Eine Depression bei älteren Menschen sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen: Zum einen steigt damit die Gefahr, dass die Betroffenen ihren Alltag nicht mehr bewältigen können und vorzeitig in ein Pflegeheim müssen, zum anderen ist die Suizidrate recht hoch, erläuterte Prof. Vjera Holthoff vom Alexianer Krankenhaus Hedwigshöhe in Berlin. Sie empfahl, bei älteren Menschen besonders auf Beschwerden wie Müdigkeit, Schmerzen und Gewichtsverlust zu achten. Viele hätten aufgrund solcher Probleme bereits eine Ärzteodyssee hinter sich und diverse Diagnosen erhalten, litten letztlich aber an einer Depression. Zu den alterstypischen Symptomen zählen auch Probleme mit dem Gedächtnis und der Entscheidungsfähigkeit, Nachlässigkeit bei der Einnahme der verordneten Arzneien, Reizbarkeit, sozialer Rückzug und vermehrter Konsum von Alkohol, Hypnotika oder Sedativa.

Besonders alarmiert sollten Ärzte sein, wenn solche Symptome bei gebrechlichen Patienten auftreten. Ihnen macht oft der zunehmende Funktionsverlust zu schaffen, ebenso die Angst vor Immobilität, Abhängigkeit, Schmerzen und Einsamkeit. Gerade bei den über 85-Jährigen ist die Depressionsprävalenz daher recht hoch. Ein hohes Suizidrisiko haben vor allem ältere verwitwete Männer, die lange in einer Partnerschaft gelebt haben und nicht mehr richtig hören oder sehen können. Sie ertragen den daraus folgenden sozialen Ausschluss oft nicht.

Therapie bei Alt und Jung

Immerhin — so die gute Nachricht — lassen sich Depressionen bei älteren Menschen im Schnitt ähnlich gut lindern wie bei jüngeren; die Ansprechraten auf Arzneien und Psychotherapie seien vergleichbar, so die Expertin. Allerdings sei die Rückfallgefahr älterer Patienten höher. Bei einer Major-Depression sollte man auf die Kombination von Psycho- und Arzneitherapie setzen, leichtere Depressionen könnten mitunter auch nur mit Psychotherapie angegangen werden, wobei darauf zu achten sei, dass aus der Minor- keine Major-Depression wird.

Die Ansprechraten beider Verfahren sind nach Studiendaten ähnlich gut wie bei jüngeren Patienten, unter Antidepressiva tritt die Stimmungsaufhellung bei Älteren aber oft erst nach sechs bis zehn Wochen auf. Besonders schlecht sind die Ansprechraten, wenn die Patienten auch an Diabetes, zerebrovaskulären Störungen, Ängsten und Schmerzen leiden. Bei solchen Patienten ist daher auch eine Überprüfung der Schmerztherapie oder eine anxiolytische Behandlung nötig. Häufigster Grund für den mangelnden Erfolg ist nach Ansicht Holthoffs jedoch auch bei Älteren eine zu niedrige Dosis der Medikamente, wohl aus Furcht vor Wechsel- und Nebenwirkungen. Werden die Arzneien langsam aufdosiert, treten solche Probleme jedoch selten auf. Bevor die Medikamente wieder abgesetzt werden, sollten die Patienten mindestens ein Jahr in Remission sein, bei zwei depressiven Phasen vor der Therapie sogar mindestens zwei Jahre. Die Psychiaterin rät, die Medikamente nur langsam über mindestens vier Wochen abzudosieren — je kürzer die Halbwertszeit, umso langsamer. Neben der Psychotherapie kommen weitere nicht medikamentöse Verfahren infrage, etwa eine Lichttherapie — drei Wochen eine Stunden am Morgen 7.500 Lux — oder eine Musik- und Gestaltungstherapie.

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