Die funktionellen und ästhetischen Aspekte nach Radikaloperationen im Beckenbereich sind das Leitthema dieser Ausgabe der coloproctology. „Pelvic Surgery“ als große Überschrift eröffnet eine sinnvolle Möglichkeit, die durch Organbezogenheit und fachlichen Egoismus, aber auch wegen notwendiger Spezialisierung auseinandergedrifteten wichtigsten operativen Fachgebiete unter dem Dach der individualisierten Medizin zum Wohl der betroffenen Patienten zusammenzuführen.

Gegenseitiger Respekt und interdisziplinäre Kommunikation sind für optimale Ergebnisse unabdingbar

Der Patient hat ein Recht hierauf, und der Arzt die Pflicht hierzu. Das gegenseitige Respektieren fachlicher Grenzen und eine intensive perioperative interdisziplinäre Kommunikation sind zum Erreichen optimaler Ergebnisse unabdingbar [1, 2].

Bereits die komplizierte Differenzierung der drei Keimblätter in der Hot-spot-Region der embryonalen Kloake zeigt die zu erwartende Komplexität und Synergie der ausdifferenzierten Beckenorgane und deren anatomischer Basis, dem Beckenboden.

Diese für die klinische Medizin bei allen drei Geschlechtern wegen ihrer Störanfälligkeit in jedem Alter bedeutsame Region steht im Zentrum des Interesses von Urologie und Gynäkologie. Für die spezielle Viszeralchirurgie des unteren Intestinaltrakts sind Resektionen und Rekonstruktionen im kolorektalen, aber auch im Dünndarmbereich von Bedeutung.

In der operativen Onkologie spielen Funktionalität und, für die Erhaltung der Lebensqualität, auch ästhetische Aspekte zunehmend eine Rolle. Die strikte Beibehaltung der Radikalität bei bösartigen Erkrankungen erfordert die Zusammenarbeit mit Pathologen sowie die prä- und postoperative Kooperation mit Radiologen, Strahlentherapeuten und Spezialisten für die Chemotherapie. Spätestens bei der chirurgischen Behandlung der dennoch auftretenden Rezidive, welche regelmäßig mit ausgedehnten Gewebeverlusten einhergehen, sollte die Zusammenarbeit mit der plastischen Chirurgie abgesichert sein.

In der operativen Onkologie spielen Funktionalität und ästhetische Aspekte zunehmend eine Rolle

Die hier von ausgewiesenen Spezialisten vorgelegten Arbeiten bieten einen State-of-the-art-Überblick und beruhen gleichzeitig auf langjährigen eigenen Erfahrungen der Autoren. Obwohl gewissermaßen als Synopsis angelegt, können längst nicht alle Facetten beleuchtet werden. lnfektionsprophylaxe, Komplikationsmanagement und die Aufklärungsproblematik bei den zum großen Teil sehr komplexen und für den Patienten belastenden Eingriffen kommen zu kurz. Resektion und Wiederherstellung am Gefäßsystem bleiben unerwähnt und die für Kinderchirurgen und Urologen essenziellen Herausforderungen bei der Behandlung von urogenitalen Fehlbildungen werden bewusst ausgeklammert. Das Gleiche gilt für Probleme bei Hermaphroditismus, für Geschlechtsumwandlungen und andere gendermedizinische Fragen.

Wir wünschen allen Lesern eine informative Lektüre und hoffen auf ein die traditionellen Grenzen der beteiligten Fachgebiete überwindendes Interesse. Alle Autoren weisen auf die Notwendigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit bei diesen hochkomplexen Operationen hin. In allen Beiträgen wird neben der onkologischen auch die Wichtigkeit der funktionellen Nachsorge betont. All dies begründet unsere Hoffnung auf ein breitgefächertes Echo und weiteren Erkenntnisgewinn aus Ihren Kommentaren.

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Werner Kneist