten Behandlungsbeginn und dadurch zu einer Verschlechterung der Prognose führt. Dies gilt in besonderem Maß für kritisch kranke Patienten auf der Intensivstation, bei denen Sterberaten zwischen 50 % und 80 % beschrieben sind [12, 18].

Pathophysiologie und klinisches Bild

Je nach auslösendem Trigger wird zwischen der HLH (z. B. bei Infektionen und Malignomen) und dem Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS-HLH) unterschieden. Das MAS-HLH stellt die Endstrecke der HLH bei rheumatologischen Grunderkrankungen dar. Pathophysiologisch liegen den Subtypen der HLH komplexe Dysregulationen von T‑Zell-Antwort, Makrophagenaktivierung und Inflammasom zugrunde. Es kommt zu einer überschießenden Entzündungsreaktion mit Zytokinsturm und ausgeprägter Hyperferritinämie. Die namensgebende Phagozytose hämatopoetischer Zellen durch Makrophagen kann zusammen mit dem häufig aberrant proliferationsaktiven zytotoxischen T‑Zell-Kompartiment zu einem Multiorganversagen führen [3].

Protrahiert hohes Fieber unklarer Genese stellt das führende Symptom der HLH dar

Klinisch stellt protrahiert hohes Fieber, das unzureichend auf eine empirische antiinfektive Therapie anspricht, das führende Symptom der HLH dar. Liegen zusätzlich eine Vergrößerung von Milz und/oder Leber sowie eine Bi- oder Panzytopenie vor, sollte eine HLH in Betracht gezogen und entsprechende Diagnostik durchgeführt werden. Die Höhe des C‑reaktiven Proteins (CRP) ist bei der HLH in Relation zu den klinischen Inflammationszeichen zumeist auffällig niedrig. Beim MAS-HLH dagegen zeigen sich zunächst durchaus eine Leukozytose sowie eine deutliche Erhöhung von CRP und Fibrinogen, bevor bei weiterem Fortschreiten schrittweise die HLH-Kriterien erfüllt werden. Weitere im Rahmen einer HLH fakultativ auftretende Symptome und laborchemische Veränderungen beinhalten neurologische Auffälligkeiten, vergrößerte Lymphknoten, eine Erhöhung der Transaminasen und eine eingeschränkte Syntheseleistung der Leber, die sich insbesondere durch Gerinnungsstörungen manifestiert.

Diagnosestellung

Die Diagnose HLH wird mithilfe der HLH-2004-Kriterien gestellt (Tab. 1; Abb. 1). Neben der Symptomentrias Fieber, Splenomegalie und Zytopenie fließen hier die Parameter Ferritinämie, Triglyzeridämie und/oder Hypofibrinogenämie, erhöhter löslicher Interleukin(IL)-2-Rezeptor, verminderte Natural-Killer(NK)-Zell-Aktivität und Nachweis einer Hämophagozytose in Knochenmark, Lymphknoten oder Liquor ein. Bei Vorliegen von wenigstens 5 der 8 Kriterien kann die Diagnose HLH gestellt werden [10]. Sensitivität und Spezifität der HLH-Kriterien wurden hauptsächlich bei pädiatrischen Patienten untersucht. Es gibt jedoch auch Untersuchungen bei kritisch kranken erwachsenen Patienten, die eine Sensitivität zwischen 70 % und 95 % sowie eine Spezifität zwischen 90 % und 93,6 % zeigten [13, 22].

Neben den HLH-2004-Kriterien wurde der HScore entwickelt und validiert, mit dessen Hilfe die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer HLH berechnet werden kann. Er besteht aus 9 Parametern, die in großen Teilen mit den HLH-2004-Kriterien übereinstimmen. Für den HScore werden die einzelnen Faktoren jedoch nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ berücksichtigt [4, 5]. Wird im HScore ein Cut-off-Wert von 168 gesetzt, konnte für kritisch kranke erwachsene Patienten eine Sensitivität von 100 % und eine Spezifität von 94,1 % im Hinblick auf die Diagnose einer HLH gezeigt werden [13]. Auf der Intensivstation kommt zudem dem Ferritinwert als Screening- und Verlaufsparameter besondere Bedeutung zu [15, 19]. So fanden sich im Rahmen einer Analyse, in die 2623 kritisch kranke Patienten mit einer Hyperferritinämie größer 500 µg/l eingeschlossen wurden, bei Patienten mit HLH (n = 40) signifikant höhere maximale Ferritinwerte als bei Patienten mit Sepsis, septischem Schock oder anderen Diagnosen. Wird der Cut-off-Wert bei einem maximalen Ferritinwert von 9083 µg/l gesetzt, liegen Sensitivität und Spezifität im Hinblick auf das Vorliegen einer HLH bei 92,5 % beziehungsweise 91,9 % [19].

Tab. 1 HLH-2004 Diagnosekriterien (5 von 8 müssen für Diagnose einer HLH vorliegen)
Abb. 1
figure 1

Flussdiagramm kritisch kranker Patienten mit HLH/MAS-HLH und (Multi‑)Organversagen. a siehe Tab. 1; b siehe online Kalkulator unter http://saintantoine.aphp.fr/score/; c Quelle [23]; d Zytologie, Durchflusszytometrie, Histologie, Infektiologie (z. B. Polymerasekettenreaktion bezüglich Tuberkulose, Leishmanien); e www.hlh-registry.org. HLH Hämophagozytische Lymphohistiozytose, MAS-HLH Makrophagenaktivierungssyndrom, sIL2R löslicher Interleukin-2-Rezeptor

An die Stellung der Diagnose HLH anhand der genannten Kriterien schließt sich die Suche nach einem möglichen auslösenden Trigger an. Gemäß einer systematischen Übersichtsarbeit, in die 661 kritisch kranke erwachsene HLH-Patienten eingeschlossen wurden, stellen Infektionen (50 %), Malignome (28 %) und Autoimmunerkrankungen (12 %) auf der Intensivstation die häufigsten auslösenden Faktoren dar [14].

Therapie und Verlauf

Neben der supportiven intensivmedizinischen Versorgung, die eine invasive Beatmung, die Gabe von Vasopressoren, die Nierenersatztherapie und weitere Therapieverfahren beinhalten kann, benötigen HLH-Patienten eine immunsuppressive Behandlung zur Unterdrückung der Hyperinflammation. Der Grundpfeiler der Therapie besteht im Einsatz von hoch dosierten Kortikosteroiden (Abb. 1). Die darüber hinausgehende Behandlung hängt vom auslösenden Trigger und der Schwere der Erkrankung ab. Der Therapie des Auslösers kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.

Eine auslösende Virusinfektion sollte möglichst behandelt werden

Liegt eine Virusinfektion als Auslöser vor, sollte diese – sofern möglich – behandelt werden. Bei der Epstein-Barr-Virus(EBV)-assoziierten HLH ist die Gabe von Rituximab in vielen Fällen sinnvoll. Die Therapie bakterieller und parasitärer Erkrankungen sowie von Pilzinfektionen kann durch Elimination des Triggers zur Remission der HLH führen. Zudem scheint der Einsatz von Immunglobulinen bei Patienten mit infektiös getriggerter HLH zu einer Verbesserung der Prognose zu führen [14].

Bei Patienten, bei denen die alleinige Gabe von Kortikosteroiden das inflammatorische Geschehen nicht ausreichend unterdrückt, ist die zusätzliche Gabe von Etoposid zu erwägen, sofern nicht ein zwischenzeitlich detektierter Trigger eine spezifische Therapie vorgibt. Die Kombination aus Dexamethason und Etoposid wurde bei Kindern mit HLH gut untersucht und stellt in modifizierter Form mit einer niedrigeren Etoposiddosis auch beim erwachsenen Patienten eine wirksame Therapieoption dar [9, 10]. Es ist generell erwähnenswert, dass einige Infektionen wegen des autoaggressiven inflammatorischen Geschehens antiintuitiv zunächst vorrangig immunsuppressiv behandelt werden müssen, um irreversible Organschäden zu verhindern.

Malignomassoziierte HLH treten am häufigsten bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien auf

Malignomassoziierte HLH treten am häufigsten bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien auf. Vor allem verschiedene Lymphomsubtypen scheinen gehäuft mit einer HLH assoziiert zu sein. Eine HLH im Zusammenhang mit einem soliden Tumor ist nur selten anzutreffen [2, 20, 25]. Die Therapie der malignomassoziierten HLH stellt eine Herausforderung dar, da der Allgemeinzustand bei einem relevanten Anteil der Patienten die eigentlich indizierte chemotherapeutische Behandlung des HLH-auslösenden Malignoms nicht zulässt. Hier kann eine Vorphasetherapie mit Kortikosteroiden und Etoposid mit dem Ziel des Erhalts und der Verbesserung der Organfunktionen der malignomspezifischen Therapie vorgeschaltet werden. Es muss auch beachtet werden, dass bei Vorliegen einer HLH-assoziierten Neutropenie mit dem Beginn der Chemotherapie im Gegensatz zur chemotherapieinduzierten Neutropenie nicht zugewartet werden sollte, da sie Ausdruck des HLH-bedingten inhibitorischen Zytokinsturms und nicht toxisch vermittelt ist. Von der malignomgetriggerten HLH ist die HLH nach Chemotherapie zu unterscheiden, die in der Regel durch Infektionen ausgelöst wird. Hier sollten Kortikosteroide und gegebenenfalls Immunglobuline verabreicht und eine zu rasche Fortsetzung der Chemotherapie vermieden werden [20].

Patienten mit MAS-HLH erhalten zunächst hoch dosiert Kortikosteroide

Patienten mit autoimmunologischen bzw. rheumatologischen Grunderkrankungen als Auslöser stellen die dritte große Gruppe von Patienten mit HLH auf der Intensivstation dar. Patienten mit MAS-HLH erhalten zunächst hoch dosiert Kortikosteroide, im weiteren Verlauf je nach Triggererkrankung zytokingerichtete Biologika. So gibt es beim MAS-HLH zunehmend Evidenz für die Wirksamkeit des IL-1-Rezeptor-Antagonisten Anakinra [29]. Die hierbei verwendeten Dosen liegen oberhalb des Zulassungsbereichs in anderen Indikationen.

Beim MAS-HLH existiert Evidenz für die Wirksamkeit des IL-1-Rezeptor-Antagonisten Anakinra

Auch die Prognose der terminologisch und pathophysiologisch unscharf definierten MAS-ähnlichen Sepsis, die durch das Vorliegen einer hepatobiliären Dysfunktion und einer disseminierten intravasalen Gerinnung gekennzeichnet ist, kann der Subgruppenanalyse einer randomisierten Sepsisstudie zufolge durch die Gabe von Anakinra verbessert werden [24].

In jüngerer Vergangenheit wurde das Auftreten einer HLH-ähnlichen Symptomatik auch bei kritisch an „coronavirus disease 2019“ (COVID-19) erkrankten Patienten beobachtet. Hier legen präliminäre Daten jedoch nahe, dass trotz des Nachweises einer Hyperinflammation klinisch und laborchemisch für die HLH charakteristische Befunde sehr selten anzutreffen sind und gemäß HScore nur wenige Patienten eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer HLH haben. Dennoch konnte für Patienten mit schwerer COVID-19-Erkrankung und starker Entzündungsreaktion gezeigt werden, dass eine immunsuppressive Therapie den Verlauf günstig beeinflusst [11, 17]. Daher wird bei Patienten mit COVID-19-Erkrankung, die Sauerstoff benötigen oder invasiv beatmet werden, die Gabe von Dexamethason empfohlen.

Ebenfalls wurde in den letzten Jahren vermehrt über ein hyperinflammatorisches Geschehen im Zusammenhang mit zellulären und antikörperbasierten Immuntherapien berichtet. Es wird jedoch nur selten das Stadium der HLH erreicht. Je nach Auslöser wird mit Kortikosteroiden und dem gegen IL‑6 gerichteten Antikörper Tocilizumab behandelt [6]. In schweren Fällen ist die Gabe von Etoposid zu diskutieren.

Trotz maximaler intensivmedizinischer Behandlung ist die Prognose von kritisch kranken Patienten mit HLH schlecht. So lag die Mortalität unter HLH-Patienten, die auf einer Intensivstation behandelt wurden, gemäß einer kürzlich publizierten systematischen Übersichtsarbeit bei knapp 60 %, unterschied sich jedoch zwischen verschiedenen Patientengruppen in Abhängigkeit vom auslösenden Trigger. Am ungünstigsten war die Prognose bei Patienten mit malignomassoziierter HLH [14].

Weitere Therapieoptionen

Insgesamt 63 HLH-Patienten mit unzureichendem Ansprechen auf die Erstlinientherapie bestehend aus Kortikosteroiden und Etoposid wurden im Rahmen einer prospektiven Studie mit dem DEP-Schema (liposomales Doxorubicin, Etoposid, Methylprednisolon) behandelt. Die Ansprechrate lag bei 76,2 % [26]. Bei 26 pädiatrischen Patienten mit refraktärer EBV-assoziierter HLH wurde zudem das DEP-Schema in Kombination mit pegylierter (PEG-)Asparaginase untersucht. Hier lag die Ansprechrate bei 61,5 % [28].

Eine weitere Therapieoption stellt der Januskinase(JAK)-2-Inhibitor Ruxolitinib dar, zu dessen Einsatz bei der HLH ebenfalls prospektive Daten vorliegen. Bei 12 Kindern mit in der Mehrzahl der Fälle EBV-assoziierter HLH, die über 28 Tage Ruxolitinib erhalten hatten, wurde eine Ansprechrate von 83,3 % beobachtet. Die Rate an Patienten mit ereignisfreiem Überleben nach 6 Monaten lag bei 58,8 % [27]. Auch bei 5 erwachsenen Patienten mit sekundärer HLH, die im Rahmen einer Pilotstudie mit Ruxolitinib behandelt wurden, konnte eine klinische und laborchemische Verbesserung der HLH-assoziierten Parameter nachgewiesen werden [1].

Der JAK2-Inhibitor Ruxolitinib stellt eine weitere Therapieoption dar

Eine laufende Studie untersucht bei Patienten mit sekundärer HLH den Interferon-γ-Antikörper Emapalumab (NCT03985423). Zuvor war der Antikörper bereits prospektiv bei Kindern mit primärer HLH getestet worden. Dort war es bei mehr als der Hälfte der Patienten zu einem Ansprechen gekommen [21]. Einzelfallberichte zum Einsatz von Emapalumab liegen auch für erwachsene Patienten mit MAS-HLH bereits vor [7].

Bei Patienten im Multiorganversagen kann in Einzelfällen eine Zytokinelimination mittels Plasmapherese oder Adsorptionssäule durchgeführt werden, um insbesondere bei Leber- und Nierenversagen die Zeit bis zur möglichen Pharmakotherapie zu überbrücken [8].

Fazit für die Praxis

  • Die hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH) ist bei kritisch kranken Patienten auf der Intensivstation aufgrund der unspezifischen Symptomatik unterdiagnostiziert.

  • Das Vorliegen einer HLH sollte differenzialdiagnostisch bei Patienten mit protrahiertem Fieber, Zytopenien und Vergrößerung von Milz und/oder Leber in Betracht gezogen werden, wenn das Ansprechen auf eine antiinfektive Therapie ausbleibt.

  • Laborchemisch untermauern vor allem Extremwerte für Ferritin die Verdachtsdiagnose HLH.

  • Der Grundpfeiler der HLH-Behandlung besteht in einer immunsuppressiven Therapie mit hochdosierten Kortikosteroiden.

  • Neben der medikamentösen Immunsuppression muss – sofern identifiziert – die Therapie des Triggers erfolgen.

  • Trotz immunsuppressiver Therapie ist die Letalität bei kritisch kranken HLH-Patienten noch immer sehr hoch.