Einleitung

Einige Patienten mit Leberzirrhose entwickeln im Rahmen einer hepatischen Dekompensation ein Versagen eines oder mehrerer (auch extrahepatischer) Organsysteme. Dies ist mit einer hohen Mortalität assoziiert (≥15 % in 28 Tagen; [3]). Um dieses Syndrom von der prognostisch günstigeren, reinen hepatischen Dekompensation abzugrenzen, wurde der Begriff des akut-auf-chronischen Leberversagens eingeführt (ACLF). Spezifische ACLF-Therapien sind aktuell noch nicht etabliert. Im Zentrum des klinischen Managements steht die Behandlung des auslösenden Triggers sowie der supportiven Therapie des Organversagens.

Definition und Diagnosekriterien

Der Begriff ACLF wurde in der Vergangenheit häufig sehr inkongruent verwendet. In den vergangenen Jahren konnte aber eine zunehmende Vereinheitlichung erzielt werden. Aktuell sind insbesondere noch zwei verschiedene Definitionen gebräuchlich, die sich inhaltlich allerdings erheblich unterscheiden. Bei der Definition der asiatisch-pazifischen Fachgesellschaft (APASL) steht v. a. das Leberversagen im Vordergrund. Eine Leberzirrhose muss zur Erfüllung der Kriterien nicht vorliegen [66]. Die hierzulande mehrheitlich verwendete Definition des CLIF-Konsortiums der europäischen Fachgesellschaft (EASL) begreift das ACLF eher als Systemerkrankung bei dem neben einer hepatischen Dekompensation ausgelöst durch einen spezifischen Trigger (z. B. Alkohol oder Infektion) in der Regel mindestens ein extrahepatisches Organsystem mitbetroffen sein muss. Obligat ist zudem das Vorliegen einer Leberzirrhose zur Abgrenzung vom akuten Leberversagen [18]. Die zu Beginn stehende hepatische Dekompensation ist definiert als das Neuauftreten bzw. Zunehmen von Aszites, das Auftreten einer gastrointestinalen Blutung, hepatischen Enzephalopathie oder aber einer bakteriellen Infektion. Bei der Beurteilung eines Organversagens wird CLIF-SOFA, eine speziell für Patienten mit Leberzirrhose adjustierte Variante von SOFA oder der vereinfachte CLIF-C-Organ-Failure-Score verwendet [36]. Die zu evaluierenden Kategorien sind hierbei Leber, Niere, hepatische Enzephalopathie, Koagulopathie, Kreislauf und Atmung (Tab. 1; Organversagen kursiv). Ein ACLF liegt vor, wenn mindestens zwei dieser Organsysteme die Kriterien für ein Organversagen erfüllen oder bei einem Einorganversagen zusätzlich entweder eine milde Nierendysfunktion oder milde Enzephalopathie besteht oder aber ein isoliertes Nierenversagen vorliegt. In all diesen Fällen liegt die 28-Tages-Mortalität bei mindestens 15 % (Tab. 2). Kritisiert wird an den europäischen ACLF-Kriterien, dass rein extrahepatische Komplikationen ohne eine Verschlechterung der Leberfunktion für die Diagnose formal ausreichen können (z. B. Infektion + Nierenversagen).

Tab. 1 Der CLIF-C-Organ-Failure-Score. (Modifiziert nach [36])
Tab. 2 Mortalität je nach Grad des ACLF. (Daten aus [54])

Basierend auf der Anzahl versagender Organsysteme kann das ACLF in 3 Schweregrade eingeteilt werden, die eine genauere Einschätzung der 28-Tages- und 90-Tages-Mortalität ermöglicht (Tab. 3). Eine noch differenziertere Prognoseabschätzung gelingt mit dem CLIF-C-ACLF-Score. Dieser berücksichtigt neben dem jeweiligen Organversagen das Alter und die Leukozytenzahl [36]. Für die Kalkulation kann ein Online-Rechner verwendet werden (clifresearch.com/ToolsCalculators.aspx). Für intensivmedizinische Patienten eignet sich zusätzlich ein laktatadjustierter CLIF-C-ACLF-Score mit entsprechend präziserer Abschätzung der 28-Tages-Mortaliät als der konventionelle CLIF-C-ACLF-Score: Insbesondere ist das Laktat als unabhängiger Prädiktor auch bei niedrigen Spiegeln (ab 2 mmol/l) gut geeignet, um bereits frühzeitig Aussagen zu Organdysfunktion und Mortalität zu machen, wie eine kürzlich erschienene europäische multizentrische Studie ergab [16].

Tab. 3 Auswahl an möglichen Therapien bei einigen Auslösern eines ACLF. (Quellen: [18, 19, 21, 22, 31])

Pathophysiologie

Aktuell ist noch unzureichend geklärt, welche Faktoren determinieren, warum einige Patienten „nur“ eine hepatische Dekompensation entwickeln und andere ein ACLF. Bei der ACLF-Entstehung scheinen u. a. (mikro-)zirkulatorische, immunologische (bspw. Immunoseneszenz, „inflammaging“), genetische, mikrobielle und hormonelle Einflüsse relevant zu sein. Zu Beginn, so die Hypothese, steht in jedem Fall immer ein auslösendes Ereignis („Trigger“; Abb. 1; [78]). Die häufigsten ACLF-Trigger in Europa wurden in der multizentrischen CANONIC-Studie identifiziert (Abb. 2). In ca. 43 % der Fälle konnte allerdings kein klarer Auslöser zugeordnet werden [54]. Die häufigsten eruierbaren Auslöser waren bakterielle Infektionen in 33 % sowie ein kürzlicher Alkoholkonsum (<4 Wochen) in 25 % der Fälle. Bedeutsam sind auch Infektionen hepatotropher und nichthepatotropher Viren [66].

Abb. 1
figure 1

Mögliche Auslöser eines ACLF. AIH Autoimmunhepatitis, TIPSS transjugulärer intrahepatischer portosystemischer (Stent‑)Shunt, HBV Hepatitis-B-Virus, HEV Hepatitis-E-Virus. (Datenquellen: [38, 54, 66])

Abb. 2
figure 2

Progression zum ACLF. Sowohl eine kompensierte Leberzirrhose als auch (und insbesondere) eine dekompensierte Leberzirrhose können durch „Trigger“/Auslöser zum ACLF führen, welches wiederum eine hohe Kurzzeitmortalität hat. Dies wird durch ein zusätzliches Ein- oder Mehrorganversagen begründet. (Adaptiert nach [3])

Auf die oben beschriebenen „Trigger“ folgt im Falle eines ACLF eine im Detail noch unzureichend verstandene überschießende Inflammation („Zytokin- und Eicosanoidsturm“). So wurden bei ACLF signifikant höhere Zytokinlevel (CRP, Leukozyten, IL‑6, IL-8 u. a.) als bei einer reinen hepatischen Dekompensation dokumentiert [14]. Das Ausmaß der Inflammation korreliert wiederum mit der Mortalität. CRP und Leukozyten sind beispielsweise auch unabhängig vom Vorliegen einer Infektion bei ACLF negative Prognosemarker [54]. Die überschießende Inflammation kann sowohl durch exogene als auch durch endogene Faktoren induziert und/oder weiter unterhalten werden: Als exogene Trigger lösen im Besonderen Bakterien durch direkte Virulenzfaktoren wie auch durch „pathogen-associated molecular patterns“ (PAMP), durch funktionelle bzw. strukturelle Merkmalerkennung, eine proinflammatorische Signalkaskade aus. Die gestörte intestinale Barriere („leaky gut“) aufgrund einer portalen Hypertension stellt die Grundlage für eine intestinale bakterielle Translokation dar. Die regelhaft zu beobachtenden Veränderungen des intestinalen Mikrobioms bei chronischen Lebererkrankungen (u. a. verminderte Diversität) können sich hierfür zusätzlich begünstigend auswirken. Zugleich tragen auch endogene – „sterile“ – Auslöser zur Signalkaskade bei: Endogene Induktoren werden als „damage-associated molecular patterns“ (DAMP) bezeichnet und umfassen Moleküle, die von nekrotischen Zellen und Produkten des extrazellulären Matrixabbaus freigesetzt werden und schließlich andere inflammatorische Signalwege auslösen bzw. weiter verstärken [55].

Management

Eine etablierte spezifische Therapie des ACLF z. B. zur Kontrolle der Inflammation existiert aktuell (noch) nicht. Im Zentrum der Behandlung steht daher die bestmögliche Therapie des jeweiligen Organversagens und der hepatischen Dekompensation sowie der schnellen Elimination des auslösenden Triggers (Tab. 3). Die ersten 72 h nach Diagnosestellung sind für den weiteren Verlauf von ganz wesentlicher prognostischer Bedeutung [18]. Nach persönlicher Ansicht der Autoren sollte bei einem ACLF Grad 1 die Aufnahme auf eine Intermediate-Care-Station erwogen werden, falls eine entsprechende Infrastruktur besteht. Bei einem ACLF Grad 2 und/oder einem Versagen in den Kategorien „Atmung“, „Kreislauf“ oder „Gehirn“ ist in der Regel eine intensivmedizinische Überwachung indiziert. Geeignete Patienten sollten frühzeitig auch einem Lebertransplantationszentrum vorgestellt werden. ACLF-Patienten (v. a. in fortgeschrittenen Stadien) haben nach erfolgter Lebertransplantation zwar eine höhere Mortalität als Patienten ohne ACLF [47, 53], zugleich zeigen multizentrische, retrospektive Daten ein wesentlich höheres 1‑Jahres Überleben (83,9 % vs. 7,9 %) transplantierter ACLF-Grad-3-Patienten gegenüber den Nichttransplantierten [18].

Palliativmedizin

Basierend auf einer prospektiven Studie von Gustot et al., mit geringer Anzahl von Intensivpatienten, wird in den aktuellen europäischen Leitlinien – mit schwächerem Empfehlungsgrad – bei ACLF-Patienten mit einem (mind.) 4‑fach-Organversagen und erst nach adäquater 1‑wöchiger intensivmedizinischer Therapie ohne Transplantatoption ein palliativmedizinisches Vorgehen empfohlen [18, 32]. Verschiedene Forschergruppen unterstreichen allerdings die aktuell noch nicht ausreichende Datenbasis insgesamt bei dieser Patientengruppe; insbesondere zeigten sich in ihren Kollektiven 90-Tages-Postintensivüberlebensraten von 14 % [11] respektive 10 % [51], sodass eine generelle Empfehlung schwer möglich erscheint. Die Entscheidung, ab wann ein palliativmedizinisches Vorgehen begonnen werden soll, sollte individuell mit Bewertung (u. a. Erfolgswahrscheinlichkeit weiterer Maßnahmen) durch die einzelnen Beteiligten (Selbstreflexion Behandlungsteam, Selbstreflexion Stellvertreter bzw. Angehörige und Patientenwille) in einer möglichst gemeinsamen Entscheidungsfindung stattfinden [57].

Spezifische Therapie von Auslöseereignissen eines ACLF

Akute gastrointestinale Blutung

Die durch eine portale Hypertension bedingte obere gastrointestinale Blutung ist ein akut lebensbedrohliches Ereignis. Bei einer Ösophagusvarizenblutung beträgt die Mortalität 15–20 % [10]. Beim Management einer gastrointestinalen Blutung – varikös und nichtvarikös – steht zunächst die kontinuierliche Überwachung mit hämodynamischer und respiratorischer Stabilisierung im Vordergrund [18, 31]. Neben kristalloidem Volumenersatz, ggf. Katecholamintherapie, sollte situationsbezogen auch eine erweiterte Gerinnungsdiagnostik erfolgen. Eine Transfusion sollte in der Regel restriktiv erst ab einem Hb <7 g/dl erfolgen. Eine liberalere Strategie (ab Hb <9 g/dl) war in einer randomisierten Studie mit einem Überlebensnachteil assoziiert [81]. Bezüglich der Indikation zur (Schutz‑)Intubation bestehen keine klaren Empfehlungen. Eine generelle Schutzintubation scheint allerdings nicht sinnvoll zu sein. Prospektiv-randomisierte Daten zur Schutzintubation bei GI-Blutung sind allerdings nicht verfügbar. Retrospektive Analysen zeigen zumindest weder einen Überlebensvorteil noch eine verringerte Rate an Aspirationspneumonien infolge einer Intubation [42]. In einer Fall-Kontroll-Studie an über 200 Patienten mit schwerer GI-Blutung zeigte sich in der Gruppe der elektiv Intubierten eine höhere Rate unerwünschter kardiopulmonaler Ereignisse (was als kombiniertes Outcome mit u. a. Pneumonien, Lungenödemen und ARDS definiert wurde; [34]). Insbesondere zeigte sich ein großer Unterschied in Bezug auf das Auftreten von Pneumonien (Intubation 14,0 % vs. Nichtintubation 2,0 %). Patienten mit respiratorischer Insuffizienz wurden hier allerdings nicht berücksichtigt. Ferner bestand ein durchschnittlicher GCS-Wert von 14,7 Punkten, sodass ausdrücklich keine Aussage bezüglich mental bereits eingeschränkten Patienten getroffen werden kann. In der deutschen Leitlinie wird lediglich eine „Kann“-Empfehlung zur Schutzintubation ausgesprochen, sofern ein deutlich erhöhtes Aspirationsrisiko vermutet wird. Nach Ansicht der Autoren erscheint eine Intubation sinnvoll, wenn eine aktive Hämatemesis, signifikante Enzephalopathie oder Agitation vorliegt. Dies deckt sich auch mit den Empfehlungen der europäischen Leitlinie [39]. Zusätzlich sind ein Koma oder ein V. a. eine Atemwegsverlegung sichere Intubationskriterien. Auch bei V. a. eine variköse Blutung scheint initial die Bolusgabe eines PPI (bspw. Pantoprazol 80 mg i.v.) sinnvoll, da bis zu 50 % aller oberen gastrointestinalen Blutungen bei Patienten mit Leberzirrhose nicht varikös bedingt sind [18, 31]. Bestätigt sich eine rein variköse Blutungsquelle ist allerdings eine längerfristige PPI-Gabe nicht indiziert, da sie eine erneute Ösophagusvarizenblutung weder verhindern noch günstig beeinflussen. Eine kurzzeitige Gabe reduziert die Größe von Postligaturulzera und kann daher erwogen werden [18, 31]. Bei V. a. eine Varizenblutung ist umgehend (bereits vor der Endoskopie) eine i.v.-Therapie mit vasoaktiven Substanzen einzuleiten, die zu einer Vasokonstriktion im Splanchnikusgebiet führen. Hierfür stehen Terlipressin, Somatostatin und Octreotid zur Verfügung. Die drei Substanzen sind bezüglich der Blutungskontrolle, Häufigkeit von Rezidivblutung sowie Letalität gleichwertig [67]. Bei gesicherter Varizenblutung sollte die i.v.-Therapie zur Verhinderung einer Rezidivblutung für insgesamt 5 Tage fortgesetzt werden, um eine frühe Reblutung zu verhindern [18]. Eine frühere Arbeit konnte nach einer endoskopischen Varizenbehandlung bei Varizenblutung eine passagere Portaldruckerhöhung auch 5 Tage nach der Blutung messen [5]. Insbesondere bei schlechter Verträglichkeit kann aber auch eine kürzere Gabe über lediglich 72 h erwogen werden [6]. Terlipressin sollte initial als Bolus und idealerweise im Verlauf kontinuierlich verabreicht werden: Die kontinuierliche Gabe hat selbst in der geringeren Dosis einen stabileren portaldrucksenkenden Effekt als die repetitive i.v.-Gabe und eine geringere Nebenwirkungsrate [12]. Häufigere Nebenwirkungen sind abdominelle Beschwerden wie Diarrhöen, Überwässerung und kardiovaskuläre Ischämien; die Therapieabbruchquote, insbesondere aufgrund kardiovaskulärer Effekte, liegt bei 20 %. In diesem Zusammenhang ist Vorsicht bei Patienten mit Koronarinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen oder schwerem Asthma bronchiale geboten, sodass sowohl das Schreiben eines Elektrokardiogramms vor Beginn der Therapie als auch ein kontinuierliches Monitoring unter Therapie erforderlich ist [18, 26]. Von entscheidender Bedeutung ist ferner eine sofortige antiinfektive Therapie (z. B. Cephalosporine der dritten Generation) in der Regel über 7 Tage. Bei ca. 50 % der Patienten mit Ösophagusvarizenblutungen lassen sich bakterielle Infektionen nachweisen, die häufig den Trigger der Blutung darstellen [7]. Die antiinfektive Therapie verbessert die Blutungskontrolle sowie das Überleben und reduziert die Rate an Rezidivblutungen [18, 31]. Die gastroskopische Diagnostik und Therapie sollten zeitnah (innerhalb der ersten 12 h) nach hämodynamischer Stabilisierung erfolgen [18, 31]. Trotz optimaler Therapie entwickeln bis zu 15 % der Patienten Rezidivblutungen [18, 31]. Bei Hochrisikopatienten (Child-Pugh B + aktive Blutung in der Screening-Endoskopie oder Child-Pugh C < 14 Punkte) kann primär ein „early TIPSS“ (innerhalb der ersten 24–72 h) erwogen werden [25]. Spätestens sollte dies bei früher Rezidivblutung erfolgen [18]. Überbrückend können bei schweren Blutungen lokale Maßnahmen zur Blutstillung wie Ballontamponaden (Sengstaken- und/oder Linton-Sonde) sowie selbstexpandierende Metallstents eingesetzt werden [31].

Bakterielle Infektionen

Die Entwicklung einer Leberzirrhose geht mit Dysfunktionen verschiedener Bestandteile des Immunsystems einher. Hierdurch erklärt sich eine 4‑ bis 5‑fach erhöhte Inzidenz von bakteriellen Infektionen. Gleichzeitig ist die Mortalität im Falle einer bakteriellen Infektion bei Patienten mit Leberzirrhose 4‑fach erhöht [4]. Bakterielle Infektionen sind der häufigste Trigger für ein ACLF und gleichzeitig mit einer besonders schlechten Prognose assoziiert [23]. Die häufigste Infektion ist die spontane bakterielle Peritonitis (SBP). Absolut essenziell ist eine schnelle und effektive antiinfektive Therapie [23]. Die Mortalität steigt um 3 %/h Verzögerung in der Diagnose. Gängige klinische und laborchemische Zeichen einer Infektion fehlen häufig [18]. Eine umgehende diagnostische Parazentese ist daher bei jeder aszitischen Dekompensation notfallmäßig indiziert. Einschränkungen der globalen Gerinnungsparameter oder eine Thrombopenie sind hierbei keine Kontraindikationen und dürfen die Diagnose nicht verzögern [28]. Bei der Auswahl der geeigneten Therapie muss bei der SBP ebenso wie bei anderen bakteriellen Infektionen das Risiko für multiresistente Erreger berücksichtigt werden [18, 23]. Durch eine bestehende antibiotische Prophylaxe mit Norfloxacin ist eine höhere Rate an multiresistenten Erregern bei Leberzirrhosepatienten allerdings nicht zu befürchten [60]. Neben der obligatorischen Abdeckung gramnegativer Erreger sollte dies nach einer kürzlich zurückliegenden Intervention (z. B. Aszitesdrainage) auch eine sichere grampositive Abdeckung umfassen [59]. Abb. 3 stellt einen an unseren eigenen aktuellen Zentrumsstandard und die aktuellen Empfehlungen der EASL angelehnten Therapiealgorithmus dar. Daten aus unserer eigenen Kohorte legen zudem nahe, dass eine hoch dosierte PPI-Therapie (>40 mg/Tag) die Prognose bei einer SBP signifikant verschlechtert [73]. Wahrscheinlich ist dies durch Veränderungen des Mikrobioms und konsekutiv des Keimspektrums bei der SBP bedingt. Die Indikation für eine langfristige PPI-Gabe bei Patienten mit Leberzirrhose v. a. für die Hochdosistherapie sollte streng gestellt und regelmäßig überprüft werden [18].

Abb. 3
figure 3

Management einer SBP. Auszug aus der Standard Operating Procedure (SOP) „Spontane bakterielle Peritonitis“ der Medizinischen Hochschule Hannover. PMN Polymorphkernige Neutrophile; Ewimed® = getunnelte Aszitesdrainage; Alpha-Pump® = batteriebetriebenes intraperitoneales Pumpsystem von Aszites in die Harnblase

Alkohol

Das Syndrom der schweren akuten alkoholischen Hepatitis (AH) ist bereits lange bekannt. Es ergeben sich zum Teil wesentliche Überschneidungen mit einem ACLF. Auf Grundlage einer alkoholischen Fettleber oder ethyltoxischen Leberzirrhose entsteht durch einen „2nd hit“/Trigger (z. B. „binge drinking“) ein schweres Krankheitsbild mit hepatischer Dekompensation und hoher Mortalität [21]. Nicht selten entwickelt sich ein Multiorganversagen, wodurch auch die Kriterien für ein ACLF erfüllt sind. Im Zentrum der Pathogenese steht eine massive Inflammation. Lange Zeit wurde daher eine Therapie mit Cortison verfolgt, welche insbesondere bei schweren Verläufen vorteilhaft schien. Alternativ und additiv wurde mit Pentoxifyllin behandelt. Beide Präparate zeigten 2015 allerdings in einer doppelblind-randomisierten Multicenterstudie (STOPAH) keine signifikante Überlegenheit gegenüber Placebo in der 1‑Jahres-Mortalität. Für Cortison zeigte sich allerdings zumindest ein Vorteil innerhalb der ersten 28 Tage, welcher im weiteren Beobachtungszeitraum wahrscheinlich aufgrund der höheren Rate an Infektionen wieder verloren ging [77]. Als weitere mögliche Erklärung des fehlenden langfristigen Vorteils der Cortisonbehandlung in der STOPAH-Studie wurde häufig die „zu gesunde“ Studienpopulation angeführt. Die im April 2018 veröffentlichten europäischen Leitlinien empfehlen daher eine Therapie mit Prednisolon nur bei besonders schwerer AH. Eine Evaluation der Wirksamkeit und somit Entscheidung über die Fortführung der Behandlung soll nach 7 Tagen anhand des Lille-Scores (v. a. Abfall des Bilirubins maßgeblich) erfolgen [21]. Die schwere AH wird hierbei durch einen Glasgow Alcoholic Hepatic Score (GAHS; u. a. Berücksichtigung des Alters und der Leukozyten) von über 9 Punkten definiert. Nach persönlicher Ansicht der Autoren sollte im Falle einer Cortisontherapie bei Patienten mit Aszites eine Antibiotikaprophylaxe zur Verhinderung einer SBP erfolgen (z. B. mit Norfloxacin 400 mg/Tag; [21]). Patienten mit schwerer AH haben unter Cortisontherapie eine signifikant höhere Chance, an einer Infektion zu versterben, als entsprechende Patienten ohne Infektion (39 % vs. 22 %; OR 2,27; [80]). Liegt bereits eine Infektion (insbesondere Sepsis) vor, sollte deshalb eine Cortisontherapie auch bei schwerer AH nicht erfolgen. Eine weitere französische multizentrische Studie suggeriert, dass bei schwerer Alkoholhepatitis die Kombination aus N‑Acetylcystein mit Prednisolon ein besseres 1‑Monats-Überleben sowie eine geringere Inzidenz von Nierenversagen und Infektionen gegenüber der alleinigen Prednisolontherapie aufweist. Das 6‑Monats-Überleben zeigte sich allerdings nicht unterschiedlich [58].

Virushepatitis

Besondere Bedeutung hat weltweit die Hepatitis-B-Virus(HBV)-Infektion. Patienten mit chronischer HBV-infektion können im Rahmen von Veränderungen der Immunkontrolle „Flares“ (≙ steigender HBV-Titer mit deutlichem Transaminasenanstieg) entwickeln. Diese Flares sind häufige Ursachen einer hepatischen Dekompensation mit ggf. nachfolgendem ACLF, können allerdings auch spontan sistieren [22]. Patienten mit Leberzirrhose sollten bei nachweisbarer HBV-DNA daher stets einer antiviralen Therapie zugeführt werden. Ist bereits ein ACLF eingetreten, ist die Behandlung deutlich schwieriger. Die wenigen Studien zur Nukleosid- bzw. Nukleotidanalogatherapie bei Patienten mit HBV-assoziiertem ACLF zeigen zwar keine ganz einheitlichen Ergebnisse, die beiden einzigen randomisiert-kontrollierten Studien hierzu präsentieren allerdings ein deutliches verbessertes (3-Monats‑)Überleben [18, 22]. Zu bemerken ist, dass bei starker Immunsuppression (z. B. bei Rituximabgabe) lebensgefährliche HBV-Reaktivierungen selbst bei Patienten mit sog. „ausgeheilter“ HBV-Infektion (Anti-HBs positiv und Anti-HBc positiv) auftreten können [44]. Vor jeder immunsuppressiven Therapie (u. a. auch Chemotherapien) muss jeder Patient auf HBV untersucht werden. Bei Anti-HBc-positiven Patienten sollte die aktuelle Leitlinie zum weiteren Prozedere geprüft und im Zweifel stets ein Hepatologe hinzugezogen werden [22].

Zunehmende Bedeutung gewinnt in den vergangenen Jahren die Hepatitis E insbesondere durch eine erhöhte Testung auf HEV. Bei durch HEV getriggertem ACLF kann nach gründlicher Risiko-Nutzen-Abwägung eine experimentelle Behandlung („off label“) mit Ribavirin versucht werden [19].

Supportive Therapie des Organversagens

Hämodynamik

Bedingt durch eine ausgeprägte Vasodilatation im Splanchnikusgebiet weisen viele Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose eine hyperdyname Kreislaufsituation auf. Hieraus resultiert eine relative Hypovolämie und in fortgeschrittenen Stadien eine Hypotonie mit drohender Organminderperfusion. Bei ACLF kommt es erschwerend zu einer zusätzlichen Vasodilatation durch die ausgeschütteten Zytokine. Bei hämodynamisch instabilen Patienten soll in Analogie zum septischen Schock ein mittlerer arterieller Blutdruck von >60 mm Hg angestrebt werden. Patienten sollten zur Plasmaexpansion initial und in erster Linie Kristalloide erhalten [18, 56], hier sollte bei Volumendepletion mit 10–20 ml/kg begonnen werden [24]. Der Volumenstatus sollte dynamisch beurteilt werden; insbesondere sollte allerdings bei deutlichen Zeichen der Volumenüberladung (ausgeprägte Ödeme und/oder Aszites, zentralvenöser Druck [ZVD] >12 mm Hg) die Volumentherapie beendet werden. Hierzu eignen sich neben dem Basismonitoring (arterielle Blutdruckmessung, ZVD) auch klinische Methoden (Raise-leg-Test, „stroke volume variation“), Echokardiographie oder die minimal-invasive Messung des Herzindex [56, 83]. Eine Gabe von Humanalbumin erscheint zunächst aus theoretischen Überlegungen (u. a. antioxidative Wirkung, Reduktion bakterieller Bindungsprodukte, Anhebung des bereits reduzierten Serumalbuminspiegels, Ersatz des häufig in der Proteinstruktur geschädigten Patientenalbumins) interessant [37]. Ganz aktuell wird intensiv diskutiert, ob gar eine langfristige wöchentliche Gabe bei stabilen Zirrhosepatienten sinnvoll ist, da dies in einer kürzlich publizierten Studie sowohl Mortalität als auch die Rate an hepatischen Dekompensationen deutlich senkte [9]. Beim ACLF liegen allerdings keine systematischen Daten zum Nutzen einer Humanalbumingabe vor. Eine eindeutige Indikation besteht im Rahmen eines hepatorenalen Syndroms (s. Abschn. „Niere“) nach großvolumiger Parazentese (ab 5 l; 8 g Albumin je Liter Aszites) zur Prävention einer postparazentesischen Kreislaufdysfunktion und bei einer spontanen bakteriellen Peritonitis (1,5 g/kg an Tag 1 gefolgt von 1 g/kg an Tag 3; [18]). Bei Patienten mit SBP und bestimmten Risikofaktoren (Bilirubin >4 mg/dl oder Kreatinin >1 mg/dl) reduziert die zusätzliche Gabe von Humanalbumin das Risiko für eine AKI und verbessert die Prognose [71]. Ein „benefit“ bei anderen Infektionen außer der SBP konnte bislang nicht nachgewiesen werden [75]. Die Katecholamintherapie unterscheidet sich zumeist nicht von Patienten ohne Leberzirrhose bzw. ohne ACLF.

Der negative Effekt nichtselektiver β‑Blocker (NSBB) auf die Hämodynamik von Patienten mit Leberzirrhose wird aktuell kontrovers diskutiert. Ein ACLF per se ist jedoch kein Grund, einen NSBB abzusetzen, da gezeigt werden konnte, dass die Einnahme eines NSBB mit einem verbesserten Kurzzeitüberleben assoziiert ist [52]. Beendet werden sollte die NSBB-Therapie jedoch bei Auftreten einer schweren Hypotension (spätestens ab einem MAD <65 mm Hg) und/oder Nierenfunktionsstörung (ab einer AKI Grad 1a; s. Abschn. Niere; [18, 74]).

Niere

Der Nierenfunktion ist bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose ein Prognosemarker von besonderer Bedeutung. Definiert wird die „acute kidney injury“ (AKI) bei Leberzirrhose in Abhängigkeit von der Kinetik und dem Gesamtwert des Retentionsparameters Kreatinin. Die häufigsten Ursachen für eine AKI bei Patienten mit Leberzirrhose sind Infektionen (46 %), Hypovolämien (32 %), das hepatorenale Syndrom (13 %) und parenchymatöse Nephropathien (9 %; [50]). Das empfohlene therapeutische Vorgehen richtet sich nach dem vorliegenden AKI-Stadium (Abb. 4). Es werden die AKI-Stadien 1(a/b)–3 unterschieden (Tab. 4; [18]). Bei AKI 1a steht zunächst die Elimination von Risikofaktoren für die Nierenschädigung im Vordergrund. Bei AKI 1b–3 sollten zusätzlich sämtliche Diuretika pausiert und eine Volumenexpansion mit Albumin (1 g/kg) über 2 Tage initiiert werden. Im Gegensatz zu den KDIGO-Kriterien wird die Urinproduktion aus folgenden Gründen nicht berücksichtigt: 1. Hohe Prävalenz oligurischer Patienten aufgrund der Natriumretention; 2. erhöhte Urinproduktion durch Diuretika; 3. unzuverlässige Urinbilanzierung auf Normalstationen [2, 18]. Sollte es auch hierunter nicht zu einem Therapieansprechen kommen, so muss evaluiert werden, ob die Kriterien eines hepatorenalen Syndroms (HRS) erfüllt sind (Abb. 3). Hierbei gilt es zu beachten, dass sich die Definitionen 2018 geändert haben: Die Definition von HRS Typ 1 bzw. HRS Typ 2 wurde nun durch die Begriffe HRS-AKI (entspricht der Definition von HRS Typ 1) und NAKI/Non-AKI-HRS (Kriterien eines HRS erfüllt, aber nicht die einer AKI) erneuert [18]. Die klassische Definition des HRS wurde zunehmend verlassen, da die Vorstellung des Pathomechanismus sich in den letzten Jahren geändert hat. Ging man früher davon aus, dass es sich beim HRS um ein funktionelles Nierenversagen im Rahmen einer makrozirkulatorischen Dysfunktion handelt, so gilt heute eine zusätzliche inflammatorische Komponente als wahrscheinlich. In mehreren Studien wurden verschiedene Zytokine und Chemokine mit dem Auftreten eines Nierenversagens bei Leberzirrhose in Verbindung gebracht [68]. Darüber hinaus wurde die alte Definition verlassen, da beispielsweise die Diagnose eines HRS Typ 1 erst ab einem Cut-off von ≥221 µmol/l (bzw. ≥2,5 mg/dl) erfüllt wurde. Dies kann zu einer Verzögerung der Therapie und damit zu einer Verschlechterung der Prognose führen. Dieselbe Kritik gilt auch für die Definition des Nierenversagens im CLIF-SOFA-Score, welcher ein Nierenversagen ab einem Kreatinin ≥177 µmol/l (bzw. 2,0 mg/dl) definiert. In diesem Model wird überdies die Kinetik des Kreatinins nicht berücksichtigt, was die Diskriminierung zwischen einem akuten und einem chronischen Nierenversagen erschwert. Diese Kritik fällt besonders ins Gewicht, da Patienten mit Leberzirrhose oft zusätzlich eine organische Nierenerkrankung (z. B. eine IgA-Nephropathie) aufweisen.

Abb. 4
figure 4

Management von AKI/HRS bei Leberzirrhose. Management einer Nierenfunktionsverschlechterung nach aktuellen EASL-Leitlinien (adaptiert nach [3]). AKI „acute kidney injury“, ATN akute Tubulusnekrose, NSAR nichtsteroidale Antirheumatika, HRS Hepatorenales Syndrom

Tab. 4 Nierenversagen im Rahmen eines ACLF. Nierenversagen nach CLIF-SOFA. (Aus [18])

Bei HRS-AKI sollte die Therapie mit einem Vasokonstriktor wie Terlipressin oder Noradrenalin begonnen werden. Da die Therapie mit Vasokonstriktoren zu Ischämien und kardiovaskulären Ereignissen führen kann, sollte vor Initiierung der Therapie eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Evaluation stattfinden. Eine kontinuierliche Gabe sollte bevorzugt werden (s. Abschn. „Akute gastrointestinale Blutung“). Mit Terlipressin gibt es in diesem Zusammenhang mehr Daten, die den positiven Nutzen in Bezug auf eine Verbesserung der Nierenfunktion und Verbesserung des Überlebens belegen, als bei Noradrenalin.

Sobald eine Hämodialyse erforderlich wird, ist die Prognose erheblich eingeschränkt. Hier sollte die Gesamtprognose des Patienten (Option für Lebertransplantation) beim weiteren Vorgehen berücksichtigt werden [18].

Lunge

Alle ACLF-Patienten mit einem Glasgow-Coma-Scale-Wert von <8 Punkten und/oder einer Enzephalopathie ab West-Haven-Grad 3 oder 4 sollten niedrigschwellig zur Atemwegssicherung endotracheal intubiert werden [65]; daneben gelten speziellere Empfehlungen im Rahmen gastrointestinaler Blutungen (s. Abschn. „Akute gastrointestinale Blutung“). Bei der respiratorischen Insuffizienz sind neben lungenparenchymatösen Ursachen (u. a. Pneumonie) extrapulmonale Gründe (u. a. hepatischer Hydrothorax, ausgeprägter Aszites) und leberspezifische Komplikationen (hepatopulmonales Syndrom) zu berücksichtigen. Für die Analgosedierung sollten Benzodiazepine aufgrund des verzögerten hepatischen Abbaus eher vermieden und stattdessen eher kurz wirksame Anästhetika wie Propofol eingesetzt werden. Auch volatile Anästhetika aus der Gruppe der Flurane (z. B. Isofluran, Desfluran) werden nicht signifikant hepatisch metabolisiert und eignen sich gut zur (ggf. kombinierenden) Sedierung beim ACLF – bspw. AnaConDa® („off label“; [48]).

Gerinnung

Der „alleinige“ laborchemische Nachweis eines Verlusts einzelner Gerinnungsfaktoren (bspw. AT III oder Fibrinogen) und/oder eine Thrombozytopenie rechtfertigt nicht deren Substitution; dies sollte erst bei einer klinisch signifikanten Blutung erfolgen. Zudem kann eine Substitution vor größeren interventionellen oder chirurgischen Eingriffen erwogen werden [18]. Nichtportalhypertensive Blutungsereignisse sind sowohl bei kompensierten als auch bei dekompensierten Leberzirrhosen selbst bei formal gestörten Standardgerinnungstests (INR, aPTT) selten; bei einer kompensierten Leberzirrhose geht man bei zugleich vermehrten prothrombotischen Faktoren von einer „hämostatischen Balance“ aus (aPTT: aktivierte partielle Thromboplastinzeit; [1]). Bei ACLF-Patienten besteht gegenüber Patienten mit hepatischer Dekompensation allerdings eher eine Blutungsneigung [8]. ACLF-Patienten haben zudem eine wesentlich höhere Rate an schweren Blutungsereignissen (Nicht-ACLF 6 % vs. ACLF Grad 1–3 9 %–54 %). Bei diesen Blutungsereignissen ist zudem die 1‑Jahres-Mortalität bei höhergradigem ACLF (Grad 3) wesentlich höher als bei intensivpflichtigen Zirrhosepatienten ohne ACLF [15]. Der wesentliche Prädiktor für eine schwere Blutung bei ACLF ist das Vorliegen eines „Gerinnungsversagens“ (s. Abschn. „Definition und Diagnosekriterien“; HR 2,1; p = 0,05). Einzelne beim ACLF veränderte Gerinnungsfaktoren können als Prädiktoren der 28-Tages-Mortaliät genutzt werden, wie zum Beispiel die Protein-C-Aktivität oder AT III [64].

Hepatische Enzephalopathie

Der Begriff hepatische Enzephalopathie (HE) definiert eine Einschränkung der Hirnfunktionen auf der Basis einer eingeschränkten Leberfunktion oder eines ausgeprägten portosystemischen Shunts. Der Goldstandard zur Graduierung ist der West-Haven-Score. Therapie der ersten Wahl ist, neben der Beseitigung prädisponierender Faktoren (z. B. GI-Blutung, Infektion, Elektrolytstörung, Obstipation, Sedativa, Hypovolämie), die Gabe von Lactulose [82]. Die Substanz kann langsam aufdosiert werden, bis der Patient über 2–3 weiche Stuhlgänge pro Tag berichtet. Bei Rezidiv und/oder fehlender Besserung wird eine (additive) Therapie mit dem Antibiotikum Rifaximin empfohlen. Zu den bereits genannten Substanzen kann auch eine Therapie mit L‑Ornithin-L-Aspartat (LOLA) initiiert werden. Die positive Wirkung von i.v.-LOLA auf den Ammoniakspiegel bzw. auf kognitive Leistung konnte in einigen Studien gezeigt werden [70]. Bezüglich der oralen Gabe von LOLA ist die Datenlage sehr begrenzt [82]. Eine weitere Option zur Behandlung der HE ist die orale Gabe von verzweigtkettigen Aminosäuren (BCAA), welche einen positiven Einfluss auf die HE hat – ohne gleichzeitige Besserung der Lebensqualität oder Mortalität [30, 63]. Ebenso zeigte eine randomisierte, doppelblinde Studie an Leberzirrhosepatienten, dass die Kombination Lactulose mit BCAA zu keiner Reduktion an HE-Episoden (gegenüber ohne BCAA) führt [46]. Daher wird die Gabe von BCAA als Kombinationstherapie in der deutschen Leitlinie nur bei Lactulose-„Versagern“ als mögliche Option (neben i.v.-LOLA und Rifaximin) aufgeführt [29].

Die Therapie bzw. Therapieeskalation sollte sich vor allem an dem klinischen Stadium der HE orientieren. So kann eine milde Erstmanifestation (Grad I–II) mit diätischen Maßnahmen und Lactulose suffizient behandelt werden, während eine schwere Erstmanifestation (WH-Grad III–IV) eine intensivmedizinische Versorgung mit Schutzintubation und gleichzeitiger Therapie mit mehreren der oben genannten Substanzen erforderlich machen kann. Bei schwerer HE gehören neben dem intensivmedizinischen Basismonitoring auch eine engmaschige Kontrolle des Blutzuckers und Überwachung (ggf. apparativ) des Hirndrucks [35]; bereits ein Ammoniakspiegel von 150 bis 200 μmol/l stellt einen Risikofaktor für ein Hirnödem mit intrakranieller Hirndruckerhöhung dar [41]. Auch bei schwerster hepatischer Enzephalopathie sollte stets Lactulose (vorzugsweise als Schwenkeinlauf) eingesetzt werden, da dies weiterhin die effektivste Einzelmaßnahme darstellt [79]. Additiv zu oben genannten Pharmakotherapien kann bei schwerer (und ggf. refraktärer) Enzephalopathie eine kontinuierliche Hämodialyse versucht werden. Ammoniak lässt sich hierdurch effektiv entfernen (Ammoniakreduktion im Median um 37,9 %, Reduktion 21-Tage-transplantationsfreien Mortalität mit OR 1,68; [11]). Vielversprechende Ergebnisse wurden in diesem Zusammenhang auch für das Leberunterstützungssystem MARS (s. Abschn. „Leberunterstützungsverfahren“) publiziert (Verbesserung HE MARS 34 % vs. 18,9 % Standardbehandlungsgruppe; [33, 72]). Medikamentös refraktären Verläufen liegen nicht selten spontane portosystemische Shunts zugrunde: Eine Coil-Embolisation der entsprechenden Shunts kann in diesen Fällen zu einer deutlichen Symptomreduktion führen [45, 49].

Der Ernährungsstatus ist bei der Betrachtung der HE von besonderer Bedeutung: Eine Sarkopenie gilt als Risikofaktor für das Auftreten einer HE, da die Muskulatur eine wichtige Rolle bei der Elimination von Ammoniak spielt. Durch die Glutamat-Ammonium-Ligase kann beispielsweise Ammonium unter ATP-Verbrauch auf Glutamat übertragen und somit neutralisiert werden [13]. Die Ernährung von Patienten mit Leberzirrhose sollte überdies vor allem Proteine aus Gemüse und Milchprodukten enthalten [20]. Die Ernährung kritisch kranker ACLF-Patienten auf der Intensivstation unterscheidet sich grundsätzlich nicht von entsprechenden Nicht-ACLF-Patienten (schwere Sepsis bspw. [17]). Ein besonderes Augenmerk ist allerdings auf die sehr häufig vorbestehende Mangelernährung bei Leberzirrhosepatienten (angestrebte Energiezufuhr von 30 bis 35 kcal/kgKG pro Tag) sowie die Sicherstellung der unverzichtbaren Glukosemenge mit engmaschigen Kontrollen (Prophylaxe Hypoglykämie) zu legen. Zudem sollte stets auf eine ausreichende Eiweißzufuhr (1,2–1,5 g/kgKG pro Tag) geachtet werden, da ein Mangel mit einer schlechteren Prognose einhergeht und zusätzlich eine länger liegende Karenz (>12 h) zu einer relevanten Hyperammonämie führen kann [61]. Es besteht zudem ein hoher Empfehlungsgrad für Ernährungslösungen mit verzweigtkettigen Aminosäuren bei vorliegender HE [61, 62].

Patienten, die im Rahmen einer HE III–IV. Grades keine Nahrung oral aufnehmen können, sollten mit einer nasogastralen Sonde ernährt werden. Nach aktueller Datenlage scheint die Anlage kleinlumiger nasogastraler Sonden auch bei Vorliegen von Ösophagusvarizen sicher zu sein [62]. Nach unserer klinikinternen SOP erfolgt nach stattgehabter Ösophagusvarizenblutung mit endoskopischer Behandlung nach anschließendem Hämoglobin- und klinisch stabilem Verlauf – nach einem Tag nicht per os – zunächst eine 24-stündige Kost mit kalter Flüssigkeit (in der Regel H2O). Wenn sich hier klinisch und laborchemisch ein stabiler Verlauf ergibt, kann die enterale Therapie (bzw. per os als Breikost für mindestens 1 Woche) fortgesetzt werden.

Mögliche neue Therapieansätze

Leberunterstützungsverfahren

Plasmapheresetherapien und/oder Plasmaaustauschverfahren gegen Humanalbumin (MARS®, Prometheus®) haben ein gutes Sicherheitsprofil gezeigt, zeigten allerdings in den zwei umfangreichsten randomisiert-kontrollierten Studien, nämlich der europäischen HELIOS- sowie der RELIEF-Studie, keine Überlebensvorteile für ACLF-Patienten. Eine Metaanalyse, mit Berücksichtigung u. a. diverser asiatischer Studien mit dementsprechend anderer ACLF-Definition, zeigt zumindest einen Vorteil im Kurzzeitüberleben (Reduktion der Mortalität um ca. 30 % nach 28 Tagen und 3 Monaten) ohne eindeutige Verbesserung des Langzeitüberlebens [69, 72], sodass sie in den Leitlinien nicht empfohlen werden [18]. Untersucht werden zurzeit bioartifizielle Leberersatzverfahren (ELAD©), welche sich durch die zusätzliche Integration von Hepatozyten in Biokartuschen kennzeichnen. Im prospektiv-kontrollierten Vergleich bei Patienten mit schwerer Alkoholhepatitis konnte gegenüber der Kontrollgruppe allerdings ebenfalls kein Überlebensvorteil nachgewiesen werden [76]. Ein alleiniges Nierenersatzverfahren ist bei dialysepflichtigem akutem Nierenversagen kurzfristig sinnvoll, als mittel- oder langfristige Option beim hepatorenalen Syndrom allerdings nicht geeignet [84]. Eine ergänzende Indikation kann die schwere hepatische Enzephalopathie darstellen (s. Abschn. „Hepatische Enzephalopathie“). Beim akuten Leberversagen haben sich durch eine Plasmapherese (a.e. aufgrund von immunmodulatorischen Effekten und Toxinelimination) signifikante Überlebensvorteile gezeigt [43]. Entsprechende systematische Studien bei ACLF-Patienten sind aktuell noch nicht abgeschlossen.

Therapie mit G-CSF

Aufgrund der o. g. pathophysiologischen Überlegungen (s. Abschn. „Pathophysiologie“) mit unkontrollierter Inflammation wird zudem eine Therapie mit G‑CSF (granulozytenkoloniestimulierender Faktor) beim ACLF evaluiert. Als eine Rationale wird zum einen die Schwächung der zytotoxischen Reaktion mit Stärkung der Neutrophilenfunktion überlegt. Des Weiteren erhofft man sich auf Basis von Daten aus Mausmodellen eine Leberregeneration durch Stammzellmobilisierung aus dem Knochenmark [40]. In einer asiatischen randomisiert-kontrollierten Studie – mit insbesondere HBV-Patienten – zeigte sich in der Tat unter ACLF-Patienten ein deutlich verbessertes Überleben nach Therapie mit G‑CSF [27]. Derzeit wird diese Behandlung in einer deutschen Multicenterstudie bei Patienten untersucht. Die ersten Ergebnisse könnten im kommenden Jahr erwartet werden.

Fazit für die Praxis

  • Ein ACLF ist ein Syndrom bei Patienten mit Leberzirrhose bestehend aus einer hepatischen Dekompensation sowie einem Ein- oder Mehrorganversagen und einer 28-Tages-Mortalität >15 %.

  • Anhand der Anzahl der versagenden Organsysteme, des Alters und des Ausmaßes der Inflammation ist eine differenziertere Risikostratifizierung mittels CLIF-C-ACLF-Score möglich.

  • Eine bakterielle oder virale Infektion sowie ein kürzlicher Alkoholkonsum sind die wichtigsten Auslöser. Häufig bleibt die genaue Ursache aber unklar.

  • Bei der Behandlung von Infektionen muss das Risiko multiresistenter Erreger berücksichtigt werden.

  • Der Verlauf der ersten 72 h ist für die Prognose wegweisend.

  • Auslöser des ACLF müssen rasch identifiziert und ggf. spezifisch therapiert werden.

  • Eine ACLF-spezifische Therapie ist bislang nicht etabliert.

  • Geeignete Patienten sollten frühzeitig in einem Lebertransplantationszentrum vorgestellt werden.