Steigende Anzahl von CIED führt zu vermehrten Revisionen

Jährlich werden weltweit bei mehr als 1,5 Mio. Menschen kardial implantierbare elektronische Systeme („cardiac implantable electronic devices“, CIED) implantiert. In Deutschland sind es laut Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) über 100.000/Jahr, dazu gehören Schrittmacher (SM), implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) und biventrikuläre Schrittmacher/Kardioverter-Defibrillatoren [1, 2]. CIED sind zu weit verbreiteten Hilfsmitteln bei der Behandlung von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen geworden. Neben den bekannten Vorteilen der CIED-Therapie führt die Implantation eines Fremdkörpers in den menschlichen Organismus auch zu bestimmten Risiken; dabei ist die meist gefürchtete Komplikation eine Systeminfektion. Während die Inzidenz einer CIED-Infektion mit 0,8–1 % [3] noch relativ niedrig ist, sind die Folgen umso gravierender und führen trotz optimalem Management zu erhöhter Morbidität und Mortalität. Zur leitliniengerechten Therapie einer CIED-Infektion gehört neben einer suffizienten, prolongierten Antibiose auch die komplette Entfernung der infizierten Hardware (Empfehlung Klasse I, Level C; [4]).

Entfernung des infizierten CIED beim SM-abhängigen Patienten

Insbesondere die Behandlung von CIED-Infektionen bei SM-abhängigen Patienten stellt eine klinische Herausforderung dar, da eine CIED-Reimplantation nach Systemexplantation häufig erst nach einigen Wochen möglich ist. Einerseits muss die individuelle, antimikrobielle Therapie in den meisten Fällen über 4–6 Wochen appliziert werden [4], andererseits möchte man eine erneute Infektion des frisch implantierten CIED vermeiden. Während dieser Phase benötigen SM-abhängige Patienten eine zuverlässige Option zur Aufrechterhaltung der kardialen Stimulation. Hierzu werden in der Regel zwei gängige Methoden verwendet.

Die transkutane Stimulation sei der Vollständigkeit halber erwähnt, ist aber aufgrund der schmerzhaften Muskelzuckungen während der Stromapplikation keine geeignete Option für einen längeren Stimulationsbedarf ohne ausreichende Analgosedierung.

Mit der Anlage von epimyokardialen Sonden via minimaler anterolateraler Thorakotomie oder via Laparoskopie lassen sich 1‑, 2‑ oder 3‑Kammer-SM-Systeme implantieren. Die Indikation zur epimyokardialen Elektrodenimplantation liegt dann vor, wenn sich eine transvenöse Elektrode nicht einbringen oder platzieren lässt. Es gibt zwei verschieden Elektrodentypen. Zum einen die sog. „Plättchenelektroden“, die auf das Myokard aufgenäht werden und nach unserer Erfahrung häufig einen Reizschwellenanstieg im postoperativen Verlauf zeigen. Und zum anderen steroidbeschichtete Schraubelektroden, welche in den postoperativen Kontrollen auch nach längerer Zeit hervorragende Messwerte erbringen. Wenn im Myokard rezidivierende Ischämien oder Infarkte auftreten, verschlechtert sich auch die Leitfähigkeit des Gewebes, und es kommt zum Anstieg der Reizschwelle. Epimyokardiale Elektroden können nur über eine erneute herzchirurgische Operation erreicht werden, dies setzt eine herzchirurgische Expertise an einem Zentrum voraus.

Mithilfe einer passageren, endovaskulären Sonde lässt sich eine kardiale Stimulation via externen SM über einen begrenzten Zeitraum unter klinischer Beobachtung durchführen. Die Anlage einer endovaskulären Sonde kann über zwei unterschiedliche Methoden erfolgen.

Methode 1: Die Ballon-Einschwemmelektrode.

Eine sog. Ballon-Einschwemmelektrode ist eine transvenöse, temporäre Elektrode ohne Fixierung, die unter Durchleuchtung über die V. femoralis, V. jugularis oder V. subclavia im rechten Ventrikel positioniert wird. Dies ist normalerweise sehr atraumatisch, birgt aber die Gefahr der Perforation des rechten Ventrikels sowie der Sondendislokation mit unsicherer Stimulation. Patienten sollten nach einer solchen Sonden-Anlage nicht mobilisiert werden; damit steigt das Risiko für Komorbiditäten durch die Bettlägerigkeit. Diese Therapieform ist außerdem begrenzt, da manche transvenösen, temporären Elektroden für maximal 30 Tage zugelassen sind.

Methode 2: Die „Opferelektrode“.

Das Prinzip der „Opferelektrode“ findet sich auch in den ESC-Leitlinien von 2015 als Empfehlung Klasse IIb, Level C wieder: Die Verwendung einer SM-Elektrode mit temporärer ipsilateraler, aktiver Fixierung kann bei SM-abhängigen Patienten in Betracht gezogen werden, die vor der Reimplantation eines CIED eine angemessene Antibiotikabehandlung benötigen [4]. Wenn möglich, sollte die „Opferelektrode“ ipsilateral eingebracht werden, damit die kontralaterale Seite für die Reimplantation des neuen permanenten Systems verschont bleibt. Diese vorübergehende Verwendung einer aktiv fixierbaren Sonde (Opferelektrode) verbunden mit einem externen SM-Aggregat ist ein Bridging-Verfahren und bietet eine sichere Option zur Aufrechterhaltung der kardialen Stimulation (Abb. 1 und 2). Da die Elektrode bei sachgerechter Implantation nicht dislozieren kann, ist mit dieser Strategie eine frühe Mobilisation des Patienten möglich und damit auch eine Reduktion der entsprechenden Morbiditäten, wie z. B. Dekubitus, Muskelatrophie, Pneumonie, etc. (Vergleich der Elektroden siehe Tab. 1).

Abb. 1
figure 1

Kutan ausgeleitete „Opferelektrode“ (Pfeil), an ein externes Aggregat angeschlossen. Vakuumtherapie der infizierten Schrittmacher-Loge

Abb. 2
figure 2

Röntgen-Thorax eines Patienten mit „Opferelektrode“ – eingebracht via Punktion über die V. subclavia rechts. Das Aggregat ist nicht implantiert und liegt extrakorporal

Tab. 1 Vergleich der Elektroden

Die „Opferelektrode“ als Bridging-Konzept

Indikationen für eine Opferelektrode

Wie bereits eingangs erwähnt, stellt die infektiöse Endokarditis bei CIED ohne Beteiligung valvulärer Strukturen beim SM-abhängigen Patienten eine klare Indikation zur Therapie mit einer „Opferelektrode“ dar. Darüber hinaus lässt sich während der Stimulation über eine „Opferelektrode“ die Indikation für ein CIED erneut validieren – dies wird von den ESC-Leitlinien auch gefordert [4].

Kontraindikationen für eine Opferelektrode

Eine Endokarditis mit einer floriden Beteiligung valvulärer Strukturen bei SM-Abhängigkeit sollte unserer Meinung nach nicht alleine durch Entfernung des CIED, Antibiose und Anlage einer „Opferelektrode“ behandelt werden. Stattdessen empfiehlt sich hier – in Abhängigkeit vom Befund – ein operativer Eingriff an der Herzklappe mit Anlage einer epimyokardialen Sonde. Außerdem sind ein suffizienter Eigenrhythmus sowie eine Bradykardie unter bradykardisierender Medikation (z. B. Beta-Blocker) ebenfalls keine Indikation zur Therapie mit der Opferelektrode.

Operative Technik der Opferelektrode

Der Eingriff wird im Regelfall in Vollnarkose in Rückenlage mit angewinkelten Armen unter Durchleuchtung durchgeführt. Der Oberkörper wird vom Hals bis inklusive beide Leistenregionen abgewaschen und abgedeckt. Bei einem SM-abhängigen Patienten muss zunächst die fixierbare Opferelektrode, im rechten Ventrikel platziert werden. Hierfür wird eine herkömmliche, bipolare Elektrode mit Schraube (oder Anker) über eine transkutane Punktion über die Vena subclavia (oder auch tief-jugulär) eingebracht und im rechten Ventrikel fixiert. Dies kann vorzugsweise über die Seite der alten Schrittmacherloge, dann möglichst 3–5 cm kraniolateral davon entfernt, oder über die kontralaterale Seite erfolgen – Letztere sollte allerdings für die geplante Neuanlage des CIED unversehrt bleiben. Es folgt die Bestimmung der Reizschwelle.

Wichtig ist eine bipolare Einstellung des Aggregats

Die Schrittmacher-Stimulation erfolgt nun über ein extern angeschlossenes, kompatibles Aggregat (Abb. 1 und 2). Es kann aber auch das explantierte, gereinigte und desinfizierte SM-Aggregat verwendet werden, sofern es zur Sonde passt und noch gut funktioniert. Wichtig ist dabei eine bipolare Einstellung des Aggregats! Nun können die alten Elektroden vom SM-Aggregat diskonnektiert und entfernt werden. Lassen sich die alten Sonden nicht problemlos extrahieren, da sie beispielsweise mit der Vena anonyma verwachsen sind, können sie z. B. mit dem EXCIMER-Laser entfernt werden. Im Anschluss sollte ein ausgiebiges Débridement mit Reinigung und Blutstillung der alten SM-Loge erfolgen. Letztlich wird ein passender Schwamm zur Vakuumtherapie eingepasst (Abb. 1). Eine zusätzliche perioperative Antibiotikaprophylaxe ist bei laufender Endokarditis-Antibiose nicht notwendig.

Postoperativer Verlauf und Komplikationen

Im eigenen Patientenkollektiv sind bislang keine nennenswerten Komplikationen aufgetreten. Es kam zu keiner Sondenperforation, Dislokation oder fehlerhaften Stimulation. Unter der antibiotischen Therapie hatte kein Patient eine Vegetation bzw. eine neu aufgetretene Endokarditis an der Opferelektrode. In der postoperativen Periode sind alle Patienten telemetrisch überwacht und auf Stationsebene mobilisiert. Regelmäßige Echokardiografie- und SM-Kontrollen sind obligat. Sämtliche Patienten erhielten am Ende des ca. 4–6 wöchigen stationären Aufenthaltes eine CIED-Reimplantation entsprechend ihrer Indikation.

CIED Reimplantation

Aus den ESC-Leitlinien geht eine eindeutige Empfehlung (Klasse I, Level C) hervor: Vor einer erneuten Reimplantation muss eine Reevaluation für die Indikation einer CIED-Implantation erfolgen [4]. In einer signifikanten Anzahl von Fällen ist eine Reimplantation nämlich nicht notwendig [4]. Besteht nach erfolgreicher Behandlung weiterhin die Indikation zur CIED-Therapie, so sollte das System über die kontralaterale Seite reimplantiert werden. Es liegt allerdings keine klare Empfehlung vor bezüglich des optimalen Zeitpunktes der Reimplantation. Eine sofortige Reimplantation sollte jedoch aufgrund des Risikos von erneuten Infektionen vermieden werden [4]. Blutkulturen sollten vor dem Einsetzen eines neuen CIED mindestens 72 h lang negativ sein [4].

Eine sofortige Reimplantation sollte aufgrund des Risikos von erneuten Infektionen vermieden werden

In unserer Klinik erfolgt die Reimplantation des neuen CIED – getreu der o. g. Empfehlungen – erst, wenn nach einer mindestens dreiwöchigen stationären, intravenösen Antibiose in den Blutkulturen kein Keim nachgewiesen wurde. Operativ erfolgt zunächst die CIED-Implantation in Larynxmaske auf der „gesunden“, kontralateralen Seite. Dann wird die Vakuumtherapie beendet und die alte Aggregatloge verschlossen. Zum Schluss erfolgt die Entfernung der „Opferelektrode“ unter Röntgenkontrolle.