Zusammenfassung
Obwohl die kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie (KVT-I) laut Leitlinien die Therapie der ersten Wahl zur Behandlung der chronischen Insomnie ist, erhält ein Großteil der Patient(inn)en diese Therapie nicht. Im vorliegenden Fortbildungsartikel werden die verschiedenen Elemente der KVT‑I wie beispielsweise Bettzeitrestriktion und Psychoedukation beschrieben. Da nicht allen Patient(inn)en unmittelbar ein Psychotherapieplatz zur Verfügung steht, befasst sich dieser Artikel auch mit einem möglichen Stufenvorgehen, um die Komponenten der KVT‑I möglichst zeitnah allen Patient(inn)en zur Verfügung zu stellen. So bietet sich auch Hausärzten ein alternativer Behandlungsansatz zur medikamentösen Therapie für Insomniepatient(inn)en.
Abstract
Although cognitive behavioral therapy for insomnia (CBT-I) is the first choice for treatment of chronic insomnia according to guidelines, the majority of patients do not receive this therapy. The following article describes the elements of CBT‑I, such as bed restriction and psychoeducation. Since not every patient can receive psychotherapy immediately, this article suggests a possible step-by-step procedure, in order to make CBT‑I available to all patients in a timely manner. Thus, general practitioners have an approach alternative to drug-based treatment for insomnia patients.
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Dr. H. Hein, Reinbek
Prof. R. Schulz, Wiesbaden
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Was ist das Ziel der kognitiven Verhaltenstherapie bei Insomnie (KVT-I)?
Die Zeit zu überbrücken, bis die medikamentöse Therapie anschlägt.
Eine durchschnittliche Gesamtschlafzeit von mindestens 8 h
Psychiatrische Komorbiditäten sollen behandelt werden.
Schlafhinderlichen Kognitionen soll entgegengewirkt werden, das Anspannungsniveau soll reduziert und der Schlafdruck erhöht werden.
Das Wohlbefinden der Patient(inn)en soll erhöht werden, um eine Grundlage für einen erholsamen Schlaf zu schaffen.
Warum ist die Psychoedukation ein wichtiges Element der kognitiven Verhaltenstherapie bei Insomnie (KVT-I)?
Sie hilft, die Entstehung und Aufrechterhaltung von Ein- und Durchschlafstörungen zu verstehen, und führt dadurch auch zu einem besseren Verständnis für andere Interventionen der KVT‑I.
Sie ist das Element der KVT‑I, das die besten Erfolge zur Verkürzung der Einschlaflatenz zu verzeichnen hat.
Sie ist die günstigste Intervention.
Sie ist leicht durch die Patient(inn)en im Alleingang durch Internetrecherche umzusetzen.
Wenn Patient(inn)en keine komorbiden Erkrankungen haben, ist dieses Element der KVT‑I ausreichend, um sowohl Ein- wie auch Durchschlafprobleme so zu verbessern, dass die Patient(inn)en nicht auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen sind.
Was ist meist der Auslöser für die Entstehung einer Insomnie?
Ein Wechsel in Teilzeitarbeit
Eine Infektion oder eine Impfung
Eine neue Schlafumgebung oder ein/e neue/r Bettpartner(in)
Emotionale Stressoren oder hormonelle Umstellungen
Auszug der Kinder (Empty-Nest-Syndrom)
Welcher der folgenden Aspekte wird üblicherweise nicht im Schlaftagebuch festgehalten?
Bettzeiten tagsüber
Bettzeiten nachts
subjektive Schlaflatenz
Trauminhalte
abendlicher Alkoholkonsum
Welche der folgenden Nebenwirkungen sind zu Beginn der Maßnahme „Bettzeitrestriktion“ am ehesten zu erwarten?
Motivations- und Antriebsprobleme, Einschlafneigung tagsüber
Schweißausbrüche, Palpitationen
Blutdruckregulationsstörungen, Schwindel, Synkopen
Übelkeit, Appetitlosigkeit
erhöhte Infektanfälligkeit
Welche (relativen) Kontraindikationen für die Bettzeitrestriktion innerhalb der kognitiven Verhaltenstherapie bei Insomnie sind zu beachten?
Adipositas per magna
Depressionen
Maligne Tumore
Herzinsuffizienz ab Grad II
Epilepsie
Warum gibt es ein Stufenvorgehen zur Umsetzung der Elemente der kognitiven Verhaltenstherapie bei Insomnie (KVT-I)?
Es sollen so vor allem finanzielle Ressourcen der Krankenkassen geschont werden.
Die geringen Ressourcen qualifizierter Verhaltenstherapeuten sollen optimal genutzt werden.
Die Nutzung digitaler Angebote soll so gefördert und etabliert werden.
Die knappen Ressourcen in den Hausarztpraxen können auf diese Weise optimal genutzt werden.
Durch das Stufenvorgehen wird das Vertrauensverhältnis zu den Patient(inn)en stabilisiert.
Welches der folgenden Beispiele beschreibt ein erfolgversprechendes Stufenvorgehen zur Umsetzung von Elementen der KVTI?
Bibliotherapie – App – Gruppentherapie
Psychotherapie – Internetrecherche – App
Internetrecherche – kognitive Verhaltenstherapie – Psychoedukation
Telemedizin – Medikamentenbehandlung – Akupunktur
Einzeltherapie – Gruppentherapie – Telemedizin
Was kann man laut aktueller Studienlage über die Wirksamkeit der KVT‑I sagen?
Die Ergebnisse über Metaanalysen stehen noch aus, aber aus Fallberichten lässt sich ableiten, dass die kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie (KVT-I) erfolgreich sein kann.
Studien zeigen eine eindeutige Erhöhung der Gesamtschlafzeit und eine verkürzte Einschlaflatenz. In subjektiven Parametern schlägt sich dieser Erfolg i. d. R. nicht nieder. Dies führt zu der Annahme, dass Patient(inn)en selbst diese Veränderung meistens nicht wahrzunehmen scheinen.
Der Erfolg der KVT‑I lässt sich in Studien nur schwer abbilden, da es sich v. a. um subjektive Effekte handelt.
Eine Umsetzung der Elemente der KVT‑I ist nur im Einzelsetting einer Psychotherapie erfolgreich.
Es gibt Metaanalysen, die die positiven Effekte bestätigen. Vor allem die subjektiven Parameter verbessern sich laut Studien. Die Auswirkung auf objektive Parameter ist weniger eindeutig.
Eine 36-jährige Patientin klagt seit vielen Jahren über massive Ein- und Durchschlafstörungen. Labordiagnostik und Polysomnographie ergaben keine Hinweise für die Ursachen der Beschwerden? Wie können Sie der Patientin am ehesten helfen?
Die Patientin muss dringend medikamentös auf ein Hypnotikum eingestellt werden. Bei schwer ausgeprägten Ein- und Durchschlafstörungen ist eine kognitive Verhaltenstherapie nicht indiziert.
Da keine Ursachen in der Polysomnographie gefunden wurden, empfehle ich der Patientin, für eine Woche eine Bettzeitrestriktion von 4 Stunden pro 24 h (TIB) durchzuführen. Weitere Maßnahmen hängen dann vom Erfolg dieser Maßnahme ab.
Ich empfehle der Patientin eine kognitive Verhaltenstherapie. Um die Wartezeit zu überbrücken, kann ich der Patientin eine digitale Gesundheitsanwendung zur Insomnietherapie verschreiben.
Ich empfehle der Patientin, ein Schlaftagebuch zu führen. Sollte sich die Schlafstörung dadurch nicht nach 14 Tagen gebessert haben, sollte sie sich im Rahmen einer Bibliotherapie mit ihrer Schlafstörung auseinandersetzen.
Es ist eine weitere Schlaflabordiagnostik notwendig, damit die Ursachen der Schlafstörung gefunden und therapiert werden können.
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Weinhold, S.L., Göder, R. Kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie. Somnologie 26, 55–64 (2022). https://doi.org/10.1007/s11818-022-00341-z
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